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FSME und Borreliose

Folgen eines Zeckenstichs vorbeugen

Eine Impfung schützt wirksam vor FSME, bei Borreliose sind die Prophylaxe-Optionen begrenzt. Eine vorsorgliche Einmalgabe eines Antibiotikums nach einem Zeckenstich ist umstritten.
Nicole Schuster
09.03.2022  12:00 Uhr

Kaum werden die Tage länger, beginnt auch wieder die Saison von Zecken wie Ixodes ricinus (gemeiner Holzbock). Die Spinnentiere werden bereits ab Temperaturen von etwa 7 ° C aktiv und suchen nach Opfern für ihre Blutmahlzeit. Gefährlich werden sie, wenn sie Krankheitserreger in sich tragen und beim Stechen an den Menschen weitergeben. In Deutschland sind vor allem Borrelien (Borrelia burgdorferi) und das FSME-Virus relevant.

Mit dem Erreger der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) sind hauptsächlich Zecken im süddeutschen Raum befallen. Bei einer Infektion entwickeln etwa 70 bis 95 Prozent der Patienten keine Beschwerden oder durchlaufen nur die erste, mildere Krankheitsphase mit grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und Abgeschlagenheit. Gefährlich ist die zweite Phase, in der die Entzündung auf das Gehirn, die Hirnhäute oder das Rückenmark übergeht. Atemlähmung, Lähmungen an Armen und Beinen und Schluck- und Sprachstörungen sind mögliche Folgen, einige davon können irreversibel sein. Bei ungefähr einem von 100 Erkrankten mit Befall des Nervensystems verläuft die FSME-Infektion tödlich. Die Behandlung kann nur symptomatisch erfolgen, bei schweren Verläufen intensivmedizinisch.

Impfung schützt

Die gute Nachricht bei FSME ist, dass es eine bewährte Schutzimpfung gibt. »Entsprechend den Empfehlungen des Robert Koch Instituts (RKI) sollten sich alle Personen, die sich dauernd oder zeitweise in den vom RKI ausgewiesenen Risikolandkreisen aufhalten und dabei mit der Natur in Kontakt kommen, gegen FSME impfen lassen«, sagt Professor Dr. Gerhard Dobler, Leiter der Abteilung für Virologie und Rickettsiologie am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr München gegenüber PTA-Forum. Als Risikogebiete gelten in Deutschland Bayern und Baden-Württemberg, Südhessen, das südöstliche Thüringen und Sachsen. Einzelne Risikogebiete weist das Institut auch in Mittelhessen, im Saarland, in Rheinland-Pfalz und in Niedersachsen aus, sodass zurzeit insgesamt 169 Kreise als FSME-Risikogebiete erfasst sind. Das aktuelle Verbreitungsgebiet veröffentlicht das RKI auf seinen Internetseiten.

»Außerhalb der Risikogebiete gibt es ebenfalls FSME, jedoch deutlich seltener«, sagt Dobler. »In diesen Gegenden empfehle ich eine Impfung nur bei erhöhtem Infektionsrisiko.« Wer noch ungeimpft ist und im Frühsommer geschützt sein möchte, lässt sich am besten im Winter impfen. Die Immunisierung besteht aus drei Impfstoffgaben. Der Impfabstand zwischen erster und zweiter Spritze beträgt vier Wochen bis drei Monate. Die dritte Impfdosis injiziert der Arzt fünf bis zwölf Monate nach der zweiten (abhängig vom Impfstoff). Planen nicht Geimpfte eine Reise in ein Hochrisikogebiet und werden sich dort viel in der Natur aufhalten, können sie ihren Arzt nach einer Schnellimmunisierung mit verkürzten Impfabständen fragen.

Impfstoffe gibt es auch schon für (Klein-)kinder. Sie können ein besonders hohes Expositionsrisiko haben, wenn sie viel draußen spielen. Zu bedenken ist allerdings, dass eine FSME-Erkrankung beim Nachwuchs meist leichter als bei Erwachsenen verläuft, nach der Impfung jedoch Reaktionen wie Fieber auftreten können. Eltern besprechen daher am besten mit dem Kinderarzt, ob die Vor- oder Nachteile einer Impfung bei ihrem Kind überwiegen.

Antibiose vorbeugend?

Borrelien können Zecken deutschlandweit übertragen. Nach einem Stich lässt sich nach Angaben des RKI bei 2,6 bis 5,6 Prozent der Betroffenen eine Infektion mit dem Erreger nachweisen. Doch nur 0,3 bis 1,4 Prozent entwickeln eine klinisch manifeste Erkrankung. Das häufigste und bekannteste Zeichen für eine Borreliose ist die Wanderröte – das Erythema migrans. Fieber, Lymphknotenschwellungen, Muskel- und Gelenkschmerzen sind weitere mögliche Symptome. Borrelien können auch das Nervengewebe (Neuroborreliose), die Gelenke (Lyme-Arthritis) und selten auch das Herz (Lyme-Karditis) befallen.

Um Spätmanifestationen zu verhindern, erhalten Patienten im Frühstadium eine Antibiose, meist in Form von oralem Doxycyclin oder Amoxicillin, alternativ auch von Cefuroxim oder Azithromycin. Prophylaktisch wird in Deutschland kein Antibiotikum gegeben. Dieses könnte aber nach einem Stich das Borreliose-Risiko reduzieren, wie eine im November 2021 im Fachjournal »BMC Infectious Diseases« veröffentlichte Metaanalyse zeigt. Laut den Autoren erwiesen sich dabei die topische Azithromycin-Therapie und die zehntägige Antibiose weniger effektiv als die Einmalgabe von 200 mg Doxycyclin. Die Autoren der seit März 2021 abgelaufenen S2k-Leitlinie »Kutane Lyme Borreliose« empfahlen die orale Doxycyclin-Prophylaxe in Europa jedoch nicht. Sie verwiesen auf Auswirkungen auf die Darmflora und eventuelle Resistenzentwicklungen bei häufiger Prophylaxe. Die prophylaktische Anwendung einer antibiotischen Salbe etwa mit Azithromycin empfahlen sie wegen derzeit fehlender klinischer Daten nicht.

Weniger Nachteile hätte eine zugelassene Schutzimpfung. US-amerikanische Wissenschaftler haben einen Impfstoffkandidaten auf mRNA-Basis mit dem Namen I9ISP entwickelt und in Tierversuchen bereits erfolgreich getestet. Der Impfstoff besteht aus einer Mischung von mRNA, die für 19 Speichelproteine (19ISP) der Zecke Ixodes scapularis (I. scapularis) codieren. Er ist also nicht gegen B. burgdorferi selbst gerichtet, sondern gegen Bestandteile des Zeckenspeichels. Der Impfstoff beruht auf der Beobachtung, dass einige Tierarten bei wiederholter Exposition mit den Blutsaugern »resistent« werden. Sie entwickeln bei Kontakt mit dem Zeckenspeichel ein Erythem an der Einstichstelle. Die Zecken saugten in Versuchen mit dem Impfstoff an den betroffenen Stellen weniger Blut und fielen bereits nach etwa 48 Stunden wieder ab und genossen die Blutmahlzeit nicht wie sonst rund 96 Stunden lang. Beim Menschen führt ein Erythem an der Stichstelle auch dazu, dass die Zecke schneller bemerkt und entfernt werden kann. Da die Parasiten bakterielle Erreger wie Borrelien erst gegen Ende an ihren Wirt abgeben, bedeutet eine kürzere Saugdauer ein geringeres Infektionsrisiko. Das Prinzip könnte grundsätzlich auch vor der Übertragung anderer Bakterien aus Zecken schützen, so die Wissenschaftler von der Yale University in der Zeitschrift »Science Translational Medicine«.

Stiche vermeiden

Bis ein Impfstoff auch gegen die Borreliose verfügbar ist, stehen nur die klassischen Maßnahmen zur Prophylaxe zur Verfügung. »Bei Aufenthalten in der Natur sollten direkte Kontakte mit der niederen Vegetation gemieden werden«, sagt der Experte, der auch das Nationale Konsiliarlabor für FSME in München leitet. »Zecken werden meist von Gras, Kräutern und Gebüsch bis circa einem Meter Höhe abgestreift.« Lange, geschlossene Kleidung schützt am besten. »Auf hellem Stoff lassen sich dort krabbelnde dunkle Zecken besonders gut erkennen.« Dobler empfiehlt weiter, die Hosenbeine in die Strümpfe zu stecken. »Das vermeidet einen direkten Hautkontakt der Zecken.«

Zeitlich begrenzt schützen Repellentien. »Präparate mit DEET, Icaridin und/oder Zitronen-Eukalyptus sind klinisch getestet und zeigen auch bei Zecken eine gute Wirksamkeit«, so der Münchener Oberfeldarzt. Zu beachten ist, dass nur die mit dem Mittel behandelten Stellen geschützt sind, andere Partien etwa die Kopfhaut aber weiterhin von Zecken befallen werden können. Ein guter Tipp ist, die Haut noch ein Stück unter der Kleidung zu behandeln, falls der Ärmel oder der Hosenrand etwas nach oben rutscht.

»Bei intensiven und nur schwer vermeidbaren Kontakten mit der Natur, zum Beispiel bei Jägern oder Waldarbeitern, aber auch bei einigen im Wald ausgeübten Sportarten, kann eine Imprägnierung der Hosen mit einem Permethrin-Derivat hilfreich sein«, empfiehlt der Zecken-Experte. Vor dem Aufsprühen auf die Kleidung sollte aber sichergestellt sein, dass die Produkte keine Flecken auf dem Stoff hinterlassen.

Nach einem Aufenthalt in der Natur sucht man am besten den ganzen Körper nach Zecken ab. Die Tierchen sitzen häufig an geschützten Stellen, wo sie nicht so schnell gefunden werden. Bevorzugte Einstichstellen befinden sich am Kopf (Haaransatz, Ohren), in Kniekehlen, Achselhöhlen und im Genitalbereich.

Schnell entfernen

Eine gefundene Zecke sollte so schnell wie möglich entfernt werden, denn je länger sie saugt, desto größer wird die Gefahr, dass sie dabei FSME-Viren oder Borrelien überträgt. Dafür eignet sich eine Pinzette oder ein spezielles Zeckenentfernungsinstrument wie eine Zeckenzange oder -schlinge. Im Notfall tut es auch der Fingernagel. Wichtig ist, das Tier komplett zu entfernen. Das funktioniert am besten, wenn die Zecke nahe an der Hautoberfläche gegriffen und dann langsam und gerade herausgezogen wird. Ins Reich der Mythen gehören Empfehlungen wie die Zecke mit Klebstoff, Nagellackentferner oder Öl zu traktieren oder den Zeckenkörper »herauszuschrauben«.

In den nächsten sechs Wochen ist die Stichstelle zu beobachten. Eine unmittelbar nach dem Stich auftretende Rötung durch die Zeckenspeichelstoffe ist normal und bildet sich innerhalb einiger Tage zurück. »Beim Auftreten eines roten, sich ausbreitenden Flecks mehrere Tage nach dem Zeckenstich sollte allerdings ein Arzt aufgesucht werden. Liegt eine Borreliose vor, muss eine antibiotische Therapie eingeleitet werden«, sagt Dobler.

Eine nachträgliche Untersuchung der Zecke auf Krankheitserreger etwa mit einem »Zecken-Schnelltest« hält das RKI nicht für sinnvoll. »Ein positiver Nachweis von Borrelien beziehungsweise FSME-Viren in der Zecke lässt keine Schlüsse zu, dass es auch zu einer Infektion der betroffenen Person gekommen ist, sodass aus diesem Befund auch keine weiteren Behandlungsempfehlungen abgeleitet werden können«, heißt es in den FAQ des Instituts zu Zecken, Zeckenstich, Infektion. Auch lasse sich eine Übertragung durch weitere, unbemerkte Stiche nicht ausschließen.

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