Gesunder Arbeitsplatz – ein Obstkorb reicht nicht |
Für die Gesundheit der Mitarbeiter: Wichtiger als gesundes Essen anzubieten ist Experten zufolge eine positive Grundstimmung im Unternehmen mit Vertrauen und Wertschätzung. / Foto: Getty Images/Tetra Images
Man erkenne die Qualität des Gesundheitsmanagements daran, ob ein Großteil der Kollegen daran teilnimmt, sagt Dirk Hübel, Vorstand des Bundesverbands betriebliches Gesundheitsmanagement (BBGM). Wenn die Kolleginnen und Kollegen dann noch in der »Wir-Form« sprächen, sei das eine Form der Loyalität und Ausdruck einer hohen Partizipation. Also etwa: Wir haben jetzt montags einen Rückenkurs, kommst Du mit? »Das bedeutet, dass viele die Maßnahmen wahrnehmen und sich damit identifizieren«, sagt Hübel.
Führungskräfte spielen dabei eine entscheidende Rolle. Laut Hübel bieten sie Orientierung und haben eine Vorbildfunktion – auch bei betrieblichen Gesundheitsangeboten. »Im Optimalfall nehmen sie aktiv teil und sprechen darüber mit ihren Mitarbeitern.«
Welche Maßnahmen sinnvoll sind, hängt immer vom Unternehmen ab. «Das Angebot muss zu den Mitarbeitern und den Rahmenbedingungen passen», sagt der Sportwissenschaftler. Der obligatorische Rückenkurs oder Obstkorb würden nur helfen, wenn damit auch der Bedarf der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gedeckt werde. Vielmehr gehe es beim betrieblichen Gesundheitsmanagement um eine Optimierung der Arbeitsverhältnisse. Dazu gehört die Ergonomie der Arbeitsmittel ebenso wie die Verpflegung beispielsweise in der Kantine oder Suchtprävention und die Reduzierung von Dauerstress-Quellen.
Gibt es für all das in ihrem Betrieb Ansprechpartner? Ist im Unternehmen eine Person für das Gesundheitsmanagement verantwortlich und hat sie oder er eine Stellvertretung? Diese Fragen helfen bei einer Einschätzung der Qualität.
Der Fokus beim betrieblichen Gesundheitsmanagement sollte laut Hübel dabei auf psychosoziale Aspekte gelegt werden, auf eine positive Grundstimmung. Wichtig sei eine aktive Kultur des Vertrauens und der Wertschätzung im Unternehmen, sowohl unter Kollegen als auch zwischen Führungskräften und Mitarbeitern.
Nichtsdestotrotz: Die gesundheitsorientierte Ausrichtung der Kantine auf gesundes Essen lohne sich immer, so der Experte. Ein vegetarisches Gericht pro Woche sei aber nicht ausreichend. Größeren Effekt hat vielleicht ein »Obst- und Gemüsebeauftragter«: Eine Person, die Obst und Gemüse liebevoll in mundgerechte Happen zuschneidet, die mal eben im Vorbeigehen mitgenommen werden können. »Dabei geht es vordergründig um den wertschätzenden Aspekt – eine Person investiert extra Zeit für das Wohlergehen der Kollegen«, sagt Hübel.
Das Angebot in der Kantine lässt sich Susanne Leitzen, Verantwortliche aus dem Fachbereich »Job & Fit – Mit Genuss zum Erfolg!« bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), zufolge anhand verschiedener Punkte bewerten: Gibt es eine Salat- und Gemüsebar? Wechselt das Angebot je nach Saison? Steht mindestens einmal in der Woche ein Gericht mit Fisch auf der Speisekarte? Wird täglich ein vegetarisches Gericht angeboten?
Ein richtiges Gesundheitsmanagement funktioniere letztendlich immer nur «top-down», also von der Führungsebene zu den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, stellt Hübel klar. Deshalb sollten Angestellte ihren Bedarf den Vorgesetzten anzeigen. Beschäftigte können beispielsweise im Kollegenkreis fragen, ob andere ebenfalls Bedarf sehen und das Thema etwa im nächsten Mitarbeitergespräch anbringen, rät Hübel. Wenn Mitarbeiter ohne die Unterstützung der Führungsebene eigenständig versuchen, Gesundheitsmaßnahmen umzusetzen, seien diese erfahrungsgemäß oft nicht von Dauer.
Leitzen schlägt Beschäftigten dennoch vor, selbst aktiv zu werden: «Legen Sie zusammen und bestellen Sie einen Obst- und Gemüsekorb für Ihr Büro. Oder bereiten Sie zusammen kleine, gesunde Snacks für alle vor, verbannen Sie Süßigkeiten und ordern Sie Mineralwasser für Ihr Büro.« So entfalle das Mitbringen von zu Hause.
Auch kleine Challenges unter Kollegen, wie fünf Portionen Gemüse und Obst am Tag, 1,5 Liter Wasser trinken oder 10.000 Schritte am Tag gehen, können der Ökotrophologin zufolge die Gesundheit fördern.
Ein weiterer Faktor, der im Job auf die Gesundheit schlagen kann, ist Stress. Dass auch durch eine Dauerbe- oder -überlastung massive gesundheitliche Probleme entstehen können, erwähnt in diesem Zusammenhang der Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) in einer Pressemitteilung. Auch hier können Arbeitnehmer selbst für Ausgleich sorgen. Symptome und Warnsignale sollten frühzeitig erkannt werden, um Stresssituationen besser verarbeiten zu können.
Wer über Tage oder Woche nicht zur Ruhe komme, reagiere nervös und gereizt, erklärt Friederike Habighorst-Klemm, Vorstandsmitglied des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg. Träten Symptome wie Schlaflosigkeit, innere Unruhe und Schmerzen, Sehstörungen, Ohrgeräusche oder eine Ängstlichkeit auf, sei es höchste Zeit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um ernstere gesundheitliche Probleme zu vermeiden. Denn: Unter Stress wird das Herz-Kreislauf-System stärker belastet und ein Dauer-Ausnahmezustand kann das Immunsystem schwächen. »Wer über Wochen und Monate unablässig unter hoher Anspannung steht, wird immer empfindlicher für weiteren Stress. Sehr schnell kann so ein Teufelskreis entstehen, aus dem Betroffene nur noch schwer ausbrechen können und dann ärztliche Hilfe benötigten.«
Für die Apothekerin lauten die besten Gegenmittel immer noch Ruhe und Entspannung. Konkret empfiehlt sie, Pausen bewusst einzuhalten, das Schlafverhalten zu überprüfen und sich zu bewegen. »Längere Spaziergänge in der Natur – egal wie lang oder kurz – oder auch andere Aktivitäten, die Freude machen, bringen eine Entlastung«, so Habighorst-Klemm. Wichtig seien auch konsequent arbeitsfreie Zeiten.
Arzneimittel auf pflanzlicher Basis könnten zudem beruhigend, ausgleichen und sogar stärkend wirken. Habighorst-Klemm: »Am bekanntesten ist wohl der Baldrian. Häufig wird er zusammen mit Hopfen und Melisse angeboten. Diese Kombination kann vor allem schlafanstoßend wirken.« Wichtig sei, dass die Wirkstoffe ausreichend hoch dosiert sind. Gleiches gelte für Arzneimittel mit den Heilpflanzen Lavendel, Rosenwurz oder Johanniskraut. »Sie können Nervosität und Ängstlichkeit reduzieren und neue Kraft geben.« Wichtig sei aber, so Habighorst-Klemm, diesen pflanzlichen Präparaten Zeit zu geben: »Es dauert oft mindestens eine Woche oder etwas darüber hinaus, bis sich die erwartete Wirkung einstellen kann.«