Gefäßschädigung durch Covid-19 |
Mittlerweile weiß man: Covid-19 kann auch die Gefäße schädigen. Engmaschige Kontrollen etwa von Thrombose-Risikopatienten sind deshalb angezeigt. / Foto: Adobe Stock/Christoph Burgstedt
Immer mehr Studien belegten, dass Covid-Patienten ein deutlich erhöhtes Risiko für Gefäßerkrankungen haben. »Dazu zählen Thrombosen, Lungenembolien oder schwere Durchblutungsstörungen in Beinen und Armen«, erläuterte Professor Dr. Markus Steinbauer. Im Extremfall könnten diese sogar tödlich verlaufen.
»Bei Covid-19-Patienten mit Thrombosen, die intensivmedizinisch betreut wurden, lag die Sterblichkeit in einer Studie bei rund 50 Prozent«, erklärte Steinbauer, Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie am Krankenhaus Barmherzige Brüder in Regensburg.
Untersuchungen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf von Verstorbenen mit Covid-19 ergaben zudem, dass mehr als 58 Prozent einen Verschluss der Unterschenkelvenen aufwiesen, die zuvor im klinischen Befund nicht aufgefallen waren. Ein Drittel der Patienten verstarb an einer Lungenembolie.
»Warum sich bei Patienten mit Covid-19 Gefäßerkrankungen und vor allem Thrombosen häufen, ist noch nicht klar«, erläuterte Steinbauer. Die genauen Ursachen für die Gefäßschädigungen müssten erst noch wissenschaftlich aufgearbeitet werden, so der DGG-Experte.
Als eine Möglichkeit diskutieren Experten, dass das Blut bei Covid-19-Infizierten stärker gerinnt. Außerdem schädigt das Virus offenbar die innere Zellschicht der Blutgefäße und führt zu Entzündungen oder sogar zum Absterben der Gefäße. »Bei der Behandlung von Covid-19-Patienten, insbesondere auf Intensivstationen, sollte daher besonders auf Gefäßerkrankungen geachtet und auch der Einsatz von Blutverdünnern erwogen werden», erläuterte der Regensburger Gefäßchirurg . Erste Studienergebnisse deuten Steinbauer zufolge an, dass eine solche Therapie die Sterblichkeit unter Covid-19-Patienten deutlich reduzieren kann.
Auch eine kürzlich veröffentliche US-amerikanische Beobachtungsstudie weist darauf hin, dass der Blutverdünner Acetylsalicylsäure (ASS) bei Covid-19 Vorteile bringt. Laut Studie
hat sich gezeigt, dass hospitalisierte Covid-19-Patienten, die zuvor bereits ASS auf ihrem Medikationsplan hatten oder die bei Einlieferung ins Krankenhaus ASS erhalten hatten, Vorteile im Krankheitsverlauf von Covid-19 hatten.
Um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen und Kapazitäten in den Krankenhäusern zu schaffen, wurden ab März dieses Jahres nicht unbedingt notwendige Untersuchungen und Behandlungen zunächst aufgeschoben. Aus Angst vor einer Sars-CoV-2-Infektion hätten laut DGG leider auch viele Patienten mit chronischen Durchblutungsstörungen der Beine Vorsorgetermine nicht wahrgenommen.
Die Folgen seien in manchen Fällen schwerwiegend: »Zahlreiche Kliniken berichten davon, dass sich Patienten mit Durchblutungsstörungen so spät vorgestellt haben, dass eine Fußamputation nicht mehr zu umgehen war«, erklärt der Präsident der DGG und Ärztliche Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Chirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg, Dittmar Böckler.
Vor diesem Hintergrund betont der DGG-Experte die große Bedeutung der Vorsorgeuntersuchungen für Patienten mit chronischen Durchblutungsstörungen, wie sie etwa bei einem Diabetischen Fußsyndrom (DFS) auftreten. Bereits im April dieses Jahres hat die Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) auf die Gefahr hingewiesen, dass die Vorsorge und die engmaschige Kontrolle von Diabetikern ernorm wichtig sei, um Folgeerkrankungen vorzubeugen.
»Allein das DFS führt hierzulande jährlich zu über 40.000 Amputationen. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich leider im oberen Bereich«, sagte Böckler. Viele dieser Eingriffe könnten durch Prävention, die rechtzeitige Diagnostik und eine interdisziplinäre Therapie verhindert werden, so der DGG-Präsident.
Die DGG unterstützt zudem den kürzlich eingeführten »Fuß-Pass» der DDG, um die Prävention von Amputationen wegen DFS zu verbessern. Der Pass gibt Auskunft über das individuelle DFS-Risiko eines Patienten, sodass die Untersuchungsintervalle entsprechend angepasst werden können.
Jeder Patient habe außerdem vor einer Amputation das Recht, eine unabhängige Zweitmeinung einzuholen. Dies hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) für gesetzliche Versicherte erst im April dieses Jahres beschlossen. Keine Amputation sollte laut DGG-Präsident Böckler ohne eine eingehende Untersuchung der Gefäße durch einen Gefäßmediziner oder Gefäßchirurgen vorgenommen werden, auch in Pandemie-Zeiten. Denn die Gefäßchirurgie biete vielfältige Verfahren, um die Durchblutung etwa eines Beines wieder zu verbessern und so eine Amputation zu verhindern.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.