Genesen bedeutet nicht immer gesund |
Bei manchen von Covid-19 genesenen Patienten empfiehlt sich auch nach der Akutphase der Erkrankung eine fachkundige Nachsorge und Rehabilitation durch Pneumologen. / Foto: Adobe Stock/RFBSIP
»Auch sogenannte genesene Corona-Patienten bedürfen oftmals der fachkundigen Nachsorge und Rehabilitation durch erfahrene Pneumologen.« Dies hat die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), anlässlich der Herausgabe ihrer aktuellen »Empfehlungen zur pneumologischen Rehabilitation bei Covid-19« deutlich gemacht.
»CT-Bilder der Lungen von genesenen Patienten legen nahe, dass viele von ihnen nicht wirklich gesund sind, sondern als Folge der Infektion mehr oder weniger starke Lungenschäden aufweisen«, so Professor Dr. Andreas Rembert Koczulla, Mitautor des Papiers. Es sei vielfach davon auszugehen, dass auch nach überstandener Akutphase der Erkrankung der Gasaustausch der Lunge langfristig beeinträchtigt ist. Dies könne auch Patienten betreffen, die im Krankenhaus nicht beatmet wurden, betont der Pneumologe.
Egal ob Einschränkungen der Lungenfunktion, Organschädigungen, Polyneuropathie, Depressionen und Angstzustände oder kardiale Komplikationen: Rehabilitative Behandlungsansätze sollten bereits auf der Intensivstation zum Einsatz kommen beziehungsweise in Erwägung gezogen werden, heißt es in den DGP-Empfehlungen. Erste frührehabilitative Maßnahmen, deren Wirksamkeit belegt sind, seien unter anderem Sedierungspausen während der Beatmung mit frühzeitiger Bewegung und neuromuskulärer Elektrostimulation einzelner Muskelgruppen.
Nach der Akuttherapie könnten neben Pflege, Physio-, Psycho-, Ergo- und Sporttherapie vor allem atemphysiotherapeutische Übungen wie Hustentraining, Zwerchfelltraining, Lippenbremse und Dehnübungen notwendig werden. Studien haben gezeigt, dass all diese Maßnahmen unter anderem die Lungenfunktion, den Gasaustausch sowie die Lebensqualität signifikanten verbessern können.
Die Arbeitsgemeinschaft Atemphysiotherapie hat auf ihrer Homepage praxisnahe Empfehlungen zur physiotherapeutischen Behandlung von Covid-19 Patienten zusammengestellt. Praktische Beschreibungen zur Durchführung eines Atemmuskeltrainings sind auch unter www.atemmuskeltraining.com zu finden.
Je nach Schwere der Covid-19-Erkrankung und gegebenenfalls auch der Dauer einer künstlichen Beatmung seien unterschiedliche Maßnahmen zu ergreifen. Diese können bei schweren Verläufen eher einer fortgesetzten Akutversorgung als einer klassischen Rehabilitation ähneln und müssen nicht zuletzt aufgrund der Komplexität der Krankheitsfolgen überwiegend stationär ablaufen, unterstreicht der Präsident der DGP, Professor Dr. Michael Pfeifer. »Besonders Patienten, die bereits vor einer Covid-19-Erkrankung an einer chronischen Lungenerkrankung gelitten haben, benötigen eine intensivere Nachsorge«, hebt er hervor.
Insgesamt verfüge Deutschland im Bereich der pneumologischen Rehabilitation über etwa 5000 Plätze in stationären Einrichtungen. Zu wenig, so Pfeifer. Die stationäre Rehabilitation gelinge aufgrund mangelnden Pflegepersonals und hoher hygienischer Anforderungen derzeit nur eingeschränkt. Künftig sei mit noch mehr Engpässen zu rechnen.
»Noch haben wir Zeit, uns auf die kommenden Herausforderungen strukturell vorzubereiten«, so Pfeiffer, der eine Anhebung unter anderem der Pflegesätze fordert. Zudem erhebt die DGP derzeit Daten zur aktuellen Versorgungskapazität pneumologischer Reha-Einrichtungen, um Patienten künftig bei Anfrage gezielt einer Einrichtung zuweisen zu können.
Es sei, so heißt es in den DGP-Empfehlungen, nicht immer zu erwarten, dass am Ende der Rehabilitation ein nahtloser Übergang des Patienten in das Berufs- oder Alltagsleben möglich ist. So könnten eine persistierende Ruhe- oder Belastungs-Hypoxämie oder andere körperliche Einschränkungen die individuelle Leistungsfähigkeit dauerhaft gefährden und somit auch die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt bedrohen. Bis mehr Daten über die längerfristigen Folgen einer Covid-19 Pneumonie vorliegen, sollte bis zur Beantwortung der Frage, ob eine Rückkehr in den Beruf möglich ist, ein weiteres und mindestens drei- bis sechs Monate anhaltendes Verlaufsintervall abgewartet werden.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.