Für Osteoporose-Prävention ist es nie zu früh |
Ab 35 geht es mit dem Knochenaufbau bergab, die Frage ist nur, wie schnell. Eine gesunde Lebensweise verlangsamt den Prozess. / Foto: Adobe Stock /crevis
Unsere Knochen sind ein lebendes Organ und damit laufenden Änderungen unterworfen. Ihren ständigen Umbau bewirken Hormone, Vitamine und Mineralstoffe in Verbindung mit körperlicher Aktivität. Dabei spielen zwei Zelltypen, die Osteoblasten, die Knochensubstanz produzieren, und die Osteoklasten, die Knochengewebe abbauen, die Hauptrollen. Von der Kindheit bis ungefähr zum 35. Lebensjahr überwiegt der Knochenaufbau. Im Alter, aber auch bei hormonellen Veränderungen, bestimmten Erkrankungen und unter Einnahme einiger Medikamente wie etwa bestimmten Antiepileptika, Aromatasehemmern oder Glukokortikoiden als Langzeittherapie nimmt die Knochenmasse ab. An Osteoporose, gekennzeichnet durch eine verminderte Knochendichte, leiden in Deutschland mehr als 6 Millionen Menschen.
Mit Osteoporose verbinden die meisten Menschen in erster Linie ältere Frauen. »Das weibliche Geschlecht ist tatsächlich der wichtigste Risikofaktor und zudem einer, an dem man nichts ändern kann«, erzählt Professor Dr. Andreas Kurth, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, von der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Hand-, Wiederherstellungschirurgie am Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein in Koblenz im Gespräch mit PTA-Forum. Grund ist die Menopause. In den Wechseljahren stellt der weibliche Körper immer weniger knochenschützendes Östrogen her, die Knochen verlieren zunehmend an Substanz.
Krankheitsbedingt kann jedoch auch bei jüngeren Menschen eine Demineralisierung der Knochen eintreten. Ein Beispiel ist die Überfunktion der Nebenschilddrüse, ein Hyperparathyreoidismus, wobei der Stoffwechsel des Parathormons gestört ist. Parathormon aktiviert die Osteoklasten und löst dadurch Calcium aus den Knochen. Auch junge, sportliche Frauen, die ihre Ernährung stark einschränken und auf ein sehr niedriges Körpergewicht bedacht sind, stellen ebenfalls eine Risikogruppe dar, wenn es um eine Knochenerweichung oder um Osteoporose geht. Menschen mit Resorptionsstörungen etwa durch chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder mit auszehrenden Erkrankungen wie der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) sind ebenfalls gefährdet, verstärkt Knochensubstanz zu verlieren.
Das Fatale: Der Knochenabbau schreitet lange voran, ohne dass Patienten Einschränkungen bemerken. Erst, wenn Frakturen auftreten, leiden Betroffene unter akuten und chronischen Schmerzen, funktionellen Einschränkungen und einem Verlust an Lebensqualität.
Damit es gar nicht erst so weit kommt, sollte jeder frühzeitig mit der Prävention beginnen. »Wir denken im Alltag viel zu wenig an unsere Knochen. Während wir Herz, Niere oder Lunge als lebendige Organe wahrnehmen, die gepflegt werden müssen, setzen wir die Funktion unserer Knochen einfach voraus«, sagt der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie.
Dabei können wir bereits in jungen Jahren einiges tun, um unsere Knochen gesund zu halten. Das A und O ist eine gesunde Lebensführung. »Dabei spielen eine knochenbewusste Ernährung und Bewegung die Hauptrollen«, weiß der Experte.
Calcium ist das wichtigste Mineral im Knochen, eine ausreichende Versorgung unverzichtbar, um Osteoporose vorzubeugen. Die aktuelle Leitlinie Osteoporose des DVO Dachverbands Osteologie e.V. empfiehlt zur Prophylaxe eine Zufuhr von 1000 Milligramm Calcium am Tag. Dieser Bedarf lässt sich bereits mit einem Glas Milch, einem Becher Joghurt und einer Scheibe Hartkäse decken. Die PTA sollte darauf hinweisen, dass die Einnahme von Calcium-Supplementen nur bei einem diagnostizierten Mangel sinnvoll ist. Werden bei ausreichender Versorgung hochdosierte Nahrungsergänzungsmittel mit Calcium zusätzlich eingenommen, steigt das Risiko für Nierensteine, Gefäßverschlüsse und Herzinfarkt.
Calcium allein reicht jedoch nicht aus. Erst die Kombination mit Vitamin D senkt das Knochenbruchrisiko nachweislich. Das Vitamin bilden wir zu 80 bis 90 Prozent selbst, wenn die Haut UV-Strahlung ausgesetzt ist. Den Bedarf über die Ernährung zu decken, ist kaum möglich, da es nur in wenigen Lebensmitteln wie fettreichem Fisch (etwa Hering, Lachs, Makrele) oder Pilzen enthalten ist.
Im Winter muss der Körper weitgehend von gespeichertem Vitamin D zehren; ein Mangel ist häufig. Senioren sind besonders gefährdet, da im Alter die Fähigkeit der Haut, Vitamin D zu bilden, abnimmt. Eine Blutuntersuchung beim Arzt verschafft Gewissheit. Die PTA kann raten, 20 bis 25 Milligramm/ 800 bis 1000 I.E. Vitamin D zu supplementieren, gut auch in Kombination mit Calcium (wie Vitamin-D-Loges® als Wochendepot, Vigantolvit®, Eunova® Duo protect De + K2). Dabei ist das tierische Vitamin D3 (Cholecalciferol) effektiver als Vitamin D2 (Ergocalciferol) aus Pflanzen, da es stabiler und für den Körper besser verwertbar ist.
Immobilität führt nicht nur dazu, dass sich Muskeln zurückbilden, sondern bewirkt auch, dass wir Knochenmasse einbüßen. Das hat jeder schon mal erlebt, bei dem eine Gliedmaße durch einen Gipsverband für eine bestimmte Zeit ruhiggestellt wurde. Hintergrund: Osteozyten im Knochengewebe registrieren mechanische Belastungen. Diese hoch spezialisierten Zellen aktivieren dann über mehrere Stufen den Aufbau von Knochensubstanz. Fällt der Reiz weg, büßt die Knochenmasse an Substanz ein.
Wie wichtig das Zusammenspiel aus Muskeln und Knochen ist, wird auch klar, wenn man an den Aufenthalt in Schwerelosigkeit denkt. »Bei monatelangen Raumfahrten, wie sie zum Beispiel zum Mars geplant sind, müssen die Astronauten regelmäßig ausgeklügelte Trainings absolvieren. Sonst kommen sie auf dem Mars an und haben Osteoporose«, sagt Kurth.
Hinsichtlich Bewegung ist es wichtig, überhaupt etwas zu tun, sportliche Höchstleistungen sind nicht erforderlich. »Jede Alltagsbewegung zählt«, weiß der Experte. »Das Auto ein bisschen weiter weg parken, mit dem Fahrrad zu einem Treffen fahren oder die Treppe anstelle des Fahrstuhls nutzen – die Knochen profitieren von jeder Aktivität.« Ideal ist es, zusätzlich drei Mal die Woche zügig für eine halbe Stunde spazieren zu gehen. Schwimmen und Radfahren nutzen dem Knochenaufbau hingegen weniger. Wenn es um angeleitetes Training geht, sind Turnen oder leichtes Krafttraining sinnvoll. Das Bewegungsprogramm sollte Muskelkraft, Gleichgewicht und Koordination gleichermaßen fordern.
Beim Sport macht es die Kontinuität. Erfolge bilden sich sonst sehr schnell zurück. »Während der Pandemie mit eingeschränkten auswärtigen Trainingsmöglichkeiten sollten Patienten ihr Programm so gut es geht zu Hause weiterdurchziehen«, empfiehlt Kurth. Im Internet gibt es zahlreiche Videos und Tutorials, die Turn- oder Gymnastikübungen für daheim erklären. Eine Empfehlung des Experten ist »Fünf Esslinger«, ein Bewegungsprogramm zum Erhalt von Bewegung, Muskeln und Knochen.
Auf Nikotin sollten Menschen ihren Knochen zuliebe verzichten, genauso steht es um Alkohol im Übermaß. Dieser hemmt die Osteoblasten und stört den Vitamin-D-Haushalt. Nur bedingt beeinflussen lässt sich die Einnahme von knochenschädlichen Medikamenten. Hier fällt besonders die Glukokortikoid-Einnahme ins Gewicht. Schon nach wenigen Monaten machen sich unerwünschte Effekte auf den Knochenstoffwechsel bemerkbar. Aber ab welcher Dosis eine Steroid-Gabe für den Knochen schädlich ist, lässt sich laut Experten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie nicht sagen.
»Eine oft noch zu wenig bewusste Gefahr ist die Dauereinnahme von Protonenpumpeninhibitoren. Es gibt Hinweise, dass PPI mit vermehrten Osteoporose-Frakturen assoziiert sind«, informiert der Experte. Omeprazol und Co. verändern das Milieu des Magens, sodass weniger Calcium resorbiert werden kann. Die PTA sollte Betroffenen raten, die Sorgen mit dem Arzt zu besprechen und nach Alternativen zu fragen. Zumindest ist die Langzeittherapie zu hinterfragen.