Gut behandelbar, wenn rechtzeitig erkannt |
Juliane Brüggen |
13.03.2025 16:30 Uhr |
Die Nieren sind paarig angelegte Organe und übernehmen lebenswichtige Funktionen. / © Getty Images/Nora Carol Photography
Die Nieren haben äußerst wichtige Funktionen: Sie filtern nicht nur Giftstoffe und Stoffwechselprodukte aus dem Blut, sondern regulieren auch den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt sowie den Blutdruck. Dementsprechend schwer sind die Folgen, wenn die Organe nicht mehr funktionieren. Akut zeigt sich dies durch Ödeme, Bluthochdruck und Luftnot.
In der chronischen Form (CKD) bleibt die Nierenkrankheit hingegen lange ohne Symptome. Definiert wird sie über die erniedrigte Nierenfunktion gemessen als glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) und/oder eine erhöhte Albumin-Kreatinin-Ratio (UACR) im Urin und/oder strukturelle Veränderungen der Nieren – anhaltend über mindestens drei Monate.
Es gibt verschiedene Schweregrade, die sich meist an der GFR (5 Stadien) und an der UACR orientieren. In den Stadien 1 bis 3 treten meist keine Beschwerden auf, lediglich die Laborwerte sind verändert. In Stadium 4 und 5 können Bluthochdruck, Müdigkeit oder Schwäche, Konzentrationsstörungen, Depressionen sowie Übelkeit und Erbrechen auf die gestörte Nierenfunktion hinweisen. Ödeme und Luftnot sind Warnzeichen.
In Deutschland ist die Prävalenz hoch: Etwa 8 bis 10 Millionen Menschen sind von einer CKD (Stadium 3 bis 5) betroffen. Zu beachten ist dabei, dass die Nierenfunktion auch physiologisch mit steigendem Alter abnimmt.
Zu den Haupt-Risikofaktoren für CKD gehört ein hoher Blutdruck, der – sofern unbemerkt oder nicht kontrolliert – die Nieren schädigen kann. Umgekehrt erhöhen aber auch Nierenstörungen das kardiovaskuläre Risiko. Ein erhöhter Langzeitzuckerwert (HbA1c), zum Beispiel bei nicht kontrolliertem Diabetes, wirkt sich ebenfalls negativ auf die Nieren aus. Die häufigsten Ursachen für dialysepflichtige CKD sind laut der kürzlich aktualisierten S3-Leitlinie für die hausärztliche Versorgung bei chronischer Nierenkrankheit Bluthochdruck, Diabetes mellitus (vor allem Typ 2) und Glomerulonephritis (Entzündung der Nierenkörperchen).
Nicht nur Erkrankungen, auch Medikamente können die Nieren schädigen. Ein Beispiel sind nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac oder Ibuprofen. Diese sind deshalb unterhalb einer eGFR von 30 ml/min/1,73 m2 kontraindiziert, sollten aber laut Leitlinie bei Patienten mit CKD (ab Stadium 3) grundsätzlich vermieden werden. Um Kontraindikationen oder notwendige Dosisanpassungen zu entdecken, sollten CKD-Patienten ihren Medikamentenplan einschließlich der OTC-Präparate einmal jährlich prüfen lassen.
»Ein einfacher Blut- und Urintest in der hausärztlichen Praxis liefert wertvolle Hinweise auf das Vorliegen einer chronischen Nierenkrankheit und das individuelle Risiko für ein Nierenversagen«, erklärt Professor Dr. med. Martin K. Kuhlmann, Präsident der DGfN, in einer Mitteilung. »Die positive Botschaft zum Weltnierentag lautet: Nierenkrankheiten sind gut behandelbar, wenn sie rechtzeitig erkannt werden.«
Neben der glomerulären Filtrationsrate ist der Albumin-Kreatinin-Quotient (UACR) im Urin ein wichtiger, aber aktuell noch nicht breit eingesetzter Marker. »Der Verlust von Albumin über die Niere ist ein frühes Zeichen dafür, dass die Niere einen Filterdefekt hat«, so Professor Dr. Markus van der Giet, Internist und Urologe an der Charité Berlin sowie Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga (DHL), bei einer Online-Diskussionsrunde anlässlich des Weltnierentags. Die UACR wird unter anderem für Risiko-Scores benötigt, die das Progressionsrisiko zum Nierenversagen ermitteln, und ist relevant für Therapieentscheidungen (RAAS-Blockade, SGLT-2-Hemmer).
Die UACR-Bestimmung sei aktuell noch sehr teuer, da sie meist in das Laborbudget der Ärzte falle, erklärte Professor Dr. med. Jean-François Chenot, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM), den noch zurückhaltenden Einsatz. Um den Test breiter einzusetzen, brauche es zusätzliche Laborausnahmeziffern.
»Aufgrund der hohen Zahl der Betroffenen ist ein gestuftes, rationales Vorgehen notwendig«, so Professor Dr. med. Jean-François Chenot. Denn zum einen sollen CKD-Patienten früh erkannt und, sofern erforderlich, behandelt werden, zum anderen müssen Hochrisikopatienten rechtzeitig an Fachärzte überwiesen werden.
Bei der hausärztlichen Einschätzung unterstützt die kürzlich aktualisierte S3-Leitlinie. Die Beurteilung eines Nephrologen ist demnach erforderlich, wenn die CKD schnell fortschreitet, die glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) unter 30 ml/min/1,73 m² liegt oder eine eGFR unter 60 ml/min/1,73 m² mit weiteren Anzeichen einer Nierenkrankheit auftritt. Auch genetische Störungen und Syndrome wie multiple Zystennieren sind Fälle für den Facharzt.
Neu ist ein deutschsprachiger Online-Risikokalkulator der DGfN und DEGAM – abrufbar unter www.risiko-nierenversagen.de. Ärzte nutzen diesen, um die Progression der CKD abzuschätzen. Der Rechner kann anhand vier Parametern – Alter, Geschlecht, glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) und Albumin-Kreatinin-Ratio im Urin (UACR) – das absolute Risiko für ein nierenersatztherapiepflichtiges Nierenversagen in den nächsten zwei beziehungsweise fünf Jahren vorhersagen.
Ist eine klinisch relevante CKD (eGFR < 60 ml/min/1,73 m²) festgestellt worden, sollen gemäß Leitlinie Hämaturie und UACR bestimmt werden. Außerdem wird ein Ultraschall der Nieren und ableitenden Harnwege durchgeführt. Wichtig ist, den Blutdruck zu kontrollieren und das kardiovaskuläre Risiko mittels validiertem Risikoscore abzuschätzen. Das weitere Monitoring richtet sich nach individuellen Faktoren wie dem Stadium der Erkrankung.
Die Nierenfunktion ist besonders bei den Risikogruppen im Blick zu behalten. Die Erstdiagnose Bluthochdruck sollte immer mit einer eGFR-Bestimmung einhergehen und, falls diese unter 60 ml/min/1,73 m2 liegt, mit einer Urinuntersuchung auf Albumin (UACR). Die Leitlinie empfiehlt außerdem, die glomeruläre Filtrationsrate bei Diabetes-Patienten oder dauerhafter Einnahme nephrotoxischer Medikamente einmal jährlich zu bestimmen. Auch nach einer akuten Nierenkrankheit wird ein jährliches Monitoring (eGFR, UACR) für drei Jahre empfohlen.
CKD kann mit einem veränderten Knochenstoffwechsel und Calcium-Phosphat-Haushalt einhergehen. Man spricht von CKD-MBD. In den ersten drei Stadien treten selten Symptome auf. Die Laborparameter werden in der Regel erst ab Stadien 4 und 5 routinemäßig kontrolliert. Eine Behandlung ist nötig, wenn Vitamin-D-Mangel, Hyperphosphatämie, Osteoporose oder sekundärer Hyperparathyreodismus auftreten. Von einer routinemäßigen Vitamin-D-Substitution ohne Spiegelbestimmung rät die Leitlinie ab.
In der Regel können CKD-Patienten in der hausärztlichen Praxis betreut werden. »Wir können heute sowohl chronische Nierenkrankheiten als auch Bluthochdruck als Risikofaktor effektiv behandeln«, betont Professor Dr. med. Markus van der Giet. Bei der Therapie gilt: Grunderkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes mellitus sollten gut eingestellt sein, das schützt auch die Nieren und senkt das Progressionsrisiko der CKD. Bei Patienten, die an Hypertonie und CKD leiden, sollten gemäß der Leitlinie ACE-Hemmer oder Sartane bevorzugt werden.
Einen Fortschritt in der Behandlung der CKD haben SGLT2-Hemmer wie Dapagliflozin gebracht, die außerdem für die Behandlung von Typ-2-Diabetes und Herzinsuffizienz zugelassen sind. Die Arzneistoffe können die Progression positiv beeinflussen. Empfohlen werden sie in der Leitlinie für Patienten mit einer Albuminurie ≥ 300 mg/g und/oder einer eGFR < 45 ml/min/1,73 m². Bei einer eGFR unter 20 sind sie hingegen nicht mehr geeignet.
Auch GLP-1-Agonisten wie Semaglutid, die aktuell vor allem bei Typ-2-Diabetes und zur Gewichtsreduktion bei Adipositas eingesetzt werden, konnten in Studien bei vorerkrankten Personen (Diabetes, Übergewicht/Herz-Kreislauf-Krankheiten) das Risiko für Nierenversagen und kardiovaskuläre Ereignisse verringern. Eine Zulassung oder deutsche Leitlinienempfehlung gibt es hierzu jedoch nicht.
Lebensstilmaßnahmen wie gesunde Ernährung, Bewegung, Sport und Nichtrauchen tun nicht nur dem Herz, sondern auch den Nieren gut. Die Leitlinie empfiehlt CKD-Patienten eine mediterrane und kochsalzarme Kost sowie viel frisches Obst und Gemüse. Fertigprodukte und gesüßte Getränke mit phosphathaltigen Zusatzstoffen sollten sie hingegen meiden.
Die Proteinzufuhr zu reduzieren, ist in der Regel nicht erforderlich – denn das kann eine Mangelernährung begünstigen. Es gelten die Empfehlungen für die Normalbevölkerung (pro Tag): 0,8–1,0 g/kg Körpergewicht Protein und 25–35 kcal/kg Körpergewicht Kalorien. Die Trinkempfehlung lautet bei nicht-dialysepflichtigen Patienten mindestens 1,5 Liter pro Tag, sollte aber je nach Volumenstatus und äußeren Umständen angepasst werden.
Quelle: dpa