Gut beraten bei Obstipation |
Verena Schmidt |
31.10.2023 15:30 Uhr |
Wie sieht eine gute Beratung bei Verstopfung aus? Ein neuer Leitfaden für die Apotheke gibt Hilfestellung. / Foto: Adobe Stock/Marc Calleja
Die Verstopfung ist eine der häufigsten gastrointestinalen Störungen in der Allgemeinbevölkerung: Die Prävalenz in Europa beträgt durchschnittlich etwa 15 Prozent, bei Frauen und älteren Menschen liegt sie deutlich höher. »Die chronische Obstipation ist eine Volkskrankheit und ein komplexes und herausforderndes Problem«, betonte Professor Dr. Thomas Frieling, Chefarzt am Helios Klinikum Krefeld, bei einem digitalen Expertengespräch der Firma Sanofi.
Die chronische Verstopfung sei in der Regel über subjektive Beschwerden definiert, erläuterte der Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie, der auch Mitautor des neuen Leitfadens ist. Eine chronische Obstipation liegt demnach vor, wenn folgende drei Kriterien seit mindestens drei Monaten bestehen und der Beginn der Symptomatik mindestens sechs Monate zurückliegt:
Zur Diagnose und Therapie einer chronischen Verstopfung gibt es Leitlinien, die sich jedoch primär auf die ärztliche Behandlung konzentrieren. Die meisten Menschen, die an Verstopfung leiden, diagnostizierten und behandelten ihre Erkrankung jedoch selbst, so Frieling. Das Apothekenteam ist meist die erste Anlaufstelle bei Verstopfung beziehungsweise Unregelmäßigkeiten der Verdauung. »In der Apothekenpraxis sind allerdings häufig einige Fragen unklar, etwa wann der Arzt eingebunden werden sollte, sowie nach Art und Dauer der Therapie«, so Frieling. Hier soll der neue Leitfaden Abhilfe schaffen.
Wichtig sei es zunächst, im Rahmen der Beratung eine ernstere Grunderkrankung auszuschließen, bevor ein OTC-Medikament zur Behandlung der Verstopfung abgegeben wird. Hier seien vor allem zwei Fragen wichtig, betonte Frieling:
Bei akuten Beschwerden, die definitionsgemäß nicht länger als drei Monate bestehen, könne man, wenn keine Alarmzeichen wie Blut im Stuhl oder veränderte Stuhlfrequenz vorliegen, dem Patienten ein Laxans empfehlen und ihn innerhalb von zwei bis drei Monaten an den Arzt verweisen, so Mediziner Frieling. Sind die Beschwerden chronisch, dauern sie also bereits länger als drei Monate an, und gibt es keine Alarmzeichen, sollten die Patienten eine ärztliche Abklärung innerhalb von zwei bis vier Wochen einholen. Frieling: »Auch eine Langzeit-Selbstmedikation nach ärztlicher Abklärung ist angemessen, wenn der Zustand stabil und die Behandlungsergebnisse zufriedenstellend sind.«
Berichtet der Kunde im Beratungsgespräch von »Red Flags« wie starken Bauchschmerzen, eventuell mit Fieber und Erbrechen, sollten PTA und Apotheker ihn schnellstmöglich an den Arzt verweisen und in diesem Fall keine Laxanzien abgeben. Alarmsymptome sind auch Blut im Stuhl und ein unerklärlicher Gewichtsverlust. Hier ist zwar die Behandlung mit einem Laxans möglich, aber auch diese Patienten sollten zügig (innerhalb von drei Tagen) bis zeitnah (innerhalb von zwei bis vier Wochen) an den Arzt verwiesen werden.
Haben sich die Beschwerden plötzlich verschlechtert oder ist der Bedarf an Abführmitteln erheblich gestiegen? Auch dann sollte der Kunde zeitnah den Arzt aufsuchen. Gleiches gilt, wenn die Behandlungsergebnisse bei der Obstipation nicht zufriedenstellend sind oder die medikamentöse Behandlung keine ausreichende Linderung bringt.
Eine weitere wichtige Aufgabe im Beratungsgespräch für PTA und Apotheker ist die Auswahl des für den Patienten am besten geeigneten OTC-Laxans zur Behandlung der Verstopfung. Laut Leitlinie sind osmotische Laxanzien wie Macrogol (zum Beispiel DulcoSoft®, Laxatan® M) und stimulierende Laxanzien wie Bisacodyl (wie in Dulcolax®) und Natriumpicosulfat (wie in Dulcolax® NP Tropfen, Laxoberal®) Mittel der ersten Wahl zur Behandlung akuter und chronischer Verstopfung. Zucker wie Lactulose und Anthrachinone werden als zweite Wahl eingesetzt. Aber auch die individuellen Präferenzen des Patienten, etwa Geschmack, die Häufigkeit der Einnahme oder die Zeit von der Einnahme bis zum Wirkungseintritt, sowie bisherige Behandlungserfahrungen spielen bei der Auswahl des geeigneten Präparates eine Rolle. Wichtig: In der Beratung gilt es, auch die erwarteten Ergebnisse und den Zeitpunkt des Wirkeintritts zu erklären.
»Keine Angst vor Laxanzien: Das sollte eine wichtige Botschaft in der Beratung sein«, betonte Frieling. Viele Patienten meinten immer noch, sie würden Probleme bekommen, wenn sie chronisch Abführmittel einnehmen, sagte der Gastroenterologe. Aktive Laxanzien jedoch seien gut und sicher, wenn sie bestimmungsgemäß eingesetzt werden – auch in der Langzeitanwendung nach ärztlicher Abklärung.