Frauenherzen schlagen anders |
Der weibliche Körper hat eine andere Chemie als der männliche. Das wird vor allem bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen häufig nicht berücksichtigt. / Foto: Getty Images/fizkes
Während weltweit und insbesondere am heutigen Internationalen Frauentag um die rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung des weiblichen Geschlechts gerungen wird, müsse in der Diagnose und Therapie spezifischer Erkrankungen genau das Gegenteil angestrebt werden. Denn: Frauen nehmen Erkrankungen »anders« wahr und reagieren »anders« auch auf Medikamente.
Nach wie vor würden die gesundheitlichen und pharmakologischen Charakteristika des weiblichen Körpers in Studien nur unzureichend berücksichtigt. Viele Untersuchungen seien noch immer vorrangig auf den männlichen Körper ausgerichtet – was für Frauen fatale Folgen haben könne. Das machen die Autoren mehrerer Beiträge in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift »Aktuelle Kardiologie« deutlich und fordern die stärkere Beachtung geschlechterspezifischer Aspekte in der Risikobewertung, Diagnose und Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere der koronaren Herzerkrankung (KHK) als Vorläufer von Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz und Herzinfarkt.
Zwar ist die koronare Herzerkrankung den Autoren zufolge sowohl bei Männern wie bei Frauen weltweit führende Todesursache – die Gesamtletalitäts- und die Hospitalisierungsrate kardiovaskulärer Erkrankungen sei jedoch insbesondere bei jüngeren Frauen höher als bei Männern. Das macht Professor Ilka Ott, Pforzheim, federführende Verfasserin der Abhandlung »Geschlechtsspezifische Unterschiede bei koronarer Herzerkrankung« deutlich.
Der Grund: Männer, so die Kardiologin, präsentierten sich im Notfall häufiger mit Engegefühl in der Brust und Todesangst sowie in den linken Arm ausstrahlenden Schmerzen als für Mediziner typische Zeichen von Anina pectoris. Frauen dagegen litten im akuten Koronarsyndrom in Abweichung von der »klassischen«, männlichen Leitsymptomatik eher unter atypischen Beschwerden wie Luftnot, Schwäche, Übelkeit, Kiefer-, Schulter- und Armschmerzen. Das werde häufig selbst von Notärzten falsch interpretiert und die Frauen somit keiner adäquaten (Notfall)Therapie zugeführt.
Die Behandlungsoptionen bei Frauen sind Ott zufolge generell weniger gezielt ausgerichtet als bei Männern. Das heißt, es werden weniger Untersuchungen und zudem auch zumeist verzögerte Aufnahmen in Krankenhäuser und auf (Intensiv)Stationen vorgenommen. Im akuten Koronarsyndrom zeigen Frauen im Vergleich zu Männern zudem eine erhöhte Komplikationsrate. Per se werde das kardiovaskuläre Risiko bei Frauen in Folge von Risikofaktoren und Gefäßschäden durch Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus und Hypertonie sowie Stress und Depressionen unterschätzt.
Gleiches gelte für Herzrhythmusstörungen, machen in einem weiteren Beitrag Professor Daniel Steve, Privat-Dozentin Arian Sultan und Cornelia Scheurlen vom Herzzentrum der Uniklinik Köln deutlich. Obwohl Frauen insbesondere bei Vorhofflimmern oftmals über stärkere Symptome berichten, werde eine Therapie bei ihnen häufiger später eingeleitet als bei Männern, sodass die Frauen bei Ablation zumeist älter und häufiger auch von Rezidiven betroffen sind. Trete Angst als ein Leitsymptom dabei auf, werde es bei Frauen oftmals als unangebrachte »Panikattacke« fehldiagnostiziert.
Die besondere Chemie des weiblichen Körpers werde nicht nur durch das wesensspezifische, zumeist geringere Gewicht bei ebenfalls geringerer Körpergröße, sondern auch durch die andersartige Zusammensetzung von Muskeln, Fett, Proteinen und Wasser sowie ein niedrigeres Plasmavolumen, eine geringere Organdurchblutung und eine eigene glomeruläre Filtrationsrate geprägt, heben in einem dritten Beitrag »Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Pharmakologie« Professor Anke C. Fender und Professor Dobromir Dobrev vom Institut für Pharmakologie des Universitätsklinikums Duisburg-Essen hervor.
Nicht zu vernachlässigen seien hormonelle Besonderheiten, die per se die Pharmakokinetik und Pharmakodynamik, sprich: Wirkdauer, Wirkstärke und Wirkqualität eines Arzneistoffs entscheidend beeinflussen und nicht nur durch den weiblichen Zyklus, sondern auch durch Schwangerschaft und Menopause oder die Einnahme von Kontrazeptiva und Hormonersatztherapeutika gesteuert werden.
Last but not least seien Frauen und Männer ganz unterschiedlich auch mit Arzneimittel- metabolisierenden Enzymen ausgestattet. Klassisches Beispiel sei das Enzym Alkohol-Dehydrogenase, das bei Frauen geringer exprimiert ist und einem verzögerten Abbau von Ethanol bewirkt.
Auch die Pharmakologen warnen daher davor, dass Frauen in klinischen Zulassungsstudien nach wie vor unterrepräsentiert und nicht zuletzt auf Dosisempfehlungen angewiesen sind, die sich am männlichen Körper orientieren. In der Diagnose und Therapie müssten die Unterschiede nicht nur gekannt und anerkannt werden. Bei der Verordnung von Medikamenten müsse jeweils auch eine andere Risiko-Abwägung vorgenommen werden – dieses allemal bei Erkrankungen des Herzens, dem Zentrum des menschlichen Lebens.