Gefährliche Tierbisse |
Barbara Döring |
11.03.2025 12:00 Uhr |
Tierbisse passieren in der Regel nicht aus Boshaftigkeit, sondern oft, weil sich ein Tier erschrickt. / © Getty Images/Iurii Garmash
Jedes Jahr ereignen sich in Deutschland 30.000 bis 50.000 Bissverletzungen, die meisten durch Hunde oder Katzen (75 Prozent). Besonders häufig sind Kinder im Alter von 6 bis 17 Jahren betroffen. Bei ihnen stammen die Bisse überwiegend vom in der Regel familieneigenen Hund, während die meisten Opfer von Katzenverletzungen zwischen 20 und 35 Jahre alt sind. Nach einem Biss kommt es in 10 bis 20 Prozent aller Fälle zur Infektion. Während Ersthelfer einen Schnitt mit dem Messer meist routiniert versorgen, besteht nach einem Biss vom Tier oft Unsicherheit, was zu tun ist. Im Folgenden die wichtigsten Fragen und Antworten rund um Tierbisse.
Warum sind Tierbisse so gefährlich?
Tierbisse sind aus drei Gründen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen: Durch den Biss entsteht eine mechanische Schädigung des Gewebes, hinzu kommt ein hohes Infektionsrisiko aufgrund der starken Keimbesiedelung von Speichel und Zähnen und nicht zuletzt können beim Biss gefährliche Krankheitserreger wie Tetanusbakterien oder Tollwutviren übertragen werden. In der Mundhöhle von Tieren findet sich oft eine Mischung aus teils hochpathogenen Bakterien. Durch Quetschungen, die beim Biss im Gewebe entstehen können, ist zudem die Durchblutung beeinträchtigt, sodass die Infektabwehr weniger gut funktioniert und sich schnell eine lokale Infektion entwickelt kann. Das ist etwa bei der Hälfte aller Katzenbisse der Fall. Ohne schnelle Behandlung oder bei geschwächter Immunabwehr kann sich die Infektion weiter auf den gesamten Organismus ausbreiten und zu einer lebensbedrohlichen Sepsis – früher Blutvergiftung genannt – führen. Haupterreger bei Hunde- und Katzenbissen sind Bakterien der Gattung Pasteurella sowie Streptokokken und Staphylokokken.
Welche Körperteile sind am häufigsten betroffen?
Die meisten Tierbisse ereignen sich bei Erwachsenen an Händen, Armen und Beinen (70 bis 80 Prozent). Seltener sind Kopf, Hals und Nacken betroffen (10 bis 30 Prozent). Bei Kindern unter fünf Jahren dominieren dagegen Verletzungen im Gesicht und Halsbereich (bis zu 90 Prozent).
Wann ist Betroffenen zum Arztbesuch zu raten?
Wenn es zu einem Biss gekommen ist, sollten Betroffene sich unverzüglich in ärztliche Behandlung begeben. Ärzte können beurteilen, ob es sich um eine tiefe oder oberflächliche Verletzung handelt, ob also die Lederhaut durchtrennt ist oder nicht. Bissverletzungen sind in der Regel immer mit Keimen kontamniert, auch wenn es vielleicht nicht so aussieht. Bei oberflächlichen Wunden wird die Bissstelle desinfiziert und ein keimfreier Verband angelegt. Wurde die Lederhaut durchtrennt, ist in der Regel eine Wundspülung, eine antibiotische Therapie und eventuell eine Wundausschneidung erforderlich.
Welche Impfungen sind sinnvoll?
Gefährlich sind Tierbisse auch, weil dabei Tetanus- oder Tollwuterreger übertragen werden können. Tetanuserreger befallen das zentrale Nervensystem und führen zu Wundstarrkrampf; Tollwut hat von allen bekannten Infektionskrankheiten die höchste Sterblichkeit. Der Arzt wird bei einem Tierbiss eine Auffrischungs- beziehungsweise Neuimpfung gegen Tetanus durchführen. Bei Verdacht auf Tollwut kommt zudem eine aktive und eventuell auch passive Immunisierung in Betracht.
Was kann der Ersthelfer leisten?
Als Ersthelfer lässt sich nicht abschätzen, wie schwer eine Bissverletzung tatsächlich ist. Auch wenn oberflächlich nicht viel zu sehen ist, sind gefährliche Gewebeschäden in der Tiefe oder das Risiko einer Infektion nicht auszuschließen. Bei jeder Bissverletzung sollte deshalb möglichst schnell ein Arzt aufgesucht werden. Ersthelfer können eine nicht blutende Wunde mit Leitungswasser ausspülen, anschließend mit einem Wund-Desinfektionsmittel reinigen und steril verbinden. Die betroffene Körperstelle sollte zudem ruhiggestellt werden. Auch der Betroffene selbst sollte sich möglichst wenig bewegen, da sich Erreger sonst schneller ausbreiten. Blutet die Wunde stark, wird sie mit einer Kompresse aus dem Verbandskasten abgedeckt und ein Druckverband angelegt. Der Patient sollte möglichst nichts mehr essen oder trinken, bis er dem Arzt vorgestellt wird, da ein operativer Eingriff erforderlich sein könnte. Ist eine Bissverletzung am Kopf oder auch eine besonders schwere Wunde an anderer Stelle entstanden, gilt es, sofort den Notarzt unter der 112 zu rufen.
Was unterscheidet Hunde- von Katzenbissen?
Welches Tier zugebissen hat, lässt sich meist anhand der Verletzung erkennen. Bei Hunden entsteht eine typische Wunde, bei der im medizinischen Sprachgebrauch von »hole and tear pattern of woundig« die Rede ist – also »Loch- und Reißmuster der Wunde«. Auf der Hautoberfläche sind meist eher kleine Läsionen zu sehen, in der Tiefe finden sich jedoch oft ausgedehnte Gewebezerreißungen und Quetschungen. Durch die Krafteinwirkung können auch tiefer gelegene Strukturen wie Muskeln, Sehnen, Nerven und Gefäße, seltener Knochen und Gelenke betroffen sein. Hunde können zwar größere Wunden verursachen als Katzen, das Infektionsrisiko ist bei Katzen jedoch wesentlich größer.
Warum sind Bisse an der Hand besonders gefährlich?
An den Händen besteht nach einem Biss eine besonders hohe Gefahr, dass sich eine Infektion schnell ausbreitet. Der Grund: Tiefe Infektionen bahnen sich ihren Weg entlang der Sehnenscheiden und erreichen so rasch Regionen, die vom Biss weiter entfernt liegen. Gerade an der Hand ist deshalb das Risiko für schwere und zum Teil dauerhafte Funktionseinschränkungen gegeben.
Welche Tiere beißen am häufigsten?
Tierbisse entstehen vor allem durch Katzen, gefolgt von Hunden sowie anderen Haus- und Zuchttieren. Doch auch bei Pflanzenfressern wie Pferden, Eseln und Kühen sowie bei Wildtieren wie Wildschweinen, Marder, Ratten oder Hasen sind Bisse, die zu schweren Verletzungen führen können, nicht ausgeschlossen.
Wie lassen sich Tierbisse vermeiden?
Tierbisse betreffen vor allem Kinder. Eltern sollten deshalb den Nachwuchs frühzeitig über den Umgang mit Tieren aufklären. So können die eigentlich friedlichen Lieblinge zum Beispiel erschrecken, wenn man sich zu hektisch bewegt, und unerwartet reagieren, wenn sie Schmerzen empfinden. Kinder sollten Tiere nie am Schwanz ziehen, ihnen Fell ausreißen oder anderweitig Schaden zufügen. Auch wenn das Haustier beim Essen gestört wird, kann es gereizt reagieren. Kommt ein fremder Hund zu nahe, sollte man vermeiden, die Arme hochzureißen und dem Tier nicht in die Augen schauen, um keinen Angriff zu provozieren.
In Deutschland sind zwei Giftschlangen heimisch: die hellgraue bis graugelbe Aspisviper im Südschwarzwald, die meist graue Kreuzotter mit schwarzem Zickzackband auf dem Rücken in ganz Deutschland etwa an Wegrändern in Wäldern. Das Gift der Schlangen ist in der Regel nur für Kinder und Senioren lebensgefährlich. Seit 1960 ist hierzulande nur ein Todesfall einer 81-Jährigen nach einem Kreuzotterbiss bekannt. Die typische Bissstelle zeigt zwei punktförmige Wunden im Abstand von 0,5 bis 1 cm.
Nach einem Biss sollten Betroffene vor allem Ruhe bewahren. Laut einer Studie sind in Australien mehr Personen nach einem Schlangenbiss an einem Herzinfarkt gestorben als am Gift. Der Patient sollte die betroffene Extremität ruhig halten, Schmuckstücke wie Ringe entfernen und das nächstgelegene Krankenhaus aufsuchen. Die Bissstelle sollte möglichst steril abgedeckt, aber nicht abgebunden, ausgesaugt oder aufgeschnitten werden. Personen mit einer Allergie gegen Bienen- oder Wespengift könnten gegen das Schlangengift allergisch reagieren. Treten sechs Stunden nach dem Biss keine Symptome wie Schwellung, Schmerz auf, ist davon auszugehen, dass die Schlange kein Gift abgegeben hat. Das passiert nur etwa bei der Hälfte aller Bisse.