Glutenfreie Ernährung im Alltag |
Darf ein Familienmitglied kein Gluten essen, braucht man in der Küche strikte Trennungen von Lagerung und Verarbeitung Gluten-haltiger und Gluten-freier Nahrungsmittel. / Foto: Adobe Stock/Monkey Business
Die Auswahl glutenfreier Diätprodukte hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Man findet sie nicht mehr ausschließlich in Apotheken und Reformhäusern, sondern auch in den meisten größeren Supermärkten. Erkennbar sind sie am offiziellen Glutenfrei-Symbol der durchgestrichenen Ähre. Dieses garantiert, dass der Glutengehalt unter zwei Milligramm pro 100 Gramm (20 ppm) liegt.
Gerade zu Beginn der Diät müssen die Betroffenen jedoch offen und experimentierfreudig sein, sich auf die neuen Produkte einlassen oder sich mit dem Geschmack anfreunden. Dieser kann durchaus anders ausfallen als gewohnt. Glücklicherweise gibt es inzwischen für die meisten Produkte einige Alternativen. Wenn die Nudeln eines Herstellers nicht schmecken, kann auf einen anderen ausgewichen werden. Das ist gerade für Kinder wichtig, damit sie die Therapie nicht boykottieren.
Ein wenig Umstellung erfordert das Backen mit glutenfreien Mehlen. Zunächst gilt es herauszufinden, welche glutenfreien Alternativen den eigenen Geschmack treffen. Gute Ergebnisse lassen sich mit Mais, Reis oder Hirse, aber auch mit glutenfreien Mehlpflanzen (sogenannte Pseudogetreide) erzielen. Dazu gehören Buchweizen, Quinoa, Maniok, Amaranth, Kartoffeln und Teff. Auch Mehle aus Hülsenfrüchten, Kastanien, Lupinen, Nüssen, Hanf, Tempura und Tapioka können verarbeitet werden.
Die Backeigenschaften dieser Mehle unterscheiden sich aufgrund des fehlenden Glutens von denen herkömmlicher Mehle. Bekannte Rezepte eins zu eins zu ersetzen, klappt leider oft nicht. Inzwischen gibt es jedoch zahlreiche Kochbücher und Blogs, die eine umfangreiche Sammlung an erprobten Rezepten bieten.
Weil alle Obst- und Gemüsesorten, Fleisch und Fisch, Milch und Eier von Natur aus kein Gluten enthalten, können Betroffene diese Nahrungsmittel ohne Folgen essen. Probleme können die industriell verarbeiteten Varianten dieser Lebensmittel bereiten. So stecken in Pommes, Kroketten, Fertigsuppen, Bonbons, Speiseeis, Ketchup, Frischkäsezubereitungen, Milchprodukten mit Frucht, Wurst, Schokolade, Chips und Gewürzmischungen glutenhaltige Verdickungsmittel, Emulgatoren oder Stabilisatoren. Deshalb müssen Menschen mit Zöliakie immer die Zutatenliste studieren. Selbst die Inhaltsstoffe regelmäßig konsumierter Produkte sollten sie immer kontrollieren, da die Hersteller sie mitunter ändern.
Viele Hersteller deklarieren inzwischen ihre Produkte mit dem Aufdruck »Kann Spuren von Gluten enthalten«. In erster Linie handelt es sich dabei um eine rechtliche Absicherung, Betroffene kann die Beschriftung jedoch verunsichern. Viele Betroffenenverbände wie die Deutsche Zöliakie Gesellschaft (DZG) raten in diesem Fall, auf die von ihnen ausgegebenen Listen glutenfreier Lebensmittel zurückzugreifen. Sie wurden in Rücksprache mit den Herstellern erstellt. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass diese Listen nicht immer auf dem neuesten Stand sind. Deshalb ist es ratsam, Hersteller selbst zu kontaktieren. In der Regel geben diese umfassend Auskunft, ob sich ein Produkt für Zöliakiepatienten eignet.
Das Hauptrisiko für von Zöliakie Betroffene sind unbemerkte Kontaminationen im Herstellungs-, Verarbeitungs- und Lagerungsprozess. Unmittelbar nach der Diagnose müssen Betroffene deshalb den kompletten Haushalt umstrukturieren, reinigen und einige Geräte neu anschaffen. Dazu gehören zum Beispiel Toaster, Handrührgeräte sowie Koch- und Backutensilien aus Holz und Kunststoff, die starke Gebrauchsspuren aufweisen. Aus ihnen lassen sich glutenhaltige Reste nur schwer entfernen, ein Toaster oder ein Handrührgerät lassen sich nicht vollständig reinigen. Bleiben sowohl glutenhaltige als auch glutenfreie Geräte in Betrieb, empfehlen Experten, sie farblich zu markieren. So können auch Kinder die Trennung leicht einhalten.
Das spielt besonders dann eine wichtige Rolle, wenn zeitgleich glutenfreie und glutenhaltige Speisen zubereitet werden. So dürfen die Köche zuhause etwa beim Kochen von Nudeln das Nudelwasser niemals mit demselben Löffel umrühren. Frittieren in Öl, indem zuvor glutenhaltige Speisen frittiert wurden, ist ebenfalls nicht erlaubt. Über Brotaufstriche wie Butter oder Marmelade können Krümel auf glutenfreies Brot gelangen, wenn diese für glutenhaltige und glutenfreie Backwaren gleichzeitig genutzt werden. Betroffene Familien müssen deshalb separates, sauberes Besteck verwenden oder sie dürfen die Produkte nicht gemeinsam nutzen.
Auch vor dem Vorratsschrank macht die Trennung nicht Halt: Gluten-freie Lebensmittel gehören immer ganz nach oben, damit keine Gluten-haltigen Krümel oder Mehlstaub nach unten fallen. Dasselbe gilt für den Backofen. Wer glutenfreie Backwaren und solche, die Gluten enthalten zeitgleich bäckt, sollte das glutenfreie Backblech immer über dem glutenhaltigen einschieben. Vielfach wird auch empfohlen, in diesem Fall keine Umluft zu verwenden.
Was sich zu Hause noch gut kontrollieren lässt, wird im Kindergarten oder in der Schule, bei Veranstaltungen, im Restaurant oder der Eisdiele zur Herausforderung. Um den Diätvorgaben zu entsprechen, müssen Menschen mit Zöliakie auch Auswärts penibel darauf achten, kein Gluten zu sich zu nehmen. Das erfordert immer wieder, genau nachzufragen, Rücksprachen mit dem Koch zu halten und nicht selten auch, verzichten zu müssen.
Auf der sicheren Seite sind Betroffene in zertifizierten Gastronomiebetrieben. Hier wurden die Mitarbeiter durch die DZG geschult und die Betriebe werden regelmäßig kontrolliert. In Kita und Schule hänge die Vermeidung möglicher Diätfehler wesentlich von der Einstellung des pädagogischen Fachpersonals ab, sagt Bianca Maurer in einer Presseaussendung der DZG. Die Experten raten Eltern, Pädagogen und Küchenpersonal, umfassend über die Bedürfnisse der Kinder zu informieren. Kostenlose Informationsmaterialien dafür stellt zum Beispiel die DZG zur Verfügung.
Gluten ist auch ein häufiger Bestandteil von Medikamenten und Kosmetik. Weizenstärke etwa dient häufig als Hilfsstoff bei der Tablettenherstellung. Aber auch Säfte, Dragees, Pulver oder Nasentropfen enthalten mitunter Gluten. Fragt ein Kunde nach Arzneimitteln ohne Gluten, sollten PTA zunächst die Inhaltsstoffe überprüfen. Ist Gluten als Bestandteil von Aromen enthalten, findet sich die Angabe häufig nicht in der Zutatenliste. Hier hilft nur, den Hersteller zu kontaktieren oder auf die DZG zurückzugreifen. Die Gesellschaft gibt jährlich eine Liste mit Medikamenten heraus, die kein Gluten enthalten.
Produkte zur rein äußerlichen Anwendung wie Shampoos, Duschgels oder Körpercremes schaden Zöliakie-Patienten nach derzeitigem Kenntnisstand nicht. Eine Ausnahme bilden Kinder. Da diese die Hände häufig in den Mund nehmen, beim Baden durchaus mal das Badewasser verschlucken oder das Shampoo in den Mund gelangt, rät die DZG ausdrücklich zu Produkten frei von Gluten. Das gilt übrigens auch für Spielmaterialien wie Knete, Stifte oder Klebstoff. Kosmetik- und Hygieneartikel, die im Mund- und Gesichtsbereich angewendet werden, wie zum Beispiel Mundspülungen, Zahncremes, Lippenstifte, Gesichtscremes, Makeup oder Gesichtsreinigungsprodukte, sollten auch bei Erwachsenen mit Zöliakie kein Gluten enthalten. Sie können leicht über den Mund in den Magen-Darm-Trakt gelangen.