Frühstarter und Spätzünder bei Babys |
Auf den eigenen zwei Beinen stehen: Das eröffnet ganz neue Perspektiven. / Foto: Adobe Stock/tortoon
Eine der wichtigsten Fragen stellen sich werdende Eltern in der Regel schon lange vor der Geburt: Wo soll der Nachwuchs schlafen? Von Expertenseite gibt es dafür eindeutige Empfehlungen. Am sichersten schlafen Säuglinge im Schlafzimmer der Eltern in einem eigenen Bett. Die Atemgeräusche der Eltern wirken sich positiv auf die Atemregulation des Babys aus und Stillen während der Nacht gelingt einfacher, wenn man nicht in ein anderes Zimmer laufen muss. Ob das Babybett dicht am Elternbett steht oder eine eigene ruhige Ecke im Raum bekommt, ist den Eltern überlassen. Gemieden werden sollten allerdings Plätze in Heizungsnähe, mit direkter Sonneneinstrahlung oder Zugluft.
Eine Decke und ein Kopfkissen brauchen Babys nicht. Sie sind am besten in einem Schlafsack aufgehoben. Auch Nestchen, Felle oder Wärmflaschen gehören nicht ins Kinderbett. So wird vermieden, dass die Kinder ihre eigene Atemluft wieder einatmen oder überwärmen. Eine kühle Raumtemperatur von 16 bis 18°C gilt als ideal.
Umstritten ist nach wie vor das Schlafen in einem gemeinsamen Bett. Es gibt Studien, die das Schlafen im Familienbett mit einem erhöhten Risiko für den Plötzlichen Kindstod verbinden. Gleichzeitig ist es aber für stillende Mütter wesentlich einfacher, das Baby direkt neben sich zu haben. Zudem kommt es nicht selten vor, dass Mutter und Kind beim nächtlichen Stillen einschlafen und sich das Familienbett damit von selbst ergibt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) rät Eltern, einige zusätzliche Sicherheitsregeln zu beachten, wenn sie das Baby mit ins eigene Bett nehmen (Kasten).
Einigkeit herrscht bei der Schlafposition für Neugeborene. Seit den frühen 1990er-Jahren empfehlen Kinderärzte die Rückenlage zum Schlafen. Mit großem Erfolg: In Deutschland sank die Zahl der Plötzlichen-Kindstod-Fälle von 1285 im Jahr 1991 auf 131 im Jahr 2017, wie die Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen. Die Bauchlage gilt heute als Risikofaktor für den Plötzlichen Kindstod, und auch von der Seitenlage wird abgeraten. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Baby in die gefährliche Bauchlage rollt, ist zu groß.
Quelle: BZgA
Seit Einführung der Rückenlage registrieren Mediziner mehr Säuglinge, die in den ersten Lebenswochen eine lagerungsbedingte Abflachung des Hinterkopfes entwickeln. Betroffen ist entweder eine Seite (Plagiozephalus) oder der gesamte Hinterkopf (Brachyzephalus). Zur Prävalenz gibt es unterschiedliche Angaben. Während einige Studien 10 Prozent analysieren, reicht die Angabe bei anderen bis zu 48 Prozent. Uneinig sind sich Mediziner derzeit, ob die Kopfverformungen ein rein kosmetisches Problem darstellen oder betroffene Kinder Folgeschäden wie motorische Defizite, Kiefergelenk- und Zahnfehlstellungen, visuelle und auditive Verarbeitungsstörungen oder kognitive Einschränkungen entwickeln können.
Individuell angefertigte Kopforthesen helfen bei ausgeprägten Verformungen. Allerdings müssen sie rund um die Uhr getragen werden. / Foto: Adobe Stock/jenjen42
Eltern können versuchen, einer Schädelverformung vorzubeugen, indem sie das Baby beim Füttern wechselseitig im Arm halten und die Kontaktaufnahme immer wieder von verschiedenen Seiten aus starten. Beim Hinlegen kann regelmäßig zwischen Kopf- und Fußende getauscht werden. So verändert sich die Blickrichtung, und die Kinder drehen das Köpfchen automatisch zu beiden Seiten. Auch ein spezielles Lagerungskissen, bei dem der Hinterkopf in der Luft schwebt, kann hilfreich sein.
Hat sich der Kopf des Babys erst einmal asymmetrisch verformt, rollt er aus rein physikalischen Gründen immer wieder auf die abgeflachte Seite. Nun wird mit Hilfe einer kleinen Handtuchrolle der Kopf wechselseitig oder dauerhaft zur nicht betroffenen Seite gelagert.
Ergänzend erhalten die Babys eine Physiotherapie. Verbessert sich die Asymmetrie nicht, kann eine Lagerungstherapie mit einer Lagerungsschiene den gewünschten Erfolg bringen. Bei ausgeprägten und therapieresistenten Formen kann um den sechsten Lebensmonat herum eine Helmtherapie notwendig werden. Die individuell angefertigte, drucklos anliegende Kopforthese hemmt das Wachstum im ausgeprägten Bereich und lässt es im abgeflachten Bereich zu. Im Vergleich zur Lagerungs- und Physiotherapie reduzieren Helme die Verformungen in kürzerer Zeit, allerdings müssen sie 23 Stunden täglich getragen werden.
Zu den unbestrittenen Meilensteinen des ersten Lebensjahres gehört der erste Zahn. Läutet er doch einen ganz neuen Entwicklungsabschnitt ein und signalisiert, dass sich der Säugling auf den Weg in Richtung feste Nahrung macht. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein Baby nun abgestillt werden muss. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, Babys sechs Monate ausschließlich und bis zum zweiten Geburtstag oder darüber hinaus nach Bedarf zu stillen. Es kommt nur selten vor, dass Babys und Kleinkinder in die Brust beißen, da während des Trinkens die unteren Zähne von der Zunge bedeckt werden. Wenn sie beißen, dann am Ende der Stillmahlzeit, wenn nur noch genuckelt wird oder kurz vor dem Einschlafen. In diesen Fällen gilt es, das Kind rechtzeitig abzudocken.
Die Zahnleiste mit dem Finger massieren: Das bringt den zahnenden Kleinen Erleichterung. / Foto: Adobe Stock/natalialeb
Die eigentliche Zahnentwicklung beginnt schon lange bevor die ersten Zähne sichtbar werden. Zwischen der 6. und 8. Schwangerschaftswoche entsteht die Keimanlage der Zähne, die Zahnkronen sind zum Zeitpunkt der Geburt ausgebildet. Wann die ersten Zähne tatsächlich durchbrechen, ist individuell verschieden. So bekommen manche Babys schon mit wenigen Wochen ihren ersten Zahn, während andere bis zum Ende des ersten Lebensjahres zahnlos bleiben. Im Durchschnitt ist es mit sechs bis acht Monaten so weit.
Den Anfang macht fast immer einer der unteren beiden Schneidezähne. Danach folgen mit etwa 8 bis 12 Monaten die seitlichen Schneidezähne. Die übrigen Zähne zeigen sich meist erst im zweiten Lebensjahr. Mit durchschnittlich 12 bis 16 Monaten bekommen Kleinkinder die ersten Milchbackenzähne, zwischen dem 16. bis 20. Monat folgen die Eckzähne. Den Abschluss machen die zweiten Milchbackenzähne, die zwischen dem 20. und 30. Lebensmonat durchbrechen.
Wenn schließlich mit etwa zweieinhalb Jahren alle zwanzig Zähne des Milchzahngebisses da sind, liegen hinter vielen Babys und Eltern unruhige Zeiten. Beißen, Zahnfleischreiben, starkes Speicheln, erhöhte Erregbarkeit, häufiges Aufwachen, vermehrtes Saugen, Hautausschläge im Gesicht, wenig Appetit auf feste Nahrung und leichtes Fieber gehören zu den typischen Symptomen zahnender Babys wie eine Langzeitstudie der Cleveland Clinic, Florida, mit 125 zahnenden Kindern zeigte.
Dass Zahnen keine schweren Krankheitssymptome verursacht, konnte die Studie ebenfalls nachweisen. Die Auswertung der täglichen Symptomerhebung ergab, dass bei schwerwiegenderen Problemen wie Schlafstörungen, Durchfall, Nahrungsverweigerung, Erbrechen, Husten, Ausschlag oder Fieber kein ursächlicher Zusammenhang mit dem Zahnen besteht. Das Zusammentreffen von Beschwerden und Zahnen ist ein Zufall, der dadurch zu erklären ist, dass Kinder bis zu einem Alter von etwa drei Jahren zehn bis zwölf Infekte im Jahr durchmachen.
Der Irrglaube, dass das Zahnen Kinder schwächt, belastet und krank macht, hält sich dennoch bis heute. Viele Eltern wollen ihrem Baby das Zahnen erleichtern und greifen dabei auf Hilfsmittel zurück, die eindeutig in die Kategorie Aberglaube fallen. Dazu gehören Bernsteinketten, die in den meisten Fällen nur aus gefärbten Plastikkugeln bestehen. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) warnt regelmäßig vor den Gefahren, die von diesen Ketten ausgehen können. »Bleibt das Kind hängen und löst sich die Kette nicht, so kann die Kette die Atemwege zuschnüren, das Kind würgen oder gar strangulieren. Durch das Nagen an der Kette gelangen von dort Keime in den Mund. Und bricht ein Stein, kann es zu Mundverletzungen und Infektionen kommen. Wenn eine kleine Perle oder ein Bruchstück davon in den Hals oder in die Atemwege des Kindes gelangt, kann dies ebenso zu lebensgefährlichen Erstickungsanfällen führen«, erklärt Dr. Hermann Josef Kahl, Bundespressesprecher des BVKJ in einer Pressmitteilung. Eltern sollten besser auf sichere und geprüfte Zahnungshilfen zurückgreifen, lautet der einschlägige Rat der Experten (siehe Kasten).
Die motorische Entwicklung beginnt bereits früh in der Schwangerschaft. Ab der 8. Schwangerschaftswoche sind erste Bewegungen und damit einhergehende synaptische Verschaltungen auf spinaler Ebene nachweisbar. Neugeborene sind motorisch gesehen dennoch völlig hilflos. Ihre Körperbewegungen sind nur wenig koordiniert, die Kopfkontrolle ist nicht vorhanden, und das Fixieren von Objekten gelingt nur kurz. Erst ab dem 3. Lebensmonat schaffen sie es, Bewegungen gezielter zu steuern und den Kopf allein zu halten. Zum Ende des 3. Lebensmonats beginnen Säuglinge, immer gezielter zu greifen. Bis zum Ende des 6. Monats optimiert sich die Hand-Augen-Koordination, bis es schließlich gelingt, Gegenstände von einer in die andere Hand zu übergeben.
Mit der Fähigkeit zu krabbeln erweitert sich der Lebenskreis. / Foto: Adobe Stock/Kirill Ryzhov
Zwischen dem 7. und 9. Lebensmonat wird es Zeit, die Wohnung kindersicher zu machen. Babys lernen nun, sich vom Rücken auf den Bauch zu drehen, und viele schaffen es, sich robbend fortzubewegen. Die meisten Babys können jetzt auch frei sitzen und beherrschen den Scherengriff. Gegenstände, die außerhalb der unmittelbaren Reichweite liegen, werden interessant, und Babys erwerben die sogenannte Objektpermanenz. Sie schauen fallenden Gegenständen hinterher und finden versteckte Dinge. Zum Ende des ersten Lebensjahres können sich die meisten Kinder in irgendeiner Art und Weise fortbewegen. Manche robben, andere kriechen, krabbeln oder rutschen auf dem Po durch die Gegend. Wann ein Kind schließlich die ersten freien Schritte wagt, ist ganz unterschiedlich. Während Frühstarter schon mit neun Monaten frei gehen, lassen sich andere bis weit über den ersten Geburtstag Zeit. Spätestens mit 20 Monaten können schließlich alle Kinder, die sich normal entwickeln, laufen.
Eine normal verlaufende, fortschreitende motorische Entwicklung ist eine der wichtigsten Bedingung für die selbstbestimmte Erkundung der Umwelt und die zunehmende Erweiterung des Aktionsradius von Babys. Im ersten Lebensjahr schreitet sie besonders schnell voran und ist von außen sehr gut zu beobachten. Das kann bei den Eltern zu Verunsicherung führen, wenn ein Entwicklungsschritt nicht wie erwartet eintritt, das Baby sich länger Zeit lässt oder manche Punkte komplett überspringt.
Für Kinderärzte dient die motorische Entwicklung als einfach zu erhebendes Kriterium, um die Gesamtentwicklung eines Kindes abzuschätzen, da sie eng mit weiteren Entwicklungsschritten verknüpft ist. Im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen (U2 bis U10) wird der Entwicklungsstand deshalb regelmäßig nach dem sogenannten Grenzsteinkonzept überprüft.
Das Grenzsteinkonzept definiert obligatorische Entwicklungsziele, die von 90 bis 95 Prozent der normal entwickelten Kinder bis zu einem bestimmten Alter erreicht werden. Kommt es zu Abweichungen, besteht im ersten Lebensjahr meist kein Grund zur Sorge. Jedes Kind ist individuell, und gerade im Bereich der motorischen Entwicklung sind die Unterschiede beachtlich. Die Entwicklungskalender zeigen durchschnittliche Zeitspannen für das Erlernen einzelner Entwicklungsschritte auf, sie dürfen jedoch keinesfalls als starrer Entwicklungsweg verstanden werden. Während einige Kinder Schritt für Schritt einen Entwicklungsschritt nach dem anderen wie im Lehrbuch absolvieren, überspringen andere einige Passagen, lassen sich mehr Zeit oder gehen auch mal einen Schritt zurück.
Die Fähigkeit, auf den eigenen zwei Beinen zu stehen und zu laufen, gehört sicherlich zu den Meilensteinen in der Entwicklung von Babys erstem Jahr – der eine früher, der andere später. / Foto: Adobe Stock/Liddy Hansdottir
So lassen etwa 15 Prozent der Babys das Krabbeln komplett aus und bewegen sich nur auf dem Po rutschend vorwärts. Andere können sich an ihrem ersten Geburtstag noch nicht eigenständig von einem Ort zum anderen bewegen und ziehen sich wenige Tage später aus der Bauchlage in den Stand. Bei etwa 90 bis 95 Prozent der Kinder sind die Bewegungsauffälligkeiten zum Ende des ersten Lebensjahres verschwunden und werden deshalb erst einmal nur kinderärztlich überwacht. Erhärtet sich der Verdacht auf eine motorische Entwicklungsverzögerung, treten häufig weitere Auffälligkeiten auf. Die Ursachen dafür sind vielfältig und reichen von genetischen Faktoren über prä-, peri- oder postnatale Hirnläsionen bis hin zu Umweltfaktoren wie die Art und das Ausmaß von Bewegungserfahrungen.
Eine Schlüsselfunktion beim Erlernen des aufrechten Gangs tragen die Hüftgelenke. Etwa zwei bis vier Prozent der Neugeborenen werden mit einer Hüftreifestörung (Hüftdysplasie) geboren. Bei ihnen ist die Hüftgelenkpfanne zu flach, um dem Oberschenkelknochen genug Halt zu geben. In seltenen Fällen (<0,2 Prozent) ist die Hüfte so instabil, dass ein ausgerenktes Gelenk vorliegt (Hüftluxation). Die Hüftreifestörung gilt in Mitteleuropa als häufigste angeborene Erkrankung des Skelettsystems und führt unbehandelt zu Gangstörungen, Beinverkürzungen und starken Verzögerungen in der motorischen Entwicklung.
Seit 1996 werden in Deutschland die Hüften aller Neugeborenen zwischen der 4. und 6. Lebenswoche sonographisch untersucht. Babys mit Risikofaktoren (positive Familienanamnese, Fruchtwassermangel, Geburt aus Beckenendlage) werden bereits zwischen dem 3. und 10. Lebenstag untersucht. Wird eine Hüftreifestörung festgestellt, entscheidet das Ausmaß über die Behandlung.
In leichten Fällen reicht es aus, das Baby in den kommenden sechs Wochen »breit zu wickeln«, also über die eigentliche Windel eine zweite ungeöffnete zu wickeln. Ist die Hüftreifestörung stärker ausgeprägt, erhalten die Babys eine Spreizhose oder -schiene, die für etwa drei Monate getragen werden muss.
Im Fall der Hüftluxation wird der Hüftkopf eingerenkt und eine Abspreizschiene angelegt, die 24 Stunden täglich getragen werden muss. Sie hält die Hüftgelenke in Sitz-Hock-Position (»Froschstellung«) und ermöglicht damit ein gesundes Ausreifen der Gelenke. In seltenen Fällen versagt die Behandlung. Betroffene Kinder bekommen für vier bis sechs Wochen einen Sitz-Hock-Gips, manchmal ist auch eine Operation notwendig. Seit der Einführung des flächendeckenden Screenings konnte die Zahl der Kinder mit Spätfolgen sowie operativen Eingriffen deutlich reduziert werden.