Gut fürs Klima, gut fürs Wohlbefinden |
Eine pflanzenbasierte Ernährung – am besten mit Gemüse und Obst von Feldern der Region – hält nicht nur
Treibhausgasemissionen niedrig, sondern lässt uns auch gesünder altern. / Foto: Getty Images/Hispanolistic
Der Wille ist da, aber es fehlt das Wissen: So könnte man das Ergebnis einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag des AOK-Bundesverbandes unter 1500 Bürgerinnen und Bürgern zusammenfassen. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung würden sich demnach gern klimafreundlicher ernähren – doch nur 27 Prozent wissen, dass ein reduzierter Konsum tierischer Lebensmittel wie Fleisch oder Milchprodukte den stärksten positiven Effekt auf das Klima hat. Und 29 Prozent der Befragten glauben fälschlicherweise, dass nur tierische Produkte den Körper mit ausreichend Eiweiß versorgen.
Bereits 2019 hatte eine internationale Expertenkommission im Fachjournal »The Lancet« wissenschaftlich fundierte Empfehlungen zu einer möglichst klimafreundlichen und zugleich gesunden Ernährung gegeben, die sogenannte Planetary Health Diet. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) ging erst 2022 darauf ein. Grundlage ist eine pflanzenbasierte Ernährungsweise, ergänzt durch Vollkornprodukte und Öle mit ungesättigten Fettsäuren, aber mit möglichst wenig tierischen und hoch verarbeiteten Lebensmitteln sowie wenig gesättigten Fettsäuren und Zucker. »Es muss jedem klar sein, dass die Gesundheit der Menschen von der Gesundheit der Erde abhängt«, sagt Agraringenieurin Britta Klein vom Bundeszentrum für Ernährung (BZfE).
Die aktuelle AOK-Umfrage zeigt nun, dass die Empfehlungen die Mehrheit der Bevölkerung immer noch nicht erreicht haben – mit bitteren Auswirkungen: So ist jeder sechste Todesfall in der europäischen Region der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf eine unausgewogene Ernährung mit viel rotem Fleisch und Salz sowie wenig Vollkorn zurückzuführen, von den kardiovaskulären Todesfällen sogar jeder dritte. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie aus Deutschland. Rotes Fleisch erhöht überdies das Risiko für bestimmte Krebsarten wie Darmkrebs.
Der Fleischkonsum ist in Deutschland zwar so niedrig wie seit 1989 nicht mehr; dennoch verspeisen wir derzeit mit rund einem Kilo die Woche mehr als doppelt so viel Schnitzel, Schinken, Steak und Co., wie es die DGE empfiehlt. 20 Prozent essen täglich Fleisch und Wurst, vor acht Jahren waren es noch 34 Prozent, heißt es im Ernährungsreport 2023 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.
Rund ein Viertel der Treibhausgase entsteht entlang der Produktionskette »vom Acker bis zum Teller«, so ist es auf der Website des BZfE zu lesen. Aktuell gehen rund 30 Prozent der durch unsere Ernährung verursachten Treibhausgasemissionen auf das Konto von pflanzlichen Lebensmitteln und rund 70 Prozent auf das von tierischen. Zu den schädlichen Klimagasen aus Ackerbau und Tierhaltung in der Landwirtschaft kommen die, die durch Verarbeitung, Verpackung und Transport sowie Lagerung und Kühlung anfallen.
Für die Fleischproduktion werden weltweit rund 80 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen genutzt, darunter 67 Prozent Gras- und Weideland. Der Anbau von Futtermitteln benötigt große Flächen und bedingt gar Monokulturen und Brandrodung – Ackerfläche, die wiederum für den Anbau pflanzlicher Lebensmittel fehlt.
»Wenn es gelänge, immer häufiger auf pflanzliche Lebensmittel zu setzen, könnten wir unseren persönlichen Klimafußabdruck beträchtlich verkleinern.« Das klingt mahnend, aber Expertin Klein weiß auch, dass mit einer Verbotskultur nichts zu bewegen ist. »Essgewohnheiten sind tief in uns verwurzelt, da lassen wir uns ungern hineinreden. Wir müssen den Menschen die Last nehmen, dass sie alles falsch machen. Sie sollen nicht komplett aufhören, Fleisch zu essen, aber wenn, dann bewusst und nachhaltig produziertes Biofleisch aus der Region.«
Dessen positive Umweltaspekte lägen auf der Hand: »Milchkühe, die auf der Weide stehen oder Futter aus Gras bekommen, verursachen zwar auch klimabelastende Gase. Aber sie tragen dazu bei, dass die Wurzeln von Weidegras Kohlendioxid im Boden binden. So trägt die Weidekuhhaltung positiv zur Erhöhung der Biodiversität bei. Dazu sind im Ökolandbau chemisch-synthetische Stickstoffdünger ausgeschlossen, wodurch fossile Energie gespart wird, weniger Treibhausgase entstehen und das Trinkwasser geschützt wird. Die Art der Tierhaltung ist also nicht unerheblich«, schreibt BZfE-Expertin Klein.
Das sieht auch die Ernährungswissenschaftlerin Melanie Kirk-Mechtel so. Sie ist Autorin des Buches »So gut schmeckt Klimaschutz«, welches die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen Ende vergangenen Jahres herausgegeben hat. Es gehe nicht um Verzicht und um eine vegane Ernährung, die viele Menschen eher ablehnen, sondern darum, den Fleischkonsum zu reduzieren sowie den pflanzlichen Anteil in der täglichen Kost zu erhöhen. Statt Butter, Milch und Joghurt könnte man etwa Margarine und pflanzenbasierte Produkte wie Pflanzendrinks verzehren.
Wie effektiv das wäre, stellt Kirk-Mechtel in ihrem Buch vor. Laut Berechnungen der Umweltorganisation WWF Deutschland könnten bereits mit einer flexitarischen Ernährung deutliche Auswirkungen auf das Klima, aber auch auf andere Umweltfaktoren wie den Flächenverbrauch und den Wasserbedarf erzielt werden. So würden Treibhausgasemissionen um 27 Prozent sinken, eine vegetarische Ernährung würde einen Rückgang um 47 Prozent und eine vegane um 48 Prozent bewirken.
Beide Expertinnen empfehlen, das fehlende Protein durch Hülsenfrüchte wie Bohnen, Linsen oder Erbsen sowie durch Nüsse zu ersetzen. Hülsenfrüchte sind im Übrigen das Paradebeispiel für die Regel: Was gut fürs Klima ist, ist meist auch gut für die Gesundheit. Denn: Hülsenfrüchte spielen eine wichtige Rolle für einen nachhaltigen Ackerbau. Die Pflanzen können in Symbiose mit den Knöllchenbakterien an ihren Wurzeln Stickstoff aus der Luft binden und als Nährstoff nutzen. Ein Teil des fixierten Stickstoffs steht den nachfolgenden Ackerpflanzen zur Verfügung, sodass künstlicher Stickstoffdünger eingespart werden kann. Hülsenfrüchte verbessern also die Fruchtbarkeit des Ackerbodens.
Kirk-Mechtels Buch bietet für den Grundsatz »mehr pflanzlich statt tierisch« mehr als 70 Rezepte, die gut im Alltag umgesetzt werden können. Sie sind nach Jahreszeiten sortiert, können also mit regionalen und saisonalen Lebensmitteln zubereitet werden. Ihr Rezept für Buletten zeigt, wie sich Fleisch einfach reduzieren lässt: Kick-Mechtel ersetzt die Hälfte des Fleisches durch Champignons – was sie »noch fluffiger werden lässt«. Dafür werden die Pilze fein gewürfelt, in etwas Öl angebraten und dann zusammen mit den üblichen anderen Zutaten wie Zwiebeln, Semmelbröseln, Senf und Hackfleisch durchgeknetet, zu Buletten geformt und dann ausgebacken.
Noch zwei Beispiele: Für ihre Bolognese verwendet die Autorin einfach weniger Hackfleisch. Ihr Rezept kommt mit 150 g für zwei Portionen aus, dafür deutlich mehr Suppengemüse, nämlich 400 g. Dem Geschmack tue das keinen Abbruch. Wer nach einer Sahne-Alternative sucht, um Cremesuppen rein pflanzlich zu verfeinern, kann dafür 50 g Cashewkerne mit 50 g Rapsöl, 150 ml Wasser und einer Prise Salz vermengen und in einem Mixer glatt pürieren.
Laut der Ernährungswissenschaftlerin ist es wichtig für das Aminosäurenspektrum, pflanzliche Proteinlieferanten mit Getreide zu kombinieren. So bietet sie auch ungewöhnliche Zusammenstellungen in ihren Rezepten für »Gurkensalat mit Linsen und Hirse« oder fürs Erbsen-Dinkel-Risotto.
Der Goldstandard in Sachen Klimaschutz beim Obst- und Gemüseeinkauf lautet: regional und saisonal. Lebensmittel, die in der Region angebaut und dort auch konsumiert werden, legen vom Acker bis auf den Teller deutlich kürzere Transportwege zurück, wodurch Energie eingespart und der CO2-Ausstoß geringer gehalten wird. »Das kleine Wörtchen ›und‹ darf dabei nicht übersehen werden, denn die Kombination ist entscheidend«, gibt Kirk-Mechtel zu bedenken.
Wird zum Beispiel regionales Gemüse wie Tomaten und Gurken sowie Kopfsalat außerhalb der Saison im beheizten Gewächshaus angebaut, verursacht das im Vergleich mit Freilandgemüse aus der Region bis zu 30-mal mehr Treibhausgase und ist damit klimaschädlicher als Ware, die etwa im Winter aus Spanien zu uns kommt, rechnet sie vor.
Vor allem wenn es um Saisonprodukte wie Erdbeeren oder Spargel geht, gebe es keinen Grund, Importware zu wählen. Diese haben nicht nur lange Transportwege zurückgelegt, sondern oft einen immensen Wasserverbrauch erfordert, sodass in den Anbaugebieten mitunter der Grundwasserspiegel sinkt. Heimische Produkte von Hofläden, Wochenmärkten oder per Gemüsekiste im Abo sind in jedem Fall die ökologischere Wahl. Die Verbraucherzentrale NRW listet auf: Während ein Kilo Spargel aus Peru nach Deutschland eingeflogen 30 kg Treibhausgase produziert, bringen es die aromatischen Stangen aus der Heimat, die 100 km mit dem Lastwagen transportiert wurden, auf gerade mal 19 g der klimaschädlichen Gase.
Und was ist mit Ananas, Bananen und Co, die hierzulande nicht wachsen? Die Verbraucherschützerin lehnt exotische Früchte nicht generell ab, sondern rät, sich nach dem Transportmittel zu erkundigen. Der CO2-Fußabdruck vergrößere sich immens, wenn Ananas, Mango und Papayas mit dem Flugzeug transportiert werden. Beim Flugimport würden etwa 25-mal so viele Klimagase ausgestoßen wie beim Schiffstransport. Tipp: Bananen kommen fast ausschließlich per Schiff zu uns, während mehr als 90 Prozent der Papayas und Mangos fliegen.
Die Berechnung des CO2-Ausstoßes anhand der Produktionskette Acker bis Teller ist eigentlich nicht zu Ende gedacht – denn der Weg bis zur Abfalltonne fehlt. Auch für Lebensmittel, die wir nicht essen, fallen Treibhausgase an. Und noch einige mehr entstehen bei ihrer Entsorgung. Unglaubliche 78 kg Lebensmittel pro Jahr und Person landen in Deutschland im Müll, beziffert das BZfE – weil wir zu viel eingekauft oder gekocht haben.
Meist ist es nicht mehr frisches Obst und Gemüse (35 Prozent), das in der Tonne landet. Nach zubereiteten Gerichten (15 Prozent) folgen Brot und Backwaren (13 Prozent), Getränke (12 Prozent) und Milchprodukte (9 Prozent). Einen Teil der Lebensmittel werfen wir weg, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist – was meistens nicht nötig wäre, da es kein Wegwerfdatum ist. Es sagt nur aus, bis wann das Lebensmittel seine typischen Eigenschaften wie Farbe oder Konsistenz behält.
Und tatsächlich ist die überwiegende Zahl an Produkten auch nach der Frist noch einwandfrei. Hier empfiehlt es sich, den eigenen Sinnen zu vertrauen: Sieht ein Lebensmittel unauffällig aus, riecht und schmeckt es normal, dann ist es in der Regel auch noch genießbar. Was säuerlich riecht, eine schmierige oder verfärbte Oberfläche oder gar Schimmel angesetzt hat, sollte dagegen weggeworfen werden.