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Genitalverstümmelung

Grausame Menschenrechtsverletzung

Bei der weiblichen Genitalverstümmelung werden die äußeren Genitalien ohne medizinischen Grund teilweise oder komplett entfernt. Betroffene Mädchen und Frauen haben ein Leben lang mit enormen körperlichen und psychischen Folgen zu kämpfen. Viele Länder setzen auf Aufklärung, um der grausamen Tradition ein Ende zu bereiten.
Carina Steyer
06.02.2023  08:00 Uhr

Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO sind weltweit mindestens 200 Millionen Mädchen und Frauen an den Genitalien verstümmelt. Die meisten von ihnen leben in rund 30 Ländern Afrikas und des Nahen Ostens sowie in einigen asiatischen und lateinamerikanischen Ländern. Doch auch in Europa stieg die Zahl der Betroffenen als Folge von Migrationsbewegungen in den vergangenen Jahren deutlich an. Nach Angaben des Europäischen Parlaments geht man in der Europäischen Union derzeit von rund 600.000 Mädchen und Frauen aus. Der Verein Terre des Femmes beziffert die Zahl der Betroffenen in Deutschland auf knapp 75.000, weitere 20.000 gelten als gefährdet, Opfer einer Genitalverstümmelung zu werden (Stand 2020).

Die von praktizierenden Gemeinschaften als »Beschneidung« bezeichnete weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, kurz FGM) ist ein grausames Ritual. Sie erfolgt ohne Betäubung mit alten Messern, Rasierklingen, Scherben oder Scheren. In der 15 bis 20 Minuten dauernden Prozedur werden die Kinder meist von mehreren Erwachsenen festgehalten, wodurch es zu Brüchen am Oberarm, Oberschenkel und Schlüsselbein kommen kann. Traumatisierend wirkt die Tatsache, dass es meist die Mutter und andere nahestehende Frauen sind, die die Mädchen festhalten. Nicht minder traumatisierend wirkt das in einigen Regionen bestehende Verbot, die empfundenen Schmerzen während der Prozedur sowie danach zu äußern. Langfristig leiden Betroffene durch den Eingriff unter einem Gefühl von Unvollständigkeit und Minderwertigkeit, Vertrauensverlust, Angst und Depressionen sowie Verhaltensstörungen.

Alle Formen der Genitalverstümmelungen (Kasten) verursachen starke Blutungen. Um diese zu stoppen, werden Asche, Kräuter, kaltes Wasser, Pflanzensäfte oder Blätter verwendet. Nicht selten verbluten die Kinder. Auch die hygienischen Bedingungen sind katastrophal. Die verwendeten Werkzeuge werden weder sterilisiert noch desinfiziert und bei mehreren Mädchen nacheinander eingesetzt. Das Infektionsrisiko und die Übertragung von Infektionen wie HIV ist dementsprechend hoch. Akute Komplikationen wie hohes Fieber, Tetanus, Gangrän, ein septischer Schock und Harnverhalt sind häufig, die medizinische Hilfe in vielen Regionen begrenzt. Die WHO geht davon aus, dass etwa 10 Prozent der Betroffenen an den akuten Folgen einer Beschneidung versterben.

Ein Leben lang

Sind die Verletzungen verheilt, haben Betroffene mit chronischen Komplikationen zu kämpfen. Dazu gehören Harn- und Stuhlinkontinenz, Harnverhalt, rezidivierende Harnwegsinfekte, Blutungsstörungen sowie chronische Entzündungen der Eileiter, Eierstöcke und Gebärmutterschleimhaut. Letztere können zu Verklebungen der Organe und nachfolgender Sterilität führen.

Der Verlust der Klitoris schränkt die Sexualität der betroffenen Frauen ein. Wie stark diese ausfällt, lässt sich in Ländern mit einer Tabuisierung der (weiblichen) Sexualität kaum erheben. Insbesondere nach Typ-III-Verstümmelungen ist davon auszugehen, dass die Mehrheit der Betroffenen Sexualität als wiederholt schmerzhafte Erfahrung mit Unterwerfung der Frau ansieht und die Entwicklung einer positiven sexuellen Beziehung kaum möglich ist.

Auswirkungen haben Genitalverstümmelungen auch auf Verlauf und Ausgang von Schwangerschaften. Sie können vaginale Vorsorgeuntersuchungen unmöglich machen, den Geburtsverlauf verzögern und den Tod von Mutter und Kind verursachen. Einige Frauen ernähren sich nicht ausreichend, damit das Kind nicht seine volle mögliche Größe erreicht. Nach Typ-III-Verstümmelungen muss der Scheideneingang für die Geburt geöffnet werden, was erneut starke Blutungen und Anämien verursacht. Wie hoch die Komplikationsrate tatsächlich ist, lässt sich kaum erheben. Die WHO geht davon aus, dass sich das Risiko der Mütter- und Kindersterblichkeit durch Genitalverstümmelungen entscheidend erhöht.

Aufklärungsarbeit

Traditionell werden Genitalverstümmelungen zwischen dem siebten und zwölften Lebensjahr durchgeführt. In manchen Gegenden Ostafrikas finden sie auch erst in der Hochzeitsnacht, in Westafrika während der ersten Schwangerschaft statt. In Extremfällen wie häufig in Äthiopien und Nigeria sind die Kinder gerade einmal sieben oder acht Tage alt.

In den vergangenen Jahren beobachteten Experten, dass immer mehr praktizierende Gemeinschaften mit ihren Traditionen brechen. Die Kinder werden in immer jüngeren Jahren verstümmelt, oft schon im Baby- oder Kleinkindalter. Vermutet wird, dass dadurch unangenehme Fragen der Schulbehörden vermieden werden sollen und das Wehren der Mädchen gegen den Eingriff unterbunden werden soll.

Die meisten Länder, in denen Genitalverstümmelungen praktiziert werden, gehen inzwischen aktiv dagegen vor. Dabei setzen sie neben strafrechtlicher Verfolgung vor allem auf Aufklärungsarbeit. Denn rationale Begründungen für weibliche Genitalverstümmelungen gibt es nicht. Die Gemeinschaften verweisen auf Traditionen oder religiöse Argumente. Der soziale Druck für Mädchen und ihre Familien ist enorm. Frauen ohne Eingriff werden aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, Mädchen können nicht verheiratet werden, wodurch ihnen ihre vermeintlich einzige Chance auf materielle Sicherheit genommen wird. Dazu existieren unendlich viel Falschwissen und abstruse Mythen über den weiblichen Körper. So wird zum Beispiel angenommen, dass die Klitoris Grund für Unfruchtbarkeit sei, Neugeborene versterben würden, wenn sie bei der Geburt die Klitoris berühren oder die Entfernung der einzige Schutz vor Prostitution sei.

Verstoß gegen Menschenrechte

Aus menschenrechtlicher Sicht ist FGM ein Versuch, Frauen eine untergeordnete Stellung zuzuweisen, indem man sie mit einem Stigma versieht, das sie stets daran erinnert, »nur Frauen« zu sein. Der Eingriff gilt weltweit als schwere Menschenrechtsverletzung und schwerer Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonventionen.

In der EU gilt FGM als Straftat. In Deutschland sieht der Strafrahmen eine Freiheitsstrafe zwischen 1 und 15 Jahren vor. Eine eventuelle Einwilligung der Patientin in den Eingriff entfaltet keine rechtfertigende Wirkung, da die Tat gegen die »guten Sitten« verstößt (§ 228 StGB). Auch wenn Eltern ihre Tochter für eine Genitalverstümmelung ins Ausland bringen, können sie dafür strafrechtlich verfolgt werden. Dafür reicht es, dass das Kind einen deutschen Wohnsitz hat. Deutschen Staatsbürgern droht zudem der Entzug des Passes.

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