Flüssige Peroralia |
Bei Suspensionen nie den Hinweis auf das notwendige Schütteln vor der Gabe vergessen. / Foto: Adobe Stock/sergeevspb
Das Abwiegen der benötigten Kleinstmengen an Wirkstoffen stellt eine große Herausforderung dar und ist oft problematisch. Beispielweise ist für 100 mL Propranolol-Lösung 5 mg/mL lediglich 0,57 g des sehr gut wasserlöslichen Propranolhydrochlorid einzuwiegen. Zwingend notwendig ist die Nutzung der Analysenwaage, auch Feinwaage genannt. Viele dieser vierstelligen Waagen sind ab 20 mg einsetzbar. Ein schwarzes Wägeschälchen aus Polystyrol zur Einmalverwendung hat sich bewährt. Denn das antistatische Schälchen mit guter Standfestigkeit bringt kaum Eigengewicht mit und selbst mikrofeine Wirkstoffpulver lassen sich mit niedrigem Verlust wägen. Die weißen Wirkstoffpartikel sind gut im Kontrast zur schwarzen Färbung sichtbar. Der Einsatz mikrofein oder sehr fein gepulverter Arzneistoffe ist bei Suspensionszubereitungen zwingend notwendig. Denn nur so lassen sie sich lege artis aufschütteln. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Je feiner die Substanz ist, desto höher ist die Menge der anhaftenden Partikel an Herstellungsmaterialien. Zur Kontrolle schreibt das NRF bei allen standardisierten Rezepturen die Rückwägung des entleerten Wägeschiffchens auf die Analysewaage vor. Es darf nicht mehr als 1 Prozent des verordneten Arzneistoffs an der Oberfläche des Polymerschälchens haften. Nicht wenige Arzneibücher arbeiten jedoch lieber mit einem Einwiegekorridor: Soll beispielweise 1 g Arzneistoff verarbeitet werden, so errechnet sich ein Korridor von 1,0000 g bis 1,0100 g. Die tatsächliche Masse sollte immer nahe der Obergrenze liegen. Beispielsweise beträgt der ablesbare Wert 1,0089 und ist im Herstellungsprotokoll zu dokumentieren.
Einige Arzneibücher arbeiten nach der Faustregel, dass ab 1 g die Masse auf der Rezepturwaage einzuwiegen ist. Im Gegensatz zur Analysenwaage gibt die Feinwaage lediglich zwei Stellen nach dem Komma an. In dem oben genannten Beispiel zeigt die Waage dann nur den aufgerundeten Wert mit 1,01 an. Da viele Analysenwaagen zum Beispiel bis zu 220 g belastbar sind, ist diese Waage bei Einwaage des wirksamen Stoffes auch bei Massen über 1 g vorzuziehen. Im NRF sind Arbeitsvorschriften für die Bestimmung der Mindesteinwaage zu finden und Dokumentati-onshilfen können direkt auf dem PC online (www.dac-nrf.de) unter »Tools« ausgefüllt werden.
Verhält sich der verordnete Wirkstoff wie Zucker oder Salz in Wasser, so ist der Arzneistoff in der Flüssigkeit löslich. Es entsteht eine klare sowie durchsichtige Zubereitung. Diese darf gefärbt sein. Jedoch sind diese molekular dispers vorliegenden Arzneistoffe dann sehr reaktionsbereit. Nicht wenige hydrolysieren, oxidieren oder gehen andere Verbindungen ein. Auch schmeckt die Zubereitung häufig bitter oder einfach unangenehm. Denn die so klein vorliegenden Stoffe aktivieren die Geschmacksknospen. Damit die Einnahme nicht verweigert wird, sind Orangen- oder Himbeerflüssigaroma zugesetzt. Achtung: Sie sind nicht lieferbar mit einem validen Analysenzertifikat. Aber folgende sehr wichtige Information ist in den allgemeinen Hinweisen NRF I.2.1. zu den Aromen zu finden: »Die im DAC/NRF angeführten Aromen erfüllen laut Herstellerangaben die Voraussetzungen zur Verwendung auch in zulassungspflichtigen Arzneimitteln. Aromen in Fertigarzneimitteln müssen der Europäischen Aromenverordnung für Lebensmittel entsprechen (4, 13). Sie dürfen »nach den verfügbaren wissenschaftlichen Daten keine Gefahr für die Gesundheit der Verbraucher« darstellen und müssen bewertet werden und in die Gemeinschaftsliste der zugelassenen Aromen und Ausgangsstoffe aufgenommen sein (4).
Geschmacksneutral, lagerstabiler und damit auch länger anwendbar sind Suspensionen. Der Arzneistoff verhält sich wie feiner Sand in Wasser und gehorcht der Schwerkraft. Es entsteht ein Bodensatz. Lässt sich dieser durch Schütteln redispergieren, ist die Zubereitung verkehrsfähig. Wichtig ist nicht nur der schriftliche Hinweis auf dem Etikett, sondern auch die mündliche Unterweisung: »Bitte vor Gebrauch sorgfältig schütteln und unverzüglich die verordnete Dosis verabreichen«. Sowohl bei der Lösung als auch bei der Suspension darf die Wirkstoffkonzentration jedoch niemals unter 90 Prozent des deklarierten Gehalts abfallen. Das ist der Grund für die per Gesetz vorgeschriebene Angabe sowohl der Verwendbarkeits- als auch der Aufbrauchfrist. Wo liegt der Unterschied? Die Verwendbarkeitsfrist gibt an, wie lange die Flüssigkeit ohne Öffnen lagerstabil ist. Nach Öffnen der Primärverpackung gilt die Aufbrauchfrist. Damit ist nicht gemeint, dass bis zu diesem Datum die Flasche völlig entleert sein muss. Vielmehr geht es um die Problematik, dass beim Gebrauch der Arzneien zum Beispiel Luft oder Feuchtigkeit in die Zubereitung dringt. Gelöste Wirkstoffe können oxidieren, hydrolysieren oder andere Reaktionen eingehen. Der Gehalt an pharmakologisch aktiven Stoffen nimmt zum Teil schneller ab bei Medikamenten, die in Gebrauch sind.
Mit dem Öffnen der Flasche ist verbunden, dass Viren, Pilze oder Bakterien hineingelangen können. So verbraucht sich das Konservierungsmittel. Deshalb darf man niemals vergessen, die beiden Angaben »haltbar bis« und »verwendbar bis« auf dem Etikett zu dokumentieren. Die ApBetrO erlaubt die Abkürzung »verw. bis«. Das ist gut so, denn oft ist gerade bei Abgabe von Kleinstmengen wenig Platz für die Beschriftung vorhanden.
Flüssigkeiten, egal ob Lösung oder Suspension, sind über Volumen zu dosieren. Vielen ist der Einsatz von Messbechern oder graduierten Löffeln bekannt. Doch die Gefahr des Verschüttens ist gerade bei Messlöffeln groß, und dickflüssige Zubereitungen haften in nicht unerheblichen Mengen am Boden des Dosierbechers. Vorteilhafter sind deshalb die Oralspritzen, auch Kolbendosierspitze genannt. Damit lässt sich die flüssige Zubereitung ohne große Kleckerei aufziehen und direkt sowie verlustfrei in die Mundhöhle applizieren. Der Inhalt dieser Kolbendosierpipette wird langsam zur Innenseite der Wange entleert. So verringert sich die Gefahr des Verschluckens. Die Applikationsspritze muss anschließend gereinigt werden. Dazu entfernt man den Kolben aus dem Spritzengehäuse und spült beides gründlich unter fließendem warmem Wasser mit einem milden Spülmittel. Bitte niemals das Klarspülen mit reinem Wasser vergessen. Mit einem frischen Geschirrtuch oder einer Papierserviette werden beide Teile sorgfältig getrocknet. Die Lagerung in Plastikboxen oder passenden Glasgefäßen hat sich bewährt. Doch wie lange darf die Oralpipette genutzt werden? Die Firma Fagron gibt eine Verwendbarkeitsfrist von sieben Tagen an. Vor Ablauf dieser Frist gehört sie dann entsorgt, wenn der Spritzkolben schwergängig wird oder sich die Maßeinheiten nicht mehr ablesen lassen.
Um die Lagerstabilität beziehungsweise die Anwendungsdauer zu erhöhen, werden Konservierungsmittel eingesetzt. Doch welche eignen sich für die Allerkleinsten? Parabene stehen unter dem Verdacht, hormonartige Wirkungen bei Säuglingen und Kleinkindern zu erzeugen. Auch die Sensibilisierung gerade bei Methyl- sowie Propylester ist hinlänglich bekannt (»para-Allergie«). Als Kompromiss setzt das NRF bei ausgewählten Rezepturen nur den unproblematischeren Methylester ein. Die konservierend wirksame Sorbinsäure zählt nicht zu den Parabenen und wird bei bestimmten Rezepturen bevorzugt. Aber leider ist sie selbst nur mäßig wasserlöslich und benötigt dann die Zufuhr von Wärme.
Auch senkt die Sorbinsäure den pH-Wert jeder Wasserphase bis auf Werte von 3,5 bis 4. Nicht alle Arzneistoffe tolerieren das. Der Einsatz des wasserlöslichen Salzes Kaliumsorbat kann dieses Problem leider nicht lösen. Denn durch die zwingend notwendige Zugabe von wasserfreier Citronensäure entsteht durch Verdrängungsreaktion die eigentlich antimikrobiell wirksame Sorbinsäure. Und nicht vergessen: Auf das Etikett gehören die abgewogenen Bestandteile immer namentlich und unter Angabe der Mengen. Diese Regel gilt für den Arzneistoff.
Soll gänzlich auf eine Konservierung verzichtet werden, so sind viele Zubereitungen maximal für 24 Stunden verwendbar. Das haben entsprechende Untersuchungen des NRF ergeben. Verdickungsmittel wie Tragant sorgen dafür, dass sich die Zubereitung besser schlucken lässt. Doch gerade Naturstoffe sind mikrobiell problematisch, sodass die Verwendbarkeitsfrist dementsprechend angepasst worden ist. Vorteilhafter ist deshalb der Einsatz der Hydroxyethylcellulose 250. Seit April 2019 ist die die NRF-Stammzubereitung »Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen, S.52.« käuflich erwerbbar. Sie enthält mit Hydroxyethylcellulose 10 000 ein stärker verdickendes Quellmittel.