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Schwangerschaft

Frühgeburten verhindern bleibt Herausforderung

Ob wegen einer Infektion, einer Zwillingsschwangerschaft oder Präeklampsie: Frauenärzte geben ihr Bestes, um eine Frühgeburt zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Doch trotzdem kommen noch immer viele Babys zu früh zur Welt.
Datum 09.09.2021  16:00 Uhr

Normalerweise dauert eine Schwangerschaft rund 40 Wochen. Wird ein Baby vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche (SSW) geboren, sprechen Ärzte von einer Frühgeburt. Weltweit ist laut der Weltgesundheitsorganisation WHO etwa jedes zehnte Kind betroffen. Hierzulande sehen die Zahlen mit etwa 7 bis 8 Prozent nur geringfügig besser aus.

Frühgeburten tragen wesentlich zur Sterblichkeit von Neugeborenen bei. Glücklicherweise macht die medizinische Versorgung von Frühchen enorme Fortschritte: »Manche Babys können mit allen Mitteln der Frühgeborenen-Intensivmedizin schon bei einer Geburt in der 24. Woche überleben«, erklärt Dr. Christian Albring gegenüber PTA-Forum. Er ist Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte und niedergelassener Frauenarzt in Hannover. Ob Ärzte eine Maximaltherapie erwägen, stimmen sie gemeinsam mit den Eltern ab. Insbesondere vor der 28. SSW geht es schließlich nicht nur um das Überleben, sondern auch darum wie. »Mit jeder Woche, die das Kind sich länger geschützt in der Fruchthöhle entwickeln kann, steigen seine Chancen, mit möglichst geringen Hirnschäden, Herz-, Lungen-, Seh- und Hörstörungen und ohne lebenslange intellektuelle Defizite zu überleben.«

Extreme Frühchen, die nur wenige hundert Gramm wiegen, werden in sogenannten Perinatalzentren Level 1 versorgt. Denn ihre Prognose hängt neben dem individuellen Entwicklungsstand maßgeblich von der Erfahrung des behandelnden Ärzteteams ab. Kommen Frühchen zwischen der 30. und 32. SSW zur Welt, liegt ihr Schätzgewicht knapp unter 1500 Gramm. Sie sind auch in einem Perinatalzentrum Level 2 gut aufgehoben.

Rund zwei Drittel aller Frühgeburten werden nach der 34. SSW als späte Frühgeburt geboren. »Ab diesem Zeitpunkt sieht es für das Baby ganz gut aus«, beruhigt Albring. Denn dann gelte die Lungenreife als abgeschlossen. Trotzdem brauchen die Säuglinge eine intensive Überwachung – und das belastet oft die gesamte Familie. Neben den Ängsten erschwert die räumliche Trennung die Eltern-Kind-Bindung und auch Stillprobleme sind häufig. Jede Frühgeburt, die eigentlich verhinderbar wäre, ist also eine zu viel.

Multifaktoriell bedingt

Doch warum kommt es zur Frühgeburt? Wie bei einem Mosaik wirken Faktoren der Mutter, des Kindes sowie der Plazenta zusammen. Sie umfassen psychosoziale Aspekte wie Stress oder fehlende soziale Sicherheit und Unterstützung genauso wie medizinische Gründe. »Drillinge kommen immer, Zwillinge in 70 Prozent als Frühgeburt zur Welt«, erklärt Albring. Die Liste weiterer Risikofaktoren reicht vom Alter der werdenden Mutter (<17 Jahre, >35 Jahre) über Eisenmangel, Schilddrüsenfunktionsstörungen bis hin zu Diabetes, Bluthochdruck, Rauchen oder Infekten. Auch Plazentastörungen, eine zu rasche Schwangerschaftsfolge oder Zervixinsuffizienz können ursächlich hinter einer Frühgeburt stecken. Nach einer Frühgeburt steigt übrigens auch das Risiko in der Folgeschwangerschaft.

Einige Umstände können jedoch günstig beeinflusst werden. Die Zigarette sollten nicht nur Schwangere selbst, sondern auch ihre Mitbewohner aufgeben. Da auch schwere Virusinfektionen der Mutter wie Covid-19 oder Influenza eine Gefahr darstellen, schützen Impfungen ebenfalls. Im Rahmen der Vorsorge gehört auch ein Screening auf Blutarmut und Schwangerschaftsdiabetes routinemäßig dazu. Zusätzlich kontrollieren Frauenärzte regelmäßig Blutdruck, Gewicht und Urin.

Bakterielle Infekte stecken hinter jeder vierten Frühgeburt. Sie können vorzeitige Wehen und einen vorzeitigen Blasensprung auslösen. »Besiedeln Keime die Vagina, können sie durch den Gebärmuttermund aufsteigen«, warnt Albring. Viele bakterielle Infekte verlaufen völlig symptomfrei. »Die Selbstmessung des Scheiden-pH ist sehr sinnvoll«, findet er. »Damit kann kontrolliert werden, ob der pH in der Vagina noch sauer genug ist, um krankmachende Keime zu hemmen.« Neben einem erhöhten Scheiden-pH deutet ein unangenehmer Geruch oder vermehrter Ausfluss auf eine bakterielle Vaginose hin. Obwohl einige freiverkäufliche Mittel für Schwangere geeignet sind, sollten sie Beschwerden nicht in Eigenregie behandeln, sondern ihren Arzt aufsuchen. Nur er kann beurteilen, ob Milchsäure- oder Lactobazillus-Präparate genügen oder eine Antibiose lokal oder systemisch nötig wird.

Wird der Bauch immer wieder hart, sind viele Frauen verunsichert. Dies seien jedoch harmlose Übungseinheiten der Gebärmutter, beruhigt der Experte. »Ob es sich um echte verfrühte Wehen handelt und ob auch der Muttermund schon aufgeht, wird während des Termins der Mutterschaftsvorsorge festgestellt.« Im Ultraschall kann der Arzt die Länge des Gebärmutterhalses sehr gut beurteilen.

Mediziner verstehen vorzeitige Wehen heute als »Syndrom«. Völlig unterschiedliche Mechanismen mit immunologischen oder hormonellen Botenstoffen und Signalwegen stören das feinabgestimmte Gleichgewicht im Körper und münden in dieser gemeinsamen Endstrecke. Infektionen können beispielsweise über Interleukine vorzeitige Wehen auslösen, Zwillinge hingegen durch die Überdehnung der Gebärmutter. Daher: Wehenhemmer (Tokolytika) bekämpfen kurzzeitig ein Symptom, beheben jedoch nicht die Ursache vorzeitiger Wehen.

Wehenhemmer schenken Zeit

In der aktuellen Leitlinie werden der Calciumantagonist Nifedipin, der Oxytocinrezeptor-Antagonist Atosiban und der COX-Hemmer Indometacin zur Wehenhemmung empfohlen. Nur Atosiban ist neben Fenoterol offiziell zugelassen, wobei Fenoterol wegen ungünstiger Nebenwirkungen hierzulande als obsolet gilt. Auch intravenöses Magnesium konnte nicht überzeugen. Es scheint allerdings einen schützenden Einfluss auf die Hirnentwicklung zu haben und wird zur Neuroprotektion genutzt.

Tokolytika wirken mit maximal 48 Stunden sehr kurz. Daher kommen sie üblicherweise vor der vollendeten 34. Schwangerschaftswoche zum Einsatz, um Zeit für die »Lungenreifung« zu gewinnen oder um eine Schwangere noch vor der Geburt in ein erfahreneres Krankenhaus zu verlegen.

Die gewonnene Zeit ist kostbar. Denn besonders die unreife Lunge des Embryos bereitet den Ärzten Kopfzerbrechen: Bei Surfactant-Mangel kollabieren die Alveolen mit der Ausatmung und müssen sich unter viel Atemarbeit mit jedem Atemzug neu entfalten. Werden aber Glucocorticoide rechtzeitig vor der Geburt verabreicht, regen sie die Surfactant-Bildung an, bewirken ein rascheres Reifen der Lungen und senken damit das Risiko für das oben beschriebene Atemnotsyndrom. Dafür erhalten Schwangere zweimal im Abstand von 24 Stunden die umgangssprachliche »Lungenreifespritze« mit Betamethason. Entscheidend ist das Timing: Die Wirkung tritt erst nach 24 Stunden auf und hält rund sieben Tage an. Eine erneute Gabe ist zwar möglich, muss aber besonders streng abgewogen werden.

Auch Progesteron wird therapeutisch genutzt. Es nimmt eine Schlüsselrolle ein und hemmt Wehen direkt an der Gebärmutter. Gleichzeitig beeinflusst es über zahlreiche Mechanismen auch Muttermund, Plazenta und Eihäute. Das Hormon kann vaginal, oral oder intramuskulär appliziert werden. Die lokale Anwendung ermöglicht eine höhere lokale Bioverfügbarkeit bei besserer Verträglichkeit. Einige Frauen klagen zwar über vermehrten Ausfluss, dafür fallen Müdigkeit oder Kopfschmerzen als Nebenwirkungen weg. Insbesondere Frauen, die vor der 24. SSW einen verkürzten Gebärmutterhals haben, profitieren von vaginal appliziertem Progesteron.

»Es tritt jedoch häufiger die Situation auf, dass der Muttermund ohne erkennbare Wehen dünn und schwach wird und das Baby nicht mehr in der Gebärmutter halten kann«, schildert Albring. Neben Progesteron komme dann auch ein Verschluss des Muttermundes mit einem Pessar oder operativ in Frage. Die Schwangere kann mitarbeiten, indem sie sich schont oder notfalls sogar (Bett-)Ruhe einhält. Jede Art von Stress müsse vermieden werden. »Das kann eine sehr anstrengende Zeit sein«, so der Gynäkologe. Ein Blick auf die rund 200 Seiten lange Leitlinie zur Prävention der Frühgeburt verdeutlicht, dass es kein Patentrezept gibt und vieles unklar bleibt.

Notfall Präeklampsie

Klar ist aber: Jeder Tag im Bauch der Mutter zählt. Ist das Leben des ungeborenen Kindes oder der Mutter gefährdet, müssen Ärzte genau abwägen, engmaschig kontrollieren und womöglich trotzdem vorzeitig die Geburt einleiten. Dies kann beispielsweise bei einer (Prä-)Eklampsie, früher auch Schwangerschaftsvergiftung, oder Plazentainsuffizienz nötig werden, wenn der Embryo nicht mehr ausreichend versorgt wird. Beide Situationen stellen einen Notfall dar und erfordern umgehend ärztliche Überwachung.

Diagnoseweisend für eine Präeklampsie sind Kopfschmerzen, erhöhter Blutdruck sowie Proteine im Urin. Dabei steigt der Blutdruck bei mangelhafter Versorgung des Kindes kompensatorisch an, um die Durchblutung quasi zu erzwingen. Insbesondere am Ende der Schwangerschaft steht bei einem Vollbild der (Prä-)Eklampsie das Leben der Mutter auf dem Spiel und muss durch einen sofortigen Kaiserschnitt gerettet werden.

Ein Präeklampsie-Screening im ersten Trimenon erlaubt eine Risikoabschätzung, ob es in der Plazenta zu Entzündungen oder Störungen der Gefäßbildung kommen kann. »Dann kann eine frühzeitige Gabe von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (100 mg pro Tag) oftmals die Entwicklung einer schweren Störung in der Plazenta verhindern«, erklärt er. Dennoch tappen Mediziner auch heute noch oft im Dunkeln, welche Schwangere besonders gefährdet ist.

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