Gesund durch basische Ernährung? |
Ein direkter Einfluss des Säure-Basen-Haushalts auf andere Stoffwechselprozesse sei nicht belegt, so Kabisch. Die Magensäure könne basische Lebensmittel abpuffern. Puffersysteme im Körper würden nicht »verbraucht«, Überschüssiges werde abgeatmet oder ausgeschieden. Die Zufuhr basenbildender Lebensmittel sei bei tatsächlicher metabolischer Azidose (siehe Kasten 2) sinnvoll und notwendig, ansonsten aber ohne medizinische Relevanz.
Stark verarbeitete Produkte gelten als Säurebildner. Sie können laut Theorie mit dem Verzehr basischer Lebensmittel »neutralisiert« werden. / Foto: Fotolia/lassedesignen
Mediziner der Goethe-Universität Frankfurt hatten sich in der Vergangenheit ebenfalls mit den Theorien zum Säure-Base-Haushalt befasst. Ihr Bericht »IGeL kritisch betrachtet: Die Säure-Basen-Analyse im Rahmen der orthomolekularen Medizin« war 2008 in der Zeitschrift für Allgemeinmedizin erschienen. Das Team hatte eine Literaturrecherche zu verschiedenen Fragen durchgeführt: unter anderem, ob mit Messverfahren zur Säure-Basen-Analyse eine Übersäuerung der Körperzellen bei ansonsten gesunden Menschen zuverlässig bestimmt werden kann, ob ein Zusammenhang zwischen einer Übersäuerung der Körperzellen und dem Auftreten von Tumoren, Arteriosklerose, Arthrose und Osteoporose wissenschaftlich nachweisbar ist und ob die Einnahme basischer Substanzen das Erkrankungsrisiko senken oder Erkrankungen gar therapieren kann. Die Antwort lautete in allen Fällen: Nein. Einige Studien zeigten zwar positive Effekte, schreiben die Autoren, beinhalteten jedoch methodische Fehler und seien damit nicht aussagekräftig.
Allerdings: Eine ausgewogene basenreiche Kost, die vor allem aus pflanzlichen Lebensmitteln besteht, ist natürlich nicht schädlich, sondern sogar sehr gesund. Nur wer komplett auf als sauer eingestufte tierische Nahrungsmittel verzichtet, könne unter Umständen einen Vitamin-B12-Mangel entwickeln. Die Einnahme von Basenpulver sei bei ordnungsgemäßer oraler Anwendung ungefährlich, schreiben die Autoren.
Der Körper verfügt über Regelmechanismen, die die intra- und extrazelluläre Protonenkonzentration und damit den pH-Wert konstant halten. Der pH-Wert im Blut ist die wichtigste Messgröße: Er sollte im arteriellen Blut 7,40 ± 0,05 betragen, weil viele Stoffwechselvorgänge dann ihr Funktionsoptimum haben. Puffersysteme, etwa der Bicarbonat-Puffer und der Phosphat-Puffer, verhindern eine starke Verschiebung des pH-Wertes, wenn ihnen eine Säure oder Base zugesetzt wird. Bei gesunden Menschen regelt der Körper über diese Puffersysteme akut auftretende Abweichungen selbst.
Krankhafte Schwankungen des pH-Wertes können atmungs- (respiratorisch) oder stoffwechselbedingt (metabolisch) auftreten. Bei einer Azidose sinkt der pH-Wert unter 7,35, bei einer Alkalose steigt er über 7,45. Eine respiratorische Azidose kann akut auftreten, etwa bei einem Asthmaanfall: Dem Körper gelingt es nicht mehr, genug CO2 abzuatmen.
Eine verminderte Ausscheidung von Protonen oder ein verstärkter Bicarbonat-Verlust können eine metabolische Azidose verursachen. Ursache können etwa ein langandauernder Hungerzustand, eine Methanolvergiftung, eine Niereninsuffizienz oder ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus sein. Bei letzterem kann es zu einer diabetischen Ketoazidose kommen: Es werden zu viele Ketonkörper gebildet, die den pH-Wert absenken. Eine Ketoazidose ist ein akuter Notfall, der zum ketoazidotischen Koma und Tod führen kann.