Freie Heilberufe schlagen Alarm |
Sie fordern einen Kurswechsel in der Gesundheitspolitik: Martin Hendges, Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening, und Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) heute bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin (v.l.n.r.). / Foto: PZ/Alexander Müller
Als Reaktion auf die aktuelle Sparpolitik von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) haben heute Ärzte, Zahnärzte und Apothekerschaft gemeinsam einen eindringlichen Appell an die Bundespolitik gerichtet. Sie sehen die ambulante Gesundheitsversorgung in Gefahr. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) fahre mit seiner aktuellen Sparpolitik und den angekündigten Reformen hierzulande die Gesundheitsversorgung durch Arzt- und Zahnarztpraxen sowie durch Vor-Ort-Apotheken systematisch an die Wand. Es bedürfe eine umgehende Kurskorrektur, ansonsten drohe eine Verschlechterung der Leistungen, eine Aushöhlung der Versorgung von Praxen und Apotheken.
Um die Dramatik der gesundheitspolitischen Lage zu verdeutlichen, hatten heute ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening, Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und Martin Hendges, Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) zu einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin eingeladen. Sie werfen Lauterbach Ignoranz und mangelnde Dialogbereitschaft für ihre Sorgen und Lösungsansätze vor.
Als »Notruf der freien Heilberufe« titulierte Overwiening den gemeinsamen Auftritt. Die drei Berufsgruppen seien Garanten für eine flächendeckende ambulante Gesundheitsversorgung und somit auch Stabilisator des sozialen Friedens, hob sie hervor. Demnach leisten 185.000 Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten jährlich mehr als 550 Millionen medizinische Behandlungen. Und rund 73.000 behandelnd tätige Zahnärztinnen und Zahnärzte versorgen im Durchschnitt jeweils 1200 Bundesbürger; aktuell gibt es rund 40.000 vertragszahnärztlich zugelassene Praxen in Deutschland. Und in den rund 17.800 Apotheken werden jeden Tag mehr als drei Millionen Menschen zu ihrer Arzneimitteltherapie beraten. »Gemeinsam mit ihren Teams steuern diese Berufsgruppen die ambulante Gesundheitsversorgung. Sie sind fester Bestandteil lokaler Infrastruktur und als solche ein Garant für den sozialen Frieden«, betonte die ABDA-Präsidentin.
Die aktuelle Spar- und Reformpoliktik von Minister Lauterbach erodiere dieses funktionierende System. Wenn nicht bald gegengesteuert werde, sei die flächendeckende Versorgung nicht mehr garantiert. Overwiening verwies auf das Spargesetz zur Stabilisierung der Kassenfinanzen. Im Zuge dessen würde die Vor-Ort-Apotheken finanziell weiter geschwächt. Gleichzeitig erinnerte sie an das Versprechen der Regierungskoalition, die Apotheken vor Ort stärken zu wollen. Seit Monaten fordert die Apothekerschaft eine Anpassung ihrer Vergütung, die letztmalig 2013 erhöht worden ist um 25 Cent auf eine Pauschale von dann 8,35 Euro pro abgegebenen Rx-Medikament.
Angesichts immer mehr Apothekenschließungen fordert die ABDA seit Langem von der Politik, gegenzusteuern. Doch statt einer wirtschaftlichen Stärkung werde der Apothekerschaft nun von Lauterbach eine Reform als Lösung verkauft, die genau das Gegenteil bewirke, nämlich die Aushöhlung der flächendeckenden Apothekenstruktur und eine Versorgung »light«. Lauterbachs Plan, die Filialisierung von Apotheken vorantreiben zu wollen, in denen lediglich telepharmazeutisch beraten werde, die keinen Notdienst mehr anbieten sollen und keine Rezepturen mehr erstellen, konterkariere die versprochene Stärkung der Apothekenlandschaft. Der Effekt dieser aus Sicht der ABDA fehlgeleiteten Politik sei fatal. Schon jetzt fehle es an Nachwuchs. Der Arbeitsplatz Apotheke würde so wirtschaftlich noch unattraktiver.
»Verstehen Sie was gerade passiert?«, so Overwiening. »Lauterbach, der versprochen hat, keine Leistungen zu kürzen, bewirkt genau das: den Wegfall von Leistungen.« Die ABDA-Präsidentin wandte sich direkt an die Mitglieder des Bundestags: »Lassen Sie dies nicht zu!« Wer eine funktionierende Versorgung wolle, müsse in diese investieren. »Es geht darum, die Apotheke zu stärken, nicht sie auszuhöhlen.«