Gefährliche Vergiftung |
Bei selbstgemachten Konserven ist eine Vergiftung mit Clostridium botulinum selten, aber nicht ausgeschlossen. / Foto: Adobe Stock/mholka
Warnmeldungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) weisen immer wieder auf Fälle von Botulismus hin, die oft mit dem Verzehr von selbst gemachten Konserven in Verbindung stehen. Insgesamt ist Botulismus in Deutschland jedoch sehr selten geworden. Es werden jährlich meist weniger als zehn Fälle der meldepflichtigen Krankheit registriert, wobei die meisten durch mit Clostridium botulinum kontaminierte Lebensmittel verursacht werden. Diese Bakterien produzieren ein starkes Nervengift, das Botulinumtoxin, das die Freisetzung von Acetylcholin an den neuromuskulären Synapsen blockiert. Botulinum-Neurotoxin gilt als das stärkste natürliche Gift. Neben C. botulinum können es auch Clostridium butyricum und Clostridium baratii produzieren.
Die Clostridien produzieren Sporen, die ihnen helfen, unter extremen Bedingungen in der Umwelt zu überleben. In einem günstigen Milieu, etwa einer anaeroben, säure-, salz- und zuckerarmen Umgebung, und unter bestimmten Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen kann sich aus den Sporen die vegetative (vermehrungsfähige) Form entwickeln, die das Toxin bildet. Die für das Wachstum erforderlichen Bedingungen entstehen zum Beispiel, wenn unsachgemäß zu Hause konservierte oder fermentierte Lebensmittel hergestellt werden.
Die Erkrankung entsteht meistens durch kontaminierte Lebensmittel, hin und wieder durch Wunden und in seltenen Fällen durch die Kolonisierung des Darms. Wundbotulismus kann auftreten, wenn die Sporen in eine Wunde gelangen und dort das Toxin bilden. Menschen, die sich Drogen spritzen, haben ein erhöhtes Risiko, an Wundbotulismus zu erkranken, ebenso Patienten nach einer traumatischen Verletzung, etwa einem Motorradunfall.
Säuglingsbotulismus entsteht, wenn das Bakterium den Darm der Kinder kolonisiert. Darüber hinaus gibt es den iatrogenen Botulismus, der eine Folge davon ist, wenn aus kosmetischen oder medizinischen Gründen versehentlich zu viel Botulinumtoxin injiziert wird. Die adulte Darmtoxämie, bei der eine intestinale Darmkolonisation bei Erwachsenen vorliegt, ist sehr selten. Sie entsteht ähnlich wie der Säuglingsbotulismus, wenn die Sporen der Bakterien in den Darm gelangen, dort wachsen und das Toxin produzieren.
Die meisten Menschen erkranken jedoch an Botulismus, weil sie Lebensmittel verzehren, die das Bakterium enthalten. C. botulinum gedeiht in sauerstofffreien Umgebungen, die in schlecht konservierten oder verarbeiteten Lebensmitteln vorkommen. Typische Quellen sind selbst hergestellte Gemüse- oder Fleischkonserven, die nicht ausreichend erhitzt wurden, gepökelte oder geräucherte Fleischprodukte, Fisch, Meeresfrüchte und fermentierte Lebensmittel, die nicht sachgemäß hergestellt wurden.
Wenn sich das Toxin im Körper verteilt, können bereits innerhalb weniger Stunden Symptome wie verschwommenes Sehen, Doppelbilder, hängende Augenlider, Lichtscheue, Schwierigkeiten beim Sprechen und Schlucken sowie trockener Mund auftreten. Charakteristisch sind oft die vier »Ds«: Diplopie (Doppelsehen), Dysarthrie (motorische Sprechstörung), Dysphagie (Schluckstörung) und Dysphonie (Stimmstörung). Lähmungserscheinungen beginnen meist an den Schultern und weiten sich auf die Atem- und Herzmuskulatur aus. Unbehandelt kann Botulismus zum Tod durch Atemlähmung führen. Menschen, die innerhalb von 36 Stunden nach Verzehr eines mutmaßlich kontaminierten Lebensmittels entsprechende Symptome entwickeln, sollten sofort ärztliche Hilfe aufsuchen und den Verdacht auf Lebensmittel-Botulismus äußern. Ohne Symptome ist eine vorbeugende Therapie nicht erforderlich.
Die Verdachtsdiagnose Botulismus basiert auf den Symptomen und der Anamnese des Patienten. Relevant ist dabei vor allem, ob der Betroffene vor Beginn der Beschwerden potenziell kontaminierte Lebensmittel konsumiert hat. Eine Laboruntersuchung bestätigt, ob die Vergiftung tatsächlich vorliegt. Um keine Zeit zu verlieren, beginnt die Therapie bereits, bevor die Laborergebnisse vorliegen. Mittel der Wahl ist das Botulinum-Antitoxin. Es neutralisiert das zirkulierende Toxin und verhindert dessen weitere Aufnahme in die Zellen. Es ist jedoch bei bereits in die Zellen aufgenommenem Toxin nicht wirksam und kann entstandene Schäden nicht rückgängig machen.
Es gibt keine Belege, aber Hinweise, dass Laxanzien oder Einläufe den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Aktivkohle könnte eine bereits vorhandene Obstipation verstärken, wodurch weniger Bakterien ausgeschieden und länger Toxin freigesetzt werden kann. Eine Unterstützung der Darmmotilität mit properistaltischen Substanzen kann versucht werden.
Cholinesterase-Hemmer könnten die neuromuskuläre Übertragung verbessern, jedoch fehlen hierzu belastbare Daten. In jedem Fall müssen die Patienten wegen der Gefahr der Aspiration und Atemlähmung intensivmedizinisch betreut werden. Die Krankheit ist zwar nicht von Mensch zu Mensch übertragbar, doch haben oft mehr Personen das betroffene Lebensmittel verzehrt. Sie werden aufgeklärt, auf welche Symptome sie in den nächsten Stunden achten müssen.
Bei Wundbotulismus sind Antibiotika indiziert, um Toxin-produzierende Clostridien zu eliminieren, wobei Penicillin das Mittel der Wahl ist. Die Gabe von Antibiotika sollte stets einem chirurgischen Wunddébridement folgen und gleichzeitig mit Antitoxin erfolgen, um dem Fall vorzubeugen, dass Toxin freigesetzt wird. Die Behandlung von Säuglingen mit Botulismus besteht hauptsächlich aus unterstützenden Maßnahmen wie Atem- und Ernährungshilfen unter intensivmedizinischen Bedingungen. Antibiotika werden nicht empfohlen, da die Zerstörung der Clostridien die Menge freier Toxine erhöhen kann. Die Prognose ist gut, sofern keine Komplikationen auftreten und das Kind rechtzeitig intensivmedizinisch betreut wird.
Um Lebensmittelbotulismus vorzubeugen, ist es neben guter Hygiene in der Küche wichtig, Lebensmittel ausreichend zu erhitzen, da die Toxine relativ hitzeempfindlich sind. Bei der Herstellung von Konserven achten Verbraucher auf die korrekte Verarbeitung. Nur wenige Verfahren zur Haltbarmachung von Lebensmitteln verhindern effektiv die Vermehrung von C. botulinum und die Bildung von Neurotoxinen. Dazu gehört die Sterilisation, bei der Lebensmittel unter Überdruck auf über 100 °C erhitzt werden und die bei der kommerziellen Herstellung von Konserven eingesetzt wird. Ein Hinweis auf eine Kontamination mit C. botulinum können »Bombagen« sein, die durch gasbildende Clostridien entstehen und Konserven aufblähen lassen. Betroffene Lebensmittel sollten ungeöffnet entsorgt werden.
Für das Einwecken daheim gilt, dass Verbraucher die Nahrungsmittel vorab waschen, um Schmutz und mögliche Verunreinigungen zu entfernen. Vorhandene Sporen von C. botulinum lassen sich durch sicheres Erhitzen abtöten. Weiterhin lassen sich Bedingungen schaffen, die das Wachstum von C. botulinum verhindern, zum Beispiel eine saure oder salzhaltige Umgebung. Für das Einwecken von wenig sauren Lebensmitteln wie Fleisch oder Gemüse wird empfohlen, diese unter Druck auf 121 °C zu erhitzen, um die Sporen von C. botulinum zu inaktivieren.
Unter den Süßwasserfischen ist die Plötze besonders anfällig, C. Botulinum im Darm zu enthalten. Wenn daraus gesalzene, getrocknete Fischerzeugnisse hergestellt werden sollen, muss die Salzung das gesamte Gewebe durchdringen. Ganze Fische mit mehr als 15 Zentimeter Länge werden vor dem Salzen sorgfältig ausgenommen. Für Säuglingsbotulismus ist Honig eine bekannte Quelle und sollte deshalb nicht an Babys unter einem Jahr gegeben werden. Weitere Lebensmittel als Auslöser von Säuglingsbotulismus sind bisher nicht bekannt.