Genug schlafen schützt |
Jede Nacht ausreichend tief schlafen schützt vor Typ-2-Diabetes. / Foto: Getty Images/Blend Images LLC/JGI/Tom Grill/
Wie viel Schlaf Menschen brauchen, hängt in erster Linie von deren Alter ab. Während Babys zu Beginn ihres Lebens noch 16 bis 18 Stunden pro Tag schlafend verbringen, benötigen Kinder und Jugendliche im Schulalter nur noch durchschnittlich neuneinhalb Stunden pro Nacht. Im Erwachsenenalter liegt die benötigte Schlafdauer schließlich bei sieben bis maximal neun Stunden.
Gesunder Schlaf zeichnet sich durch eine ausreichende Länge und einen Ablauf ohne Unterbrechungen aus, sodass der Körper die verschiedenen Schlafstadien mehrmals pro Nacht ungestört durchlaufen kann. Doch gesunder Schlaf ist nicht selbstverständlich. In Deutschland kommt jeder zweite Erwachsene auf höchstens sechs Stunden Schlaf pro Nacht. Auch in anderen westlichen Ländern werden seit einigen Jahren ein Absinken der durchschnittlichen Schlafdauer und eine Zunahme der von Schlafmangel betroffenen Menschen verzeichnet. Experten beobachten diese Entwicklung mit Sorge, denn feststeht: Maximal sechs Stunden Schlaf pro Nacht sind auf Dauer zu wenig.
Schlafmangel wirkt sich negativ auf die meisten Systeme des Körpers aus. Bereits am nächsten Tag sind neben Müdigkeit Symptome wie Gereiztheit, Energiemangel oder verlangsamtes Denken feststellbar. Viele Menschen erleben nach einer kurzen Nacht mehr Hunger, ein verringertes Sättigungsgefühl und ein verstärktes Verlangen nach kohlenhydratreicher Nahrung. Über Jahre hinweg bestehender Schlafmangel erhöht das Risiko für Herzerkrankungen, Übergewicht und Depressionen.
In letzter Zeit rückt Schlafmangel zudem zunehmend in den Fokus der Diabetesforschung. Epidemiologische Studien konnten bereits gut dokumentieren, dass das Risiko für eine frühzeitige Typ-2-Diabetes-Erkrankung durch kurze Nächte mit fünf bis sechs Stunden Schlaf steigt. Wie stark, zeigt eine Studie der Universität Uppsala. Studienteilnehmer, die pro Nacht fünf Stunden Schlaf bekamen, erkrankten in den folgenden 12,5 Jahren zu 64 Prozent häufiger an einem Typ-2-Diabetes als Probanden mit gesundem Schlaf und ausreichender Schlafdauer. Für ihr Ergebnis werteten die Wissenschaftler Daten der UK-Biobank aus, die mit der Zielsetzung erhoben worden waren, Zusammenhänge zwischen Schlafstörungen, Diabetes und der Sterblichkeit zu finden. Die Studienteilnehmer waren zwischen 37 und 72 Jahre alt.
Bei vielen Menschen ist Schlafmangel vor allem unter der Woche ein Problem. Am Wochenende wird häufig versucht, den fehlenden Schlaf nachzuholen. Das Gehirn kann diese zusätzlichen Stunden jedoch nicht nutzen, es braucht durchgehend ausreichend Schlaf. Zu viel sollte es allerdings auch nicht sein. Studien konnten zeigen, dass eine zu lange Schlafdauer (mehr als neun Stunden pro Nacht) das Risiko für einen Typ-2-Diabetes ebenfalls erhöht.
Entscheidender Verknüpfungspunkt zwischen Schlaf und Stoffwechsel beziehungsweise der Entwicklung eines Diabetes könnte die Tiefschlafphase sein. In ihr wird entschieden, welche der im wachen Zustand gesammelten Informationen in das Langzeitgedächtnis übertragen werden. Aus tierexperimentellen Studien ist bekannt, dass Ratten am nächsten Tag schneller in der Lage sind, den Weg durch ein Labyrinth zu finden, wenn zuvor die Bildung einer besonderen Form von Hirnwellen, den sogenannten Sharp-Wave-Ripple-Komplexen, in der Tiefschlafphase künstlich gesteigert wurde. Gleichzeitig wirken sich Sharp-Wave-Ripple-Komplexe auf den Stoffwechsel aus. Wissenschaftler der NYU Langone Health in New York konnten beobachten, dass es nach einer Häufung von Sharp-Wave-Ripple-Komplexen innerhalb weniger Minuten zu einem Abfall des Blutzuckers bei Ratten kommt. Auch den Signalweg im Gehirn konnten die Wissenschaftler identifizieren. Wurde er unterbrochen, blieb der Blutzuckerabfall aus.
Bei Menschen scheint es zu ganz ähnlichen Abläufen während des Schlafs zu kommen, wie Wissenschaftler der Universität von Kalifornien in Berkeley aufdecken konnten. Sie werteten Daten der »Cleveland Family Study« aus, die von 1990 bis 2006 zur Ursachenfindung der Schlafapnoe gesammelt worden waren. Dabei identifizierten sie wiederkehrende EEG-Phänomene in der Tiefschlafphase, die mit dem Blutzucker und Insulinspiegel verknüpft waren. Je häufiger diese EEG-Phänomene bei einem Probanden auftraten, umso niedriger fiel der Nüchternblutzucker am nächsten Morgen aus und umso besser war die Insulinwirkung. Zu demselben Ergebnis kam die »Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis« (MESA), in der die Blutzucker- und Insulinkonzentration von 1900 Probanden nach einer Nacht im Schlaflabor bestimmt worden war.
Sind Menschen bereits an Diabetes erkrankt, kann Schlafmangel weitere Folgen haben. Unbestritten ist, dass zu wenig Schlaf Auswirkungen auf den Zuckerstoffwechsel und die Insulinempfindlichkeit hat. Schlafstörungen können dazu führen, dass der Diabetes schlechter einstellbar ist als bei Diabetikern mit gesundem Schlaf. Darüber hinaus zeigen Studien, dass das Schlafverhalten das Risiko für die Entwicklung von Diabetes-bedingten Komplikationen beeinflusst. Laut einer dänischen Studie geht eine Schlafdauer von unter sieben Stunden mit einem 2,6-fach erhöhten Risiko für eine mikrovaskuläre Erkrankung wie die Retinopathie oder Nephropathie einher. Ähnlich wirkt sich eine zu lange Schlafdauer von mehr als neun Stunden aus. Hier war das Risiko 2,3-fach erhöht. Besonders stark war dieser Zusammenhang bei Menschen über 62 Jahren.
Auch die Sterblichkeitsrate steigt stark an, wie die Daten der UK-Biobank zeigen. Sie liegt bei Menschen mit Diabetes und Schlafstörungen um 87 Prozent höher als bei Menschen mit Diabetes, die ein gesundes Schlafverhalten aufweisen.
Diabetiker sind – auch ohne es selbst zu bemerken – häufiger von Schlafstörungen betroffen als stoffwechselgesunde Menschen. Das obstruktive Schlafapnoesyndrom tritt laut Screeninguntersuchungen bei 30 bis 40 Prozent aller Diabetiker (hier besonders adipöse Menschen) auf, gleichzeitig berichten sie aber wesentlich seltener von Tagesmüdigkeit. Auffällig ist in diesem Fall meist nur das begleitende Schnarchen, das von Alleinschläfern selbst nicht wahrgenommen wird.
Auch nächtliche Hypoglykämien führen nicht immer zum Aufwachen. Hinweisgeber können morgendliche Müdigkeit, Unwohlsein oder Kopfschmerzen sein. Und nicht zuletzt können auch Medikamente, schmerzhafte Neuropathien oder ein Restless-Legs-Syndrom Durchschlafstörungen begünstigen. Diabetikern mit Verdacht auf Schlafstörungen sollte immer eine Abklärung beim behandelnden Arzt empfohlen werden.
Sport zählt zu den wichtigsten vorbeugenden Maßnahmen gegen einen Typ-2-Diabetes und wirkt sich bei Menschen, die bereits an Diabetes erkrankt sind, positiv aus. Jede körperliche Aktivität führt auch zur insulinunabhängigen Glucoseaufnahme aus dem Blut in die Zellen und senkt dadurch den Blutzuckerspiegel. Regelmäßige Bewegung verbessert die Insulinempfindlichkeit der Körperzellen und trägt mittelfristig dazu bei, den Blutzucker-Langzeitwert HbA1c zu senken.
Bekannt ist, dass der Glucosestoffwechsel tageszeitlichen Schwankungen unterliegt und in den Nachmittags- und Abendstunden die Glucoseaufnahme durch die Muskulatur vermindert ist. Sportwissenschaftler um Jonatan Ruiz von der Universität Granada haben deshalb untersucht, inwieweit Sport beziehungsweise die Tageszeit, zu der das Training durchgeführt wurde, den natürlichen Verlauf des Glucosestoffwechsels beeinflusst.
Teilgenommen an der Studie haben 187 übergewichtige oder adipöse Erwachsene, die zu jeglicher Form sportlicher Aktivität ermuntert worden waren. Dabei zeigte sich, dass an Tagen, an denen Sporteinheiten mit mäßiger bis starker körperlicher Aktivität überwiegend in den Abendstunden stattfanden, die Blutzuckerwerte sowohl beim 24-Stunden-Blutzucker als auch in der Nacht niedriger ausfielen als an Tagen, an denen die Teilnehmer keinen Sport getrieben hatten. Bei Probanden, die bereits einen gestörten Glucosestoffwechsel hatten, fielen die Unterschiede größer aus als bei reinen Risikopatienten.
Fand die Trainingseinheit dagegen in den Morgenstunden statt, wurde der 24-Stunden-Blutzucker nicht beeinflusst. Ein weiterer positiver Effekt regelmäßiger körperlicher Aktivität, am besten an der frischen Luft, sind der Abbau von Stresshormonen und die Ermüdung. Auch deshalb wird Bewegung Menschen mit nicht erholsamem Schlaf oder Schlafstörungen dringend empfohlen. Für Kunden mit Schlafproblemen haben sich zudem folgende Tipps bewährt: