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Sporttrend

Fitness aus der Steckdose

Fit und schlank in nur 20 Minuten pro Woche? Mit Hilfe von Elektrostimulation (EMS) soll das möglich sein. Das zeiteffiziente Muskeltraining mit Stromreizen erfreut sich inzwischen zunehmender Beliebtheit. Unter Wissenschaftlern ist der Trend jedoch umstritten.
AutorKontaktClara Wildenrath
Datum 20.08.2020  16:37 Uhr

Körperfett ab-, Muskulatur aufbauen, die Leistungskraft verbessern – und das alles mit möglichst wenig Zeitaufwand. Das versprechen die mittlerweile etwa 1400 EMS-Studios in Deutschland. Das Geschäft mit dem durch Reizstrom unterstützten Muskeltraining boomt. So zeigte die Deloitte-Studie »Der deutsche Fitnessmarkt«, dass EMS-Sportanlagen 2019 zu den stärksten Wachstumstreibern der Branche gehörten.

Das Prinzip des EMS-Trainings ist relativ einfach: Im menschlichen Körper werden Muskelkontraktionen durch elektrische Impulse sogenannte Aktionspotenziale ausgelöst. Bei der EMS verstärkt elektrischer Strom von außen diese Signale. Einzelne Reize bewirken eine Muskelzuckung, mehrere hintereinander führen zum Anspannen des gesamten Muskels.

Die Elektroden, über die der Strom in den Körper gelangt, sind beim Ganzkörper-EMS-Training in einer enganliegenden Spezialweste verteilt. Zusätzliche Manschetten steuern Arme, Beine und das Gesäß an. Zum Einsatz kommen dabei normalerweise Stromfrequenzen von 80 oder 85 Hertz. Sie machen sich beim Sportler durch ein intensives Muskelkribbeln bemerkbar. Währenddessen nimmt er verschiedene statische oder dynamische Körperhaltungen ein, die für eine Vorspannung der jeweiligen Muskeln sorgen. Im Vergleich zum konventionellen Training sollen so größere Muskelgruppen und tiefere Muskelschichten erfasst werden.

In der Physiotherapie kennt man EMS schon seit über 50 Jahren. Dort wird die Reizstromtherapie genutzt, um beispielsweise nach einer Verletzung die geschwächte Muskulatur wieder aufzubauen. Im Hochleistungssport hat sich die EMS ebenfalls schon vor Jahrzehnten etabliert, besonders zur Steigerung der Schnell- und Maximalkraft.

Strapazierte Muskelzellen

Als zeitsparende Methode des Fitnesstrainings ist die EMS jedoch umstritten. »Falsch angewendet kann EMS zu Schäden an Muskeln und Nieren führen«, warnte die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) 2018. Sie riet von EMS-Training im Breitensport ab. Die Methode sollte nur unter Anleitung ausgebildeter Sportmediziner und Physiotherapeuten zum Einsatz kommen. Das Personal in Fitnessstudios sei oft nicht ausreichend geschult, um die Belastung richtig einzuschätzen.

Vor allem den starken Anstieg der Kreatinkinase-Werte (CK-Werte) durch die intensive Muskelbeanspruchung sehen Kritiker der Methode als Gesundheitsrisiko an. Die Kreatinkinase ist ein Enzym, das an der Energiebereitstellung in der Muskulatur beteiligt ist. Gelangt dieser Eiweißstoff in hohen Konzentrationen ins Blut, weist das auf eine Schädigung der Muskelzellen hin. Tatsächlich fanden Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg bei gesunden, sportlichen Menschen nach einem ersten hochintensiven Ganzkörper-EMS-Training durchschnittlich auf das 117-fach erhöhte CK-Werte. Das ist viel mehr als nach einem konventionellen Kraft- oder Ausdauertraining und spricht für eine ausgeprägte Zerstörung von Skelettmuskelfasern (Rhabdomyolyse). Die Forscher wiesen jedoch darauf hin, dass es bei keinem der 26 Teilnehmer zu Komplikationen wie etwa einem Nierenversagen oder Herzproblemen kam.

Eine Folgestudie zeigte: Nach einer zehnwöchigen EMS-Trainingsphase mit moderater Intensität stiegen die CK-Werte auch bei maximaler Belastung nicht mehr in gesundheitlich bedenkliche Bereiche. Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass relativ schnell ein Gewöhnungseffekt eintrete. Dennoch warnen sie in den ersten EMS-Trainingseinheiten vor zu hohen Belastungen und Stromstärken. Wichtig: Wenn Symptome wie starke Muskelschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Verwirrtheit oder eine erhöhte Herzfrequenz auftreten oder sich der Urin dunkel färbt, sollte der Sportler dringend ärztlichen Rat einholen.

Weniger Zeit, mehr Effekt

Befürworter des EMS-Trainings loben vor allem die hohe Zeiteffizienz der Methode. Wie verschiedene Studien zeigen, liegt der durch EMS erzielte Zuwachs an Muskelmasse und -kraft in der Größenordnung dessen, was auch mit einem hochintensiven Intervalltraining (HIIT) erreicht werden kann. Der dafür notwendige Zeitaufwand beträgt mit EMS aber nur 20 bis 30 Minuten pro Woche, mit HIIT dagegen mindestens 60 bis 80 Minuten. Diese Zeitersparnis, verbunden mit einem relativ »komfortablen« Training und meist individueller Betreuung, lässt EMS für viele Menschen attraktiv erscheinen. Das führte in Studien dazu, dass die Zahl der Abbrecher durchweg gering ausfällt.

Die Spanne des Kraftzuwachses erwies sich hingegen als relativ groß. Offensichtlich profitieren manche Menschen mehr und andere weniger vom EMS-Training. Generell scheint der Effekt bei aktiven Athleten größer zu sein als bei Untrainierten.

Viele Fitnessstudios werben zudem damit, dass EMS nicht nur stärker, sondern auch fitter, schlanker und gesünder macht. Tatsächlich fand sich in mehreren Studien ein gewisser Abnehm-Effekt. Sowohl das Körpergewicht als auch die Gesamtfettmasse sanken während eines 8- bis 16-wöchigen Trainings. Die Gewichtsreduktion bewegte sich jedoch im Bereich von höchstens zwei Kilogramm. Als gesundheitsfördernd beurteilen Sportwissenschaftler, dass durch das EMS-Training der Taillenumfang zurückging. Zu viel Bauchfett gilt als Risikofaktor für Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes. Auch die Knochendichte bei älteren Frauen scheint die EMS geringfügig zu verbessern. Patienten mit unspezifischen Rückenschmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule berichteten in mehreren Studien ebenfalls von einer deutlichen Linderung ihrer Beschwerden durch das Training.

Langsam starten

Sportwissenschaftler der Universitäten Erlangen-Nürnberg, Kaiserslautern und Köln veröffentlichten 2016 eine Richtlinie zur sicheren und effektiven Anwendung der EMS. Ihr Credo: Um positive Effekte zu erzielen und mögliche negative Begleiterscheinungen zu vermeiden, ist ein versierter und verantwortungsvoller Umgang mit der Technologie nötig. Dazu gehöre die Betreuung durch einen ausgebildeten und lizenzierten EMS-Trainer oder in diesem Bereich erfahrenes medizinisches Personal. Vom selbständigen Training zuhause raten die Autoren ab. Vor der ersten EMS-Einheit empfehlen sie eine eingehende Anamnese. Unabhängig vom Gesundheits- und Trainingszustand oder dem Ehrgeiz des Teilnehmers darf die Erstanwendung nur mit moderater Belastung und Stromstärke erfolgen, betonen sie. Generell ist ein Training bis zur völligen Erschöpfung zu vermeiden. Um eine Belastung der Nieren zu reduzieren, raten die Forscher, während und nach den Übungen ausreichend zu trinken – insgesamt etwa einen Liter. Im Idealfall sollte der Sportler etwa zwei Stunden vorher einen kohlenhydratreichen Snack zu sich nehmen.

Im Frühjahr 2019 wurde darüber hinaus eine neue DIN-Norm für EMS-Training im kommerziellen Bereich herausgegeben. Sie benennt erstmals offizielle Gegenanzeigen für die Ganzkörper-EMS. Zu den absoluten Kontraindikationen zählen Herzrhythmusstörungen, elektrische Implantate wie Herzschrittmacher, akute Infektionen, Schwangerschaft, kürzlich vorgenommene Operationen oder unbehandelter Bluthochdruck.

Auch Diabetes, Arteriosklerose und Krebs werden genannt – obgleich Sportwissenschaftler diese Erkrankungen bei einer engen Betreuung durch gut ausgebildetes Personal durchaus als handhabbar ansehen. Bei der Zuckerkrankheit belegen Studien sogar einen positiven Effekt der EMS auf die Körperzusammensetzung, den Energieverbrauch und den Glukosestoffwechsel. Jedoch können hohe Trainingsintensitäten bei Diabetikern unter Umständen schnell zu einer gefährlichen Unterzuckerung (Hypoglykämie) führen.

Ab 2021 wird die Ganzkörper-EMS als Anwendung von nicht-ionisierender Strahlung zudem in die Strahlenschutzverordnung aufgenommen. Danach muss ein Anlagenbetreiber nachweisen, dass sein Personal über die erforderliche Sachkunde verfügt. Medizinische Vorkenntnisse werden bei den Schulungen nicht vorausgesetzt. Auch aus diesem Grund halten Sportwissenschaftler eine strenge Auslegung der genannten Kontraindikationen im kommerziellen EMS-Training für sinnvoll, um eine sichere Anwendung zu garantieren.

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