Grippe-Impfung in der Apotheke |
Gegen Grippe impfen, das wird künftig mehr und mehr auch von Apothekerinnen und Apothekern geleistet werden. / Foto: Getty Images/Manit Chaidee
Aufklärung und ein niederschwelliger Zugang zu Impfungen sind mögliche Schlüssel, um die Impfquote zu erhöhen. Für beides ist die Apotheke prädestiniert. Mit dem Inkrafttreten des »Gesetzes zur Zahlung eines Bonus für Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen«, kurz Pflegebonusgesetz, dürfen Apothekerinnen und Apotheker nicht nur dafür werben, sondern die Grippeschutzimpfung auch gleich vor Ort durchführen. Dazu wurde das Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 durch den § 20c ergänzt, der Apotheker berechtigt, Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, gegen die Influenza zu impfen.
Impfapotheker müssen allerdings zwei Voraussetzungen erfüllen: Erstens müssen sie ärztlich geschult worden sein und zweitens führen sie die Grippeschutzimpfung für eine öffentliche Apotheke durch, zu deren Personal sie gehören. In der Schulung erfahren die Apotheker, was bei der Durchführung der Impfung einschließlich der Aufklärung und Einholung der Einwilligung der zu impfenden Person zu beachten ist, welche Kontraindikationen es gibt und was im Falle einer eventuellen akuten Impfreaktion zu tun ist. Einer ärztlichen Schulung bedarf es nicht mehr, wenn ein Apotheker bereits erfolgreich eine solche absolviert hat, um an Modellvorhaben teilzunehmen oder Schutzimpfungen gegen SARS-CoV-2 durchzuführen.
Weitere Vorgaben für Impfungen in der Apotheke legt die aktualisierte Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) fest. Es müssen eine geeignete Räumlichkeit vorhanden sein, die mit Sitzmöglichkeiten und einer Liege ausgestattet ist, sowie ein Wartebereich. Die Nutzung der Räumlichkeit zum Impfen darf den ordnungsgemäßen Betrieb der Apotheke nicht stören. Es dürfen keine Räume zum Impfen genutzt werden, die für einen anderweitigen Zweck vorgesehen und in denen die notwendigen Hygienemaßnahmen nicht umsetzbar sind. Das Apothekenpersonal muss zudem ausschließen, dass ein unbefugter Zugriff auf apothekenpflichtige Arzneimittel, Ausgangsstoffe und Chemikalien erfolgen kann. Die Impf-Räumlichkeiten müssen in »angemessener Nähe zu den übrigen Betriebsräumen« liegen, Ausnahmen von der Raumeinheit sind jedoch zulässig. Sowohl beim Aufklärungsgespräch als auch bei der Durchführung der Grippeschutzimpfung muss die Privatsphäre der zu impfenden Person geschützt sein. Das können optische Barrieren an Türen und Fenstern sicherstellen wie opakes Glas oder Jalousien.
Weiterhin schreibt die ApBetrO vor, dass »geeignete Hygienemaßnahmen zum Schutz der zu impfenden Person und des Apothekenpersonals zu treffen« sind. Das erfordert zusätzlich zur Grundreinigung weitere Maßnahmen hinsichtlich der Personal- und Händehygiene sowie der Hygiene von Flächen vor und nach der Impfung. Die entsprechenden Vorgaben legt das Apothekenteam im Hygieneplan fest.
Spätestens eine Woche bevor es mit dem Impfen losgehen soll, zeigen Apothekenleitende der zuständigen Behörde an, dass sie Influenzaimpfungen in ihrer Apotheke durchführen möchten und welche Räumlichkeiten sie dafür vorsehen. Auch an einen ausreichenden Versicherungsschutz ist zu denken. So schreibt die ApBetrO vor, dass für die Apotheke eine Betriebshaftpflichtversicherung bestehen muss, die mögliche Schädigungen aus der Durchführung der Grippeschutzimpfung abdeckt.
Eine weitere Voraussetzung fürs Impfen ist, dass der Grippeimpfstoff für die aktuelle Saison in ausreichender Menge in der Apotheke verfügbar ist. Als Impfstoffe sind seit 2018 tetravalente Vakzine Standard in Deutschland. Für Personen ab 60 Jahren sollen laut Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) bevorzugt hoch dosierte Vakzine verwendet werden. Der Hochdosis-Influenzaimpfstoff wird jedoch voraussichtlich in der Grippesaison 2022/2023 nicht in ausreichender Menge verfügbar sein. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat daher die »Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen Influenza und Masern« verlängert, sodass Versicherte ab 60 Jahren bis zum 31. März 2023 neben dem hoch dosierten auch einen herkömmlichen inaktivierten, tetravalenten Influenzaimpfstoff erhalten können.
Das Apothekenteam kann Menschen, für die eine Influenzaimpfung empfehlenswert ist, auf das Angebot hinweisen. Die STIKO empfiehlt die Grippeschutzimpfung als Standardimpfung allen Personen ab 60 Jahren. Als Indikationsimpfung ist sie wichtig für alle Schwangeren ab dem zweiten Trimenon und bei erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge einer Grunderkrankung schon früher sowie für Patienten mit bestimmten chronischen Grundleiden. Ebenso legt die Kommission Bewohnern von Alters- oder Pflegeheimen und Personen, die im selben Haushalt wie von ihnen betreute Risikopersonen leben, die Impfung nahe. Eine weitere Risikogruppe sind Personen mit erhöhter Gefährdung, etwa medizinisches Personal, Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr und Personen mit erhöhter Gefährdung durch direkten Kontakt zu Geflügel und Wildvögeln. Die Influenzaimpfung ist auch für viele Reisende empfehlenswert.
Echte Kontraindikationen sind eine schwere akute Erkrankung, ein fieberhafter Infekt mit einer Temperatur von mehr als 38,5 °C oder eine Überempfindlichkeit gegen Bestandteile des Impfstoffes. Patienten mit allergischen Reaktionen, hohem Fieber oder anderen ungewöhnlichen Reaktionen nach einer früheren Impfung verweist das Apothekenteam sicherheitshalber an einen Arzt für die Impfung. Das Gleiche gilt für Schwangere. Auch wenn ein operativer Eingriff innerhalb der nächsten drei Tage geplant ist oder der Patient Arzneimittel einnimmt, die die Blutgerinnung beeinflussen wie Marcumar, erfolgt die Impfung besser unter ärztlicher Aufsicht.
Impfen dürfen ausschließlich geschulte Apotheker, auch dürfen nur sie die Aufklärung, die Anamnese und das Einholen der Einwilligung vornehmen. Dabei können die Leitlinien, Arbeitshilfen und Formblätter der Bundesapothekerkammer (BAK) unterstützen. Das Material wurde für die Durchführung der Grippeimpfung als Modellvorhaben erstellt und kann auf der ABDA-Website heruntergeladen werden.
Kommt ein Patient mit einem Impfwunsch in die Apotheke, klärt der Apotheker ihn zunächst über die Schutzimpfung auf und erläutert, was ihr Nutzen ist und welche Krankheit damit genau verhindert wird. Er weist auch auf mögliche Nebenwirkungen, Komplikationen und Kontraindikationen hin und empfiehlt Verhaltensmaßnahmen im Anschluss an die Impfung. Zu den normalen Impfreaktionen zählen für die Dauer von wenigen Tagen anhaltende Lokalreaktionen in Form von leichten Schmerzen, Rötung und Schwellung an der Injektionsstelle. Ein bis zwei Tage lang nach der Impfung können auch grippale Symptome wie Fieber, Frösteln oder Schwitzen, Müdigkeit und Kopf-, Muskel- oder Gliederschmerzen auftreten. Angaben zu Art und Häufigkeit der Nebenwirkungen finden sich in den Fachinformationen der einzelnen Impfstoffe. Als Impfkomplikation gilt eine über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehende gesundheitliche Schädigung. Impfkomplikationen sind meldepflichtig.
Wenn alle Fragen geklärt sind und keine Kontraindikationen vorliegen, bekommt der Patient das dem Impfstoff entsprechende Aufklärungsmerkblatt ausgehändigt. Die Einverständniserklärung wird unterschrieben und eine Kopie erhält der Patient. Die durch die ApBetrO geforderten Daten werden für die apothekeneigene Dokumentation festgehalten. Nach erfolgter Impfung ist die Dokumentation der Grippeschutzimpfung für die Dauer von zehn Jahren ab dem Datum, an dem die Impfung durchgeführt wurde, aufzubewahren. Entscheiden sich Patient und/oder Apotheker nach der Aufklärung oder Anamnese gegen eine Impfung, ist keine Dokumentation erforderlich.
Wie die Impfung praktisch durchzuführen ist, lernen Apotheker in einer Praxisschulung, die die zuständige Apothekerkammer anbietet. Die einzelnen Arbeitsschritte sind in einer Standardarbeitsanweisung (SOP) festgelegt, die am Arbeitsplatz einsehbar ist.
Die im Kühlschrank aufbewahrte Fertigspritze wird ausgepackt und temperiert. Der Apotheker zieht währenddessen die Schutzkleidung an und desinfiziert sich die Hände. Zum Impfen legt oder setzt sich der Patient auf die Liege und macht einen Oberarm frei. Als Erstes wird die Einstichstelle desinfiziert. Dann macht der Apotheker die Fertigspritze gebrauchsfertig und orientiert sich dabei an den Herstellerangaben.
Damit das Immunsystem auf den Impfstoff reagieren kann, muss die Vakzine in die Blutbahn gelangen. Der Impfstoff wird jedoch nicht direkt in ein Gefäß injiziert, sondern je nach Zulassung (tief) subkutan (s.c.) und/oder intramuskulär (i.m.). Tief s.c. bedeutet, dass in die Fettschicht der Unterhaut geimpft wird. I.m. bedeutet in der Regel, dass die Grippeimpfung in den Deltamuskel des Oberarms erfolgt. Als Standard wird eine Kanüle der Größe 25 G empfohlen. Die Verabreichung in die Muskulatur beziehungsweise das Unterhautfettgewebe ist sinnvoll, da der Impfstoff daraus nur allmählich in die Blutbahn gelangt. Die langsame Abgabe gibt dem Immunsystem Zeit, auf die enthaltenen Antigene zu reagieren. Gelangt die Vakzine jedoch direkt in ein Gefäß, fehlt dieser Depoteffekt.
Nach erfolgter Impfung hält der Apotheker einen Zellstofftupfer sanft auf die Einstichstelle und versorgt diese mit einem Pflaster. Anschließend wird die Schutzimpfung in den Impfausweis des Patienten eingetragen. Ersatzweise kann der Apotheker auch eine Impfbescheinigung ausstellen und die Impfung zu einem späteren Zeitpunkt in den Impfausweis nachtragen.
Bei der Vorbereitung und der Dokumentation darf das pharmazeutische Personal unterstützen. Voraussetzung dafür ist, dass die entsprechenden Teammitglieder für die Aufgaben geschult und diese Schulungen dokumentiert sind.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.