Gärtnern erdet |
Wie gut Grün tut, zeigt sich auch in der Corona-Pandemie. / Foto: Getty Images/ZzzVuk
»Bereits einige intensive Minuten in der Natur senken unseren Stresslevel signifikant. Es gibt zahlreiche Hinweise von Umweltwissenschaftlern darauf, dass Naturräume mit Stressabbau und besserem Wohlbefinden verbunden sind«, erzählt Gartenexperte John Langley, bekannt aus Funk und Fernsehen. Allein wer Blumen und Pflanzen nur anschaut, spürt zusammen mit den Naturgeräuschen bereits Entspannung pur.
»Wir bewegen uns nicht nur im Grünen, sondern lüften dabei auch unsere Gedanken. Und wer abwechslungsreich motiviert gärtnert, sorgt für körperliche Entspannung. Gärtnern ›erdet‹ uns und sorgt dafür, dass wir uns auf hier und jetzt mit der Natur akklimatisieren«, beschreibt Langley das Wohlbefinden, das die Natur in uns erzeugt, bei einer Videokonferenz des Unternehmens Ratiopharm. Ein klassischer Strohhut und der hell gewordene Rauschebart: An seinen äußerlichen Markenzeichen erkennt man Langley sofort. Die Freude an der Pflanzenwelt und den Hang zum grünen Daumen erweckte damals in jungen Jahren seine Biologielehrerin, die spätere Kanzlergattin Loki Schmidt.
Wie gut Grün tut, zeige sich auch in der Coronavirus-Pandemie. »Nie war der Wunsch nach einem eigenen Stückchen Grün in der Stadt größer als in Pandemiezeiten. Selbst die eigene Fensterbank wurde zum laufenden Meter Dschungel gestaltet«, freut sich der in Husum lebende Gartenexperte. »Es ist mehr als nur ein Trend, bewusstere, gärtnerische Kulturtechniken zu entdecken oder im Zusammenhang mit Urban Gardening eigenes Obst und Gemüse anzubauen.«
Das Credo des gelernten Gärtners und Floristen: Wer gärtnert, grübelt nicht. »Zu säen, zu pflanzen und mit den Händen in der Erde zu wühlen, hat in der Tat meditativen Charakter. Wenn wir kleine grüne Setzlinge quasi in neu angelegten Beeten versenken, den frischen Duft von geschnittenem Gras und Kräutern schnuppern oder selbst gepflückte Erdbeeren naschen, lösen sich nachweisbar Hektik und Sorgen schnell in Wohlgefallen auf.«
Philosophen behaupten, dass sich die Seele in Gärten widerspiegelt. Als individuelle Lebensräume verstehen Trendforscher diesen Ort der modernen Entschleunigung. Genau dazwischen liegen für Langley Millionen undefinierter »Grüne Lungen« in ihrer unerschöpflichen, abwechslungsreichen Facettenvielfalt. Damit sich nicht nur der Homo sapiens zwischen Rosen und Rasen völlig aufblüht und wohlfühlt, werden diese Paradiese mit wachsendem Interesse natürlicher belebt und vor allem erlebt.
John Langley hat ihn, den grünen Daumen, und sieht den Garten als Erlebnis-, Kommunikations- und Erholungsraum. / Foto: Petra Schweim/APPELBARG
Eine wachsende Zahl von Freizeitbotanikern – zwei Drittel aller Deutschen sollen laut Umfragen jäten, graben und harken, ein Drittel sogar häufig – verwandeln ihr naturbelassenes Paradies in einen lebendigen Lebensraum. Sie suchen nach kreativen Impulsen und praktikablen Gartentipps. Oft mit dem Ziel, einen pflegeleichten Garten zu bekommen. »Ja, das funktioniert tatsächlich«, bestätigt Langley. »Wer die Mutter Natur mal wachsen lässt, ist grundsätzlich bereit für Veränderung. Es ist im Grunde genommen ein Paradigmenwechsel notwendig, damit Ordnung nicht unkontrolliert zur Unordnung wird. Vielmehr basiert diese Entscheidung auf einer persönlichen Bereitschaft, sich intensiver mit der Natur zu arrangieren.«
Von einer gewissen Verbissenheit hält Langley im Übrigen nichts. »Wir dürfen als Gärtner durchaus auch mal in den Streik treten und sagen: Nein, heute mache ich mal nichts. Und genau das ist im Garten überhaupt kein Problem, der Garten ist schließlich zur Erholung da.« John Langley lacht, als er für ein entspanntes Gardening wirbt. Nicht jeder will oder kann sich in seinem Garten so intensiv »krumm« machen. Und da darf es auch egal sein, was die Nachbarn denken, wenn man auf der Gartenbank alle fünfe gerade sein lässt.
Was rät der Experte Anfängern und Fortgeschrittenen für den eigenen Garten? »Der Anfänger muss lernen, sich Zeit zu nehmen und keinem puren Aktionismus zu verfallen. Niemand muss seinen Garten in zwei Tagen fertig haben. Viel wichtiger ist es, alles genau zu beobachten. So gilt es etwa, herauszufinden, wo die Sonne scheint beziehungsweise wo eher Schatten vorherrscht. Wo ist Nässe, wo ist Wärme und wie ist die Bodenbeschaffenheit? Gerade der Boden ist der Schlüssel zum Gelingen des eigenen Gärtnerns. Wenn man die Bodenstruktur kennt, außerdem den Säuregrad oder pH-Wert, dann kann man richtig loslegen.«
Der Fortgeschrittene hat sicherlich schon gelernt, nicht gegen die Uhr und die eigene Kraft zu Gärtnern, hofft der Naturliebhaber. »Sondern nur die Ressourcen einzusetzen, die einen entschleunigen und zufrieden machen. Ich glaube, wenn diese Menschen auf dem Weg sind, dass der Garten Erlebnis-, Kommunikations- und Erholungsraum ist– sogar die Erweiterung des Wohnzimmers im klassischen Sinne –, dann haben die erfahrenen Gärtnerinnen und Gärtner alles richtig gemacht.« Mehr über Langley und seine Gartenideen finden Sie hier.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.