Gemüse besser roh oder gekocht? |
Die Zubereitungsart hat teilweise erheblichen Einfluss darauf, wie gut der Körper die Nährstoffe resorbieren kann. Wichtiger als die Zubereitung ist aber, jeden Tag Gemüse zu essen und aus dem gesamten Angebot auszuwählen. / Foto: Adobe Stock/JenkoAtaman
Dr. Emily Ho, Professorin für Ernährung und Direktorin des Linus Pauling Instituts an der US-amerikanischen Oregon State University, erklärt in einem Artikel der Zeitschrift New York Times, es sei zwar richtig, dass das Kochen die Menge an Nährstoffen verändert, dies sei aber nicht in jedem Fall schlecht. In Form eines Quiz liefert die New York Times einige interessante Fakten zur Frage: Welches Gemüse isst man besser roh und was sollte besser gekocht auf den Teller kommen?
Spinat beispielsweise hat in gekochter Form einen höheren Nährwert, vor allem, weil durch das Kochen die Blätter schrumpfen und dies die Verzehrmenge erhöht. Das grüne Gemüse enthält die in hohen Dosen nierenschädigende Oxalsäure, die sich im Darm mit Calcium und Eisen zum entsprechenden Salz verbindet, das ausgeschieden wird. Der Kochprozess reduziert die Menge an Oxalat im Spinat. Calcium, das in gleichzeitig verzehrten Milchprodukten enthalten ist, sorgt außerdem dafür, dass das verbleibende Oxalat nicht durch körpereigenes Calcium gebunden wird. Dadurch kann der Körper mehr Eisen und Calcium aufnehmen, das im Spinat ebenfalls in höherer Menge enthalten ist. Abstriche müssen Verbraucher bei gekochtem Spinat dagegen beim Vitamin C- und B-Gehalt hinnehmen.
Knoblauch hingegen ist ein Beispiel für ein Lebensmittel, das im Rohzustand gesünder als gekocht oder gebraten ist. Denn roh kann Allicin, der »Hauptwirkstoff« im Knoblauch, am besten wirken. Allicin besitzt verschiedene antimikrobielle Eigenschaften, denn es ist in der Lage, Bakterien, Viren und Pilze zu bekämpfen. Zudem wirkt es leicht blutdrucksenkend und blutverdünnend, dementsprechend sinkt das Thrombose- und Schlaganfallrisiko. Die Substanz wird durch eine enzymatische Reaktion beim Schneiden von Knoblauch aus seiner geruchlosen Vorstufe Alliin, einer schwefelhaltigen Aminosäure, aktiviert. Durch anschließendes Erhitzen wird allerdings ein Großteil des Allicins zerstört. Allicin ist verantwortlich für die positiven Wirkungen auf die Herzgesundheit und das Krebsrisiko – allerdings auch für den charakteristischen Geruch und Geschmack von Knoblauch. Da dieser sowohl für den Verbraucher selbst als auch für die Mitmenschen in der Regel sehr unangenehm ist, essen die meisten Menschen keinen rohen Knoblauch beziehungsweise zu wenig davon, als dass der positive Effekt zum Tragen kommt.
Wer es doch mit der rohen Knolle versuchen will, sollte nicht mehr als 5 g pro Tag verzehren, eine höhere Dosis könnte den Magen-Darm-Trakt reizen und zu Sodbrennen führen. Nach dem Essen kann es helfen, Petersilie, Minze oder einige Kaffeebohnen zu kauen, um den Knoblauchgeruch aus dem Mund zu vertreiben. Ein Glas Milch zu trinken ist auch einen Versuch wert.
Wer Geruch und Geschmack von rohem Knoblauch partout nicht mag, aber trotzdem von den gesundheitsfördernden Wirkungen profitieren möchte, kann auf Nahrungsergänzungsmittel aus der Apotheke zurückgreifen. Ob sie die gleiche positive Wirkung wie die frische Knolle erzielen, ist aber noch nicht hinreichend belegt. Diese Mittel sollte man nicht überdosieren, denn das kann zu Übelkeit und Erbrechen führen. Wer regelmäßig Medikamente einnimmt, insbesondere Blutverdünner und Blutdrucksenker, sollte vorher unbedingt mit seinem Arzt Rücksprache halten, um Wechselwirkungen auszuschließen.
Ähnlich wie beim Knoblauch sind es bei den Zwiebeln die Thiosulfinate, die die gesundheitsfördernden Wirkungen vermitteln. Die schwefelhaltigen Verbindungen schützen die Zellmembran der roten Blutkörperchen, so dass die Sauerstoffversorgung optimiert wird. Gleichzeitig wird die Blutgerinnung gehemmt. Beides zusammen beugt Herz-Kreislauf-Problemen vor. Auch die Thiosulfinate würden durch Kochen zerstört, wie Dr. Alexander Michels, Experte für Mikronährstoffe am Linus Pauling Institut, in der New York Times erklärt.
Zwar wird der Gehalt an Antioxidantien durch Kochen reduziert, andererseits zeigt eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2016, dass fünfminütiges Erhitzen von Zwiebeln bei moderater Temperatur den Flavonoid-Gehalt erhöht. Flavonoide gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen, die Obst und Gemüse ihre blaue, rote oder violette Farbe verleihen. Sie entfalten zahlreiche gesundheitsfördernde Wirkungen, indem sie den Blutdruck regulieren und das Risiko für Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken. Dennoch hätten Zwiebeln in rohem Zustand den höheren Nutzen für die Gesundheit, so Michels. Die oft schlechtere Verträglichkeit der rohen Zwiebel hängt mit den enthaltenen Fructanen zusammen, die anstelle von Stärke in der Zwiebel enthalten sind. Fructane sind Oligosaccharide aus Fruktose, die im Darm vergärt werden und Beschwerden verursachen können.
Karotten sind eine gute Quelle für Beta-Carotin, ein Antioxidans, das für die rote und orange Farbe der Gemüse, in denen es enthalten ist, verantwortlich ist. Der Körper wandelt Beta-Carotin in Vitamin A um, welches eine wichtige Rolle beim Sehen, der Reproduktion, dem Knochenwachstum und der Funktion des Immunsystems spielt.
Gekochte Karotten stellen eine größere Menge an Carotinoiden zur Verfügung als rohe. Eine schwedische Untersuchung hat gezeigt, dass es vor allem darauf ankommt, die Zellwände der Pflanzen zu öffnen, damit das Beta-Carotin freigesetzt werden kann. So können aus grob gestückelten Karotten nur 3 Prozent des enthaltenen Carotins resorbiert werden. Mit Öl sind es 4 Prozent. Kocht man grob gestückelte Karotten, werden maximal 8 Prozent Carotinoide resorbiert. Aus pürierten rohen Karotten kann der Körper hingegen 21 Prozent resorbieren, die Zugabe von Öl steigerte die Resorptionsrate in der Untersuchung auf 28 bis 34 Prozent, je nach Ölmenge. Aus pürierten gekochten Karotten wurde 27 Prozent Betacarotin resorbiert, die Zugabe von Öl erhöhte die Resorptionsrate auf bis zu 45 Prozent.
Das bedeutet: Die Fettbeigabe zu Betacarotin-haltigem Gemüse ist zweitrangig. Wichtiger ist es demnach, die Lebensmittel gut zu zerkleinern, damit das in den Zellen eingeschlossene Provitamin befreit wird und besser resorbiert werden kann.
Braten hat übrigens einen nachteiligen Effekt, denn aus hocherhitztem Öl werden freie Radikale gebildet, die Körperzellen schädigen können. Die Antioxidantien aus dem Gemüse würden dann für das Unschädlichmachen der Radikale aufgebraucht.
Grüne Bohnen sind ein Beispiel für ein Lebensmittel, das unbedingt gekocht werden muss. Denn rohe Bohnen enthalten Phasin, ein Protein aus der Gruppe der Lektine, das die Aufspaltung und Aufnahme von Nährstoffen sowie Mineralstoffen wie Calcium, Eisen, Phosphor und Zink behindert. Die Verdauung wird gestört und dies verursacht Übelkeit, Magen-Darm-Beschwerden und Durchfall. Bei Kindern reichen fünf bis sechs rohe Bohnen, um diese Symptome zwei bis drei Stunden nach dem Verzehr hervorzurufen. Lektine bewirken außerdem ein Zusammenkleben von roten Blutkörperchen, dies behindert den Sauerstofftransport. Kochen bei hohen Temperaturen zerstört das Lektin und macht grüne Bohnen überhaupt erst verdaulich.
Grünkohl scheint dagegen als Rohkost viele positive Effekte zu haben. Wie viele andere Kreuzblütler-Gemüse, beispielsweise Radieschen, Broccoli und Rosenkohl, ist er reich an sogenannten Glucosinolaten oder Senfölglycosiden. Sie sind verantwortlich für den etwas scharfen und bitteren Geschmack dieser Gemüsesorten. Während des Hackens oder Kauens von Grünkohl wird ein Enzym freigesetzt, das die Glucosinolate in Isothiocyanate umwandelt, die antikanzerogene und antibakterielle Wirkungen im Körper entfalten. Kochen zerstört allerdings dieses Enzym, und es sind weniger Isothiocyanate verfügbar.
In-vitro-Studien belegen, dass Senfölglykoside bereits in geringer Dosierung eine Vielzahl klinisch relevanter Erreger von bakteriellen Harnwegs- sowie Atemwegserkrankungen bekämpfen. Ein Kombinationspräparat aus Kapuzinerkresse und Meerrettichwurzel wird in der Leitlinie zur Therapie von Harnwegsinfektionen als pflanzliche Behandlungsmöglichkeit von wiederkehrenden unkomplizierten Blasenentzündungen empfohlen. Isothiocyanate können in sehr hohen Dosen schädlich sein, indem sie die Aufnahme von Jod in Thyroxin-Vorläufer hemmen. Eine Schilddrüsenunterfunktion könnte die Folge sein.
Tomaten, vor allem ihre Schalen, sind die beste Quelle für Lycopin, ein natürliches Carotinoid und starkes Antioxidans, das mit einem verminderten Krebsrisiko sowie einem reduzierten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen in Verbindung gebracht wird. Eine Metaanalyse von 17 Studien zeigt: Je höher der Lycopin-Spiegel im Blut der Studienteilnehmer war, desto geringer war ihr Risiko, Prostatakrebs zu entwickeln. Eine finnische Studie fand außerdem heraus, dass ein hoher Lycopin-Spiegel im Blut das Schlaganfallrisiko um die Hälfte reduzieren kann.
Hitze verändert die räumliche Ausrichtung des Lycopin-Moleküls, was es leichter absorbierbar macht, erklärt Dr. Rui Hai Liu, Professor für Lebensmittelwissenschaften an der Cornell University in der New York Times. Untersuchungen haben gezeigt, dass Dünsten und die Zubereitung in der Mikrowelle besonders geeignet sind, die antioxidativen Eigenschaften von Tomaten zu verbessern. Wie so oft leidet auch hier durch das Kochen der Vitamin C-Gehalt.
Vorsicht: Tomaten enthalten wie viele Nachtschattengewächse auch das für den Menschen giftige Solanin, mit dem sich die Pflanze vor Fressfeinden schützt. Allerdings ist es in reifen Tomaten nur in kleinen Mengen im Stielansatz enthalten, den der Verbraucher im Allgemeinen entfernt. Unreife und grüne Tomaten sollten nicht verzehrt werden, da sie viel Solanin enthalten, das sich auch nicht durch Hitze inaktivieren lässt.
Laut Expertin Ho sind generell Dünsten oder leichtes Braten die besten Zubereitungsmethoden, um Nährstoffe zu erhalten. Jegliche Zubereitungsarten, die Gemüse hohen Temperaturen über lange Zeit aussetzen, lassen den Nährstoffgehalt schrumpfen, wobei Karotten hier eine Ausnahme darstellen. Aber wichtiger als die Art der Zubereitung ist der Konsum von Gemüse überhaupt. Zwei bis vier Portionen Gemüse sollten Erwachsene am Tag verzehren, und die Sorten und Zubereitungsmethoden sollten sich möglichst häufig abwechseln. /