Functional Food senkt Cholesterol |
Phytosterine kommen in vielen pflanzlichen Lebensmitteln vor. / Foto: Adobe Stock/alex9500
Die Hauptphytosterine sind Beta-Sitosterin, Campesterin und Stigmasterin. Die fettähnlichen Substanzen weisen in ihrem molekularen Grundgerüst eine Doppelbindung auf. Durch Hydrierung dieser Doppelbindung werden aus den ungesättigten Phytosterinen gesättigte Phytostanole. Phytosterine werden auch als Pflanzensterole, Pflanzensterine oder Phytosterole bezeichnet. Sie finden sich in einer Vielzahl von pflanzlichen Lebensmitteln wie pflanzlichen Ölen, Nüssen, Samen, Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten.
Die Aufnahme von natürlich vorkommenden Phytosterolen liegt je nach Essgewohnheiten zwischen 150 und 400 mg proTag, wobei Vegetarier sogar auf Mengen von 500 mg bis 1 g pro Tag kommen. Phytostanole finden sich seltener in Lebensmitteln, sodass die meisten Menschen nur etwa 25 mg davon täglich aufnehmen.
Pflanzensterine, -stanole und Cholesterol konkurrieren um dieselben Mizellen im Darm, mit denen sie in die Enterozyten des Dünndarms aufgenommen werden. Dabei verdrängen die pflanzlichen Sterine das Cholesterol, sodass dessen Aufnahme sinkt und mehr Cholesterol mit dem Stuhl ausgeschieden wird. Die Resorption von Pflanzensterinen ist jedoch sehr gering und liegt bei weniger als 2 Prozent, verglichen mit 30 bis 60 Prozent bei Cholesterol. Das liegt daran, dass die Pflanzensterine durch Transporterproteine aktiv in das Darmlumen zurückgeführt werden, um dann ebenfalls mit dem Stuhl ausgeschieden zu werden. Aus diesem Grund sind die Plasmakonzentrationen von Pflanzensterinen etwa 200-mal niedriger als die von Cholesterol und liegen bei den meisten Menschen unter 1 mg/dl.
Die Lebensmittelindustrie hat das Potenzial der pflanzlichen Sterine erkannt. Seit den 2000er-Jahren gibt es in Deutschland angereicherte Produkte, vor allem Margarinen und Milchprodukte. Technologisch ist es mittlerweile sogar möglich, die fettlöslichen Verbindungen fettarmen Lebensmitteln beizufügen. Die vermeintlich gesünderen Varianten sollen zur Herzgesundheit beitragen. Wegen ihrer Wirkung werden die Produkte der Gruppe der »funktionellen Lebensmittel« (Functional Food) zugeordnet. Als Nutraceuticals bieten sie zwar gesundheitliche Vorteile, es handelt sich allerdings nicht um zugelassene Arzneimittel und die Produkte unterliegen auch nicht der Kontrolle von Arzneimittelbehörden. Richtige Arzneimittel mit Phytosterinen gibt es allerdings auch in Deutschland. Diese dienen der symptomatischen Therapie einer gutartigen Prostatavergrößerung.
Damit Lebensmittelhersteller mit gesundheitsbezogenen Angaben werben dürfen, muss in Europa die Europäische Kommission diese Claims genehmigt haben. Bei Phytosterinen und -stanolen ist das der Fall. Experten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) haben bestätigt, dass Lebensmittel wie Joghurt und Margarine, die pflanzliche Stanole und Sterole enthalten, den LDL-Cholesterolspiegel im Blut senken können. Ein Effekt, der zum Beispiel das Risiko verringern kann, an einer koronaren Herzkrankheit zu erkranken. Dieser mutmaßliche präventive Effekt von Phytosterinen wurde allerdings bislang nicht in klinischen Studien bewiesen und es gibt Hinweise, dass Phytosterine ihrerseits gefäßschädigend wirken könnten. Wie gesund sie wirklich sind, ist daher umstritten.
Um eine signifikante LDL-Cholesterolsenkung von durchschnittlich 7 bis 10,5 Prozent zu erreichen, ist laut Erkenntnissen der EFSA eine tägliche Aufnahme von 1,5 bis 2,4 g pflanzlicher Sterine notwendig. Eine weitere Erhöhung der Pflanzensterin-Dosis verstärkt den Effekt nicht. Die Wirkung tritt normalerweise innerhalb der ersten zwei bis drei Wochen ein und wurde in Langzeitstudien über bis zu 85 Wochen aufrechterhalten. Phytosterine haben keinen Einfluss auf andere Blutfette wie HDL-Cholesterol oder Triglyceride.
Außer auf den Inhalt ihrer Werbeaussagen müssen Hersteller noch darauf achten, ob ihr angereichertes Produkt überhaupt so ohne Weiteres in der Europäischen Union verkehrsfähig ist. Phytosterole gelten rechtlich als neuartige Lebensmittelzutaten. Lebensmittel, denen diese Substanzen zugesetzt werden, müssen gemäß der Novel-Food-Verordnung geprüft und zugelassen oder angezeigt werden. Eine Genehmigung für ein Produkt eines Herstellers ist nicht unmittelbar auf andere Produkte oder Hersteller übertragbar.
Nicht als Novel Food gelten »Benecol«-Produkte, da diese bereits vor Inkrafttreten der Verordnung im Mai 1997 in erheblichem Umfang in einem EU-Land verkauft wurden. Der Name Benecol kommt vom lateinischen »bene«, das »gut« bedeutet, und »-col« für »Cholesterol«. Die Lebensmittelserie mit Pflanzenstanolestern geht auf den finnischen Wissenschaftler Ingmar Wester zurück, der erkannte, dass Pflanzenstanole Cholesterol senken, indem sie dessen Eintritt in den Blutkreislauf teilweise blockieren. Er kombinierte Pflanzenstanole mit Rapsöl und schuf so Pflanzenstanolester. Der Inhaltsstoff ist heute patentiert und bildet die Grundlage der Benecol-Produktreihe mit Brotaufstrichen, Joghurts und Joghurtgetränken.
Lebensmittel, die signifikante Mengen an Pflanzensterinen in einer Tagesration enthalten, wirken ähnlich wie Arzneimittel und wurden speziell für Personen mit erhöhtem LDL-Cholesterolspiegel entwickelt. Sie können in Kombination mit cholesterolsenkenden Medikamenten angewendet werden. Ihr Wirkmechanismus kann den von Arzneimitteln wie Statinen ergänzen und zu einer stärkeren Senkung des LDL-Cholesterolspiegels führen. Patienten, die Cholesterol-senkende Arzneimittel einnehmen, sollten Phytosterin-haltige Produkte daher nur unter ärztlicher Aufsicht verzehren.
Auf den Produkten muss außer diesem Hinweis die Menge an zugesetzten Pflanzensterinen je 100 g beziehungsweise 100 ml im Zutatenverzeichnis aufgeführt sein. Weiterhin muss der Hersteller die Portionsgröße angeben und deklarieren, wie viel Pflanzensterine darin enthalten sind. Die empfohlene tägliche Aufnahmemenge von 3 g Phytosterinen sollte nicht überschritten werden. Patienten begrenzen am besten die Anzahl der angereicherten Produkte, um den Überblick zu behalten. Bei einem erhöhten Konsum steigt der Pflanzensterinspiegel im Blutplasma an und die Folgen davon sind noch nicht ausreichend untersucht. Der regelmäßige Verzehr wirksamer Mengen an Phytosterolen hemmt zudem die Aufnahme von Carotinoiden und fettlöslichen Vitaminen.
Phytosterin-haltige Fette wie Pflanzenöle und angereicherte Margarine werden oft zum Kochen und Backen verwendet. Allerdings kann Hitzeeinwirkung begünstigen, dass Phytosterine oxidieren und sich potenziell schädliche Stoffe bilden. Es gibt Hinweise, dass diese Verbindungen atherogener als Cholesterol wirken könnten und das Risiko für Arteriosklerose stärker erhöhen.
Für Personen mit normalem Cholesterinspiegel ist der Verzehr von angereicherten Lebensmitteln nicht notwendig. Da ein gesundheitliches Risiko bei der regelmäßigen Verwendung noch nicht völlig ausgeschlossen ist, greifen diese Menschen besser auf herkömmliche Lebensmittel zurück. Auch für Kinder, Schwangere oder Stillende werden die Produkte nicht empfohlen.
Nicht sicher sind Lebensmittel mit zugesetzten Pflanzensterinen für Patienten mit Phytosterol- beziehungsweise Beta-Sitosterolämie. Bei dieser äußerst seltenen, genetisch bedingten Störung des Pflanzensterin-Aufnahmemechanismus ist die Resorption von Pflanzensterinen aus der Nahrung stark erhöht. Weltweit sind weniger als 100 Fälle dokumentiert. Betroffene weisen einen 10- bis 100-fach erhöhten Pflanzensterinspiegel im Blutplasma auf und leiden unter anderem an gutartigen Sehnen- und Hautgeschwülsten (Xanthomen), gestörtem Cholesterolstoffwechsel und Arteriosklerose. Sie erkranken häufig bereits im Jugendalter an koronaren Herzerkrankungen.