Geschmeidig statt spröde |
Barbara Döring |
30.11.2023 09:00 Uhr |
Tägliches Eincremen ist manchmal mühsam, zahlt sich bei trockener Haut und Juckreiz aber aus. / Foto: Getty Images / Westend61 / Vladimir Godnik
Schmirgelpapier ist manchmal nichts dagegen: Trockenen Haut – auch Xerosis oder Xerodermie genannt – ist rau und schuppig, wenig elastisch und glanzlos, zum Teil auch rissig. Manche Menschen leben damit, ohne dass ihnen der Hautzustand nennenswerte Probleme bereitet. Andere leiden jedoch erheblich unter einem Spannungsgefühl oder entwickeln einen Juckreiz, der oft kaum auszuhalten ist. Trockene Haut kann viele Ursachen haben. Experten unterscheiden dabei eine genetisch bedingte Hauttrockenheit und eine erworbene. »Der häufigste Grund für trockene Haut ist das Alter«, sagt Professor Sonja Ständer, Leitende Oberärztin an der Klinik für Hautkrankheiten des Universitätsklinikums Münster und Mitglied der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG).
»Bei älteren Menschen produziert die Haut weniger Fett und kann weniger Feuchtigkeit binden«, erklärt die Dermatologin, die am UKM das Kompetenzzentrum Chronischer Pruritus leitet. »Bei älteren Menschen ab etwa 70 Jahren ist daher die Hautpflege sehr wichtig«, berichtet die Dermatologin. Würde der Mangel an Fett und Feuchtigkeit nicht ausgeglichen, könne auch unabhängig von der Jahreszeit ein chronischer Juckreiz entstehen.
Allerdings verstärken sich die Beschwerden oft im Winter, sodass Kunden in der Apotheke vermehrt Rat suchen. »Im Winter kleiden wir uns anders, sodass die Haut etwa durch raue Pullover ständig einem stärkeren mechanischen Reiz und vermehrtem Abrieb von Fett und Feuchtigkeit ausgesetzt ist«, erklärt Ständer. In geheizten Räumen trockne die Haut zudem vermehrt aus, da der transdermale Wasserverlust höher ist und so mehr Feuchtigkeit verloren geht.
Trockenen, juckenden Stellen entstehen dann bevorzugt an den Schienbeinen, wo die Haut besonders dünn, exponiert und kaum mit Talgdrüsen ausgestattet ist. In vielen Fällen bereitet die trockene Haut zunächst keine Probleme, bis die oberen Hautschichten so geschädigt sind, dass sie nicht mehr genug Feuchtigkeit binden können. Durch die gestörte Hautbarriere liegen die Nervenfasern frei, sodass es leichter zum Juckreiz kommt.
Menschen mit trockener Haut bekommen immer mal wieder den Ratschlag, mehr zu trinken, damit die Haut besser durchfeuchtet und praller wird. Dabei werden jedoch laut Professor Dr. Dr. Sonja Ständer zwei Dinge verwechselt: Tatsächlich hat jemand zu wenig getrunken, wenn man an seiner Haut zieht und eine Falte stehen bleibt, erklärt die Dermatologin. Das bedeute aber nicht, dass die Haut zu wenig Fett und Feuchtigkeit enthält, sondern die Hautspannung – der Hautturgor – ist wegen des Wassermangels gering. »Fehlt jedoch Fett und Feuchtigkeit in der obersten Hautschicht, bringt Trinken nichts«, so Ständer. Fett und Feuchtigkeit müssen der Haut über Pflegeprodukte zugeführt werden, die beides kombinieren. Auch ein Gel, dass nur Feuchtigkeit, aber kein Fett beinhaltet, sei deshalb bei trockener Haut nicht hilfreich.
Ein weiterer häufiger Grund für trockene Haut sind Hauterkrankungen, bei denen die Hautbarriere gestört ist, etwa Neurodermitis, Psoriasis oder Kontaktekzeme. »Auch nach einer Gürtelrose ist die Haut einschließlich der Hautbarriere geschädigt«, weiß Ständer. Schließlich können systemische Erkrankungen, die in das metabolische Geschehen der Haut eingreifen, trockene Haut fördern.
An erster Stelle betrifft das Patienten, die auf eine Dialyse angewiesen sind. Vermutlich spielt hier der veränderte Stoffwechsel auch in der Haut während der Dialyse eine Rolle. »Bei Dialysepatienten ist die Haut oft so trocken und juckend, dass es einen eigenen Begriff dafür gibt: die urämische Xerosis«, führt Ständer aus. Schließlich geht in vielen Fällen ein Diabetes mellitus mit trockener Haut einher, von dem viele Dialysepatienten betroffen sind. Juckreiz kann zudem auf hohe Blutzuckerwerte hindeuten, schon bevor ein Diabetes diagnostiziert wurde, sodass es sinnvoll sein kann, Kunden zu einem Blutzuckertest zu raten.
Bestimmte Medikamente können ebenfalls als Nebenwirkung zu einem trockenen Hautbild beitragen. So senken Statine nicht nur die Blutfettwerte, sondern mitunter auch den Fettgehalt der Haut. Ein weiteres Beispiel sind Diuretika. Bei starken Beschwerden sollten Patienten mit dem behandelnden Arzt sprechen, der eventuell die Medikation umstellen kann.
Trockene Haut ist in jedem Fall ernst zu nehmen und kein rein kosmetisches Problem. Denn ist die oberste Hautschicht rissig, entstehen schnell Verletzungen, die zu Infektionen mit Pilzen oder Bakterien führen können und die Beschwerden weiter verstärken. Zudem dringen Allergene leichter ein, sodass ein erhöhtes Risiko für eine Sensibilisierung und ein Kontaktekzem besteht.
Wenn Kunden wegen trockener Haut oder Juckreiz in der Apotheke Hilfe suchten, rät die Dermatologin nachzufragen, wie lange die Beschwerden bereits bestehen. Bereitet die Haut schon länger als sechs Wochen Probleme, sei zum Arztbesuch zu raten, um zu klären, ob es sich »nur« um trockene Haut handelt oder ob sich eine Erkrankung andeutet. Die Frage nach der Dauer der Beschwerden sei besonders wichtig, da eine andauernde Symptomatik auf zahlreiche Krankheiten bis hin zu einem systemischen Lymphom hindeuten könnten.
Auch wenn trockene Haut oder Juckreiz sehr plötzlich auftreten, kommen abhängig vom Alter viele Ursachen für Juckreiz in Betracht. »Bei Kindern ist es oft eine Neurodermitis, bei jungen Erwachsenen kann es auch mal eine Nesselsucht sein«, sagt die Juckreizexpertin. Die Frage, ob Hauterscheinungen bestehen, sei ebenfalls wichtig, wenn es darum geht, akute Hilfe anzubieten. »Bestehen zum Beispiel typische Quaddeln, wäre ein Antihistaminikum zu empfehlen«, rät Ständer. Andere unerklärliche Veränderungen wie starke Rötungen oder erhabene Papeln oder Knoten, seien ein Fall für den Dermatologen.
Wenn es um die tägliche Pflege der trockenen Haut geht, gilt: Was dem einen guttut, muss dem anderen noch lange nicht gefallen. »Wir stellen immer wieder fest, dass es individuell sehr unterschiedlich ist, ob eine Lotion oder Creme als angenehm empfunden wird«, sagt Ständer. Manchmal müsse man etwas ausprobieren, um unter den zahlreichen rückfettenden Produkten das richtige zu finden. Wichtig ist, dass die tägliche Pflege gleichzeitig Fett und über Feuchthaltefaktoren wie Urea oder Glycerin Feuchtigkeit spendet.
Die Dermatologin empfiehlt reichhaltige Produkte mit hohem Lipidgehalt, die sich gut auftragen lassen und schnell einziehen (zum Beispiel Cetaphil® Creme, Eucerin® pH5 Lotion, Excipial® U Lipolotio, Physiogel® Daily Moisture Therapy). Puder oder Fettsalben ohne Wasseranteil sind zur Pflege der trockenen Haut dagegen nicht zu empfehlen, da sie zum Wärmestau führen können. Einzelne rissige Stellen lassen sich jedoch mit Wund- und Heilsalben mit Wirkstoffen wie Dexpanthenol gut behandeln (zum Beispiel Bepanthen®). Produkte für die tägliche Pflege der trockenen Haut sollten zudem möglichst ohne viele Inhaltsstoffe wie Duftstoffe auskommen. Für Allergiker bergen Zusätze wie Aloe vera oder Teebaumöl zudem die Gefahr einer Sensibilisierung.
Manche Kunden empfinden pures Olivenöl zur Hautpflege als angenehm. »Pures Öl liefert zwar reichlich Fett, es kann allerdings in der Haut nicht gebunden werden, weil die Feuchtigkeit fehlt«, erklärt Ständer. Fertigprodukte, die Fett und Feuchtigkeit kombinieren, seien deshalb besser geeignet. Als Pflegekomponente kommen Öle wie Oliven-, Jojoba-, Weizenkeim- oder Avocadoöl in Cremes oder Lotionen mit Feuchtigkeitsbindern wie Urea, Hyaluronsäure oder Glycerin zum Einsatz.
Wichtig sei, darauf zu achten, dass gegen den Juckreiz bei trockener Haut keine Cortisoncreme in Selbstmedikation verwendet würde. »Wir sehen, dass niedrig dosierte Cortisoncremes oft sehr lange angewendet werden und dann die Diagnose einer Erkrankung, etwa einer Neurodermitis oder einer Krätze, verschleppt wird«, so die Erfahrung der Dermatologin. Zudem ist das Gesicht sehr empfindlich für Cortisol, die Haut kann sich schnell daran gewöhnen und eine Abhängigkeit oder Sekundärerkrankungen wie eine periorale Dermatitis entwickeln.
Regelmäßiges Cremen kann mühsam sein, zahlt sich aber aus. Anschaulich macht das laut Ständer der Vergleich von trockener Haut mit einer Mauer, der Mörtel fehlt, sodass zwischen den Ziegeln Lücken entstehen. Bei der Haut bilden Fett und Feuchtigkeit das Bindemittel, das die schützenden Keratinozyten der Oberhaut zusammenhält. Bröckelt der Mörtel, braucht es Hilfe von außen: »Einmal täglich zu cremen, reicht in der Regel aus«, sagt Ständer. Bei sehr trockener Haut kann auch zweimal täglich sinnvoll sein, vor allem nach dem Duschen oder Baden.
Bei der Reinigung ist zudem darauf zu achten, dass die Wassertemperatur nicht zu hoch eingestellt wird. Je heißer das Wasser, umso leichter löst es das Fett aus der Haut. Für ein Vollbad gilt: Maximal zehn Minuten bei 35 Grad Celsius sind gut verträglich. Auch herkömmliche Seifen waschen wertvolles Fett aus der Haut. Kunden sollte nahegelegt werden, möglichst darauf zu verzichten und Duschöle oder rückfettende Badezusätze zu verwenden, die ebenso reinigen und gleichzeitig pflegen. Beim Abtrocknen wird die Haut besser nur sanft abgetupft, um die schützende Barriere durch starkes Rubbeln nicht zu stark zu strapazieren.
Auch die Hände dürfen bei der Pflege nicht zu kurz kommen. Gerade in der Erkältungszeit, wenn sorgfältige Hygiene besonders gefragt ist, sind Mittel zur Handdesinfektion in der Regel besser geeignet als Wasser und Seife. Je nachdem wie die Hände beansprucht werden, eignet sich für das regelmäßige Eincremen eine Handcreme, die schnell einzieht oder eine Schutzsalbe (zum Beispiel Eucerin® Atopi Control Handcreme oder Excipal® Protect Hand-Schutzcreme von Galderma).
Hat sich im Winter bei einer bestehende Hauterkrankung wie Neurodermitis oder Psoriasis die Hauttrockenhaut verstärkt, hilft oft eine optimierte Pflege weiter. Die meisten Patienten kennen ihre Beschwerden genau, aber suchen Hilfe, weil es gerade besonders stark juckt. Die Expertin rät in solchen Fällen noch einmal auf die Pflegegewohnheiten einzugehen und gegebenenfalls Tipps zu einer Optierung oder Intensivierung zu geben. Für Kinder mit Neurodermitis eigenen sich etwas leichtere Texturen (zum Beispiel Physiogel® Calming Relief).
Was ist dran, an der Behauptung, die Haut würde durch Gewöhnung erst recht austrocknen, wenn sie häufig eingecremt wird? »Das galt für Präparate, die wir bis in die 60er Jahren hatten«, erklärt Professor Dr. Dr. Sonja Ständer. »Die Substanzen sind tief in die Epidermis (oberste Hautschicht) eingedrungen und haben den Keratozyten-Metabolismus gestört«. Mit allen modernen Präparaten sei das ausgeschlossen. Pflegeprodukte und ihre Inhaltsstoffe entsprechen heute strengen Standards gemäß der Kosmetikverordnung. Die Liste an Inhaltsstoffen, die in Deutschland nicht erlaubt und in Verkehr gebracht werden dürfen, wird regelmäßig aktualisiert. Allerdings sei es individuell, ob man mit einer Creme klarkommt oder nicht. »Deshalb ist es super, dass es in Apotheken Muster gibt, um im Zweifel ein Produkt auszuprobieren«, sagt die Dermatologin.
Um akuten Juckreiz bei trockener Haut oder einer akuten Verschlechterung einer Hauterkrankung zu lindern, sind Lotionen oder Cremes mit lokal betäubenden Zusätzen wie Polidocanol oder Lidocain geeignet (zum Beispiel Optiderm®, Dermasence® Polaneth Lotion). Entsprechende Cremes gibt es auch für den Analbereich (Posterisan® akut von Dr. Kade).
Bei Juckreiz auf der Kopfhaut wirken Shampoos und Sprays mit Polidocanol akut lindernd (zum Beispiel Sensinol von Ducray). Spezielle Anti-Juckreiz-Sprays für die Haut wirken zusätzlich durch Menthol angenehm kühlend (zum Beispiel Eucerin® Atopi Control).
Geht der Juckreiz mit Entzündungen und nässenden Stellen einher, wirken Produkte mit Phenol-Methanal-Harnstoff-Polykondensat lindernd (Tannolact®). PTA können zudem zu kühlenden Umschlägen raten, beispielsweise mit einem mit schwarzem Tee getränkten Tuch. Nicht nur die Kühlung, auch die enthaltenen Gerbstoffe lindern den Juckreiz. Mit Eis oder Coolpacks ist dagegen Vorsicht geboten, da bei unsachgemäßer Anwendung schnell Hautschäden entstehen.
Von freiverkäuflichen Cortisol-Präparaten sei auch bei Neurodermitis abzuraten. »Hier ist ein stärkeres Präparat gefragt, das rezeptiert werden kann; entweder mit oder ohne Cortisol«, rät Ständer. Wichtig sei es, den Kunden bei Hautveränderungen mit auf den Weg zu geben, die Beschwerden zu beobachten und zum Arzt zu gehen, wenn sich der Hautzustand nicht bessert.
Gerade wenn es darum geht, Patienten zur ärztlichen Abklärung zu raten, spielten PTA eine wichtige Rolle. Allein zu einer verbesserten Hautpflege zu raten, berge die Gefahr, dass Diagnosen wie eine Krätze, die heute sehr häufig die Ursache von Juckreiz sei, zu verschleppen. Zusätzlich kann ein Produkt, das den Schlaf fördert, sinnvoll sein, da der Juckreiz der nächtlichen Erholung oft im Wege steht, rät die Expertin.
Den gutgemeinten Ratschlag, nicht zu kratzen, wenn es juckt, hält Ständer nicht für hilfreich. »Wir wissen, dass dieser weitverbreitete Ratschlag die Patienten sehr stark unter Druck setzt«, sagt die Juckreizexpertin. Oft sei es einfach unmöglich, nicht zu kratzen. Natürlich sei es besser, kratzen zu vermeiden, um die Haut nicht zu schädigen. Zudem stärke ständiges Kratzen die sogenannte Haut-Hirn-Achse, sodass sich die Patienten immer mehr auf den Juckreiz fokussierten.
Wichtiger als die Ermahnung, nicht zu kratzen, sei jedoch die akute Linderung mit den genannten Maßnahmen. In einer Juckreizambulanz gibt es dafür zudem weitere Möglichkeiten, wie die kurzzeitige Anwendung von Capsaicin-Pflastern unter ärztlicher Aufsicht, erläutert Ständer. Entsprechende Juckreizambulanzen gibt es zwar erst an einigen Kliniken in Deutschland. »In den letzten Jahren konnten wir jedoch erreichen, dass sich das Wissen zum Thema Juckreiz in dermatologischen Praxen besser bekannt ist«, sagt Ständer, die an der Erstellung der S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus beteiligt war. Da die Leitlinie schon seit über 15 Jahre in Deutschland erhältlich sei und Pruritus oft Bestandteil der medizinischen Ausbildung der Dermatologen, sei Juckreiz heute in der Regel besser zu behandeln.
Juckreiz kann unerträglich sein. Die Ermahnung, nicht zu kratzen, sollte vermieden werden, sie setzt Betroffene unnötig unter Druck. Hilfreicher sind Tipps zur akuten Juckreizstillung wie kalte Umschläge oder die Haut zu drücken, statt zu kratzen und nachts Baumwollhandschuhe zu tragen, um Verletzungen zu vermeiden.
Vermeiden:
Die Ernährung spielt dagegen bei trockener Haut eine untergeordnete Rolle. Zwar kann ein Eisenmangel Hautprobleme fördern und sollte ausgeglichen werden, wenn er nachgewiesen ist. Eisenpräparate auf Verdacht einzunehmen, ist jedoch nicht ratsam. Eine ausgewogene Ernährung, die alle wichtigen Vitalstoffe liefert, zum Beispiel auch die für die Hautgesundheit wichtigen B-Vitamine, ist dagegen in jedem Fall wichtig. »Gezielt gegen trockene Haut lässt sich über die Ernährung jedoch wenig machen«, weiß die Hautärztin, »dagegen erreicht man durch die topische Therapie mit geeigneten Pflegeprodukten einen unmittelbaren Effekt«.
Informationen zum Thema Hautgesundheit, wie die Leitlinien zu Chronischem Pruritus, Neurodermitis oder Handekzem sowie eine Datenbank deutscher Hautkliniken bietet die Deutsche Gesellschaft für Dermatologie unter www.derma.de.