Gut informiert in die Wechseljahre |
Wer in den Wechseljahren geistig und körperlich beweglich bleibt, investiert in die Zukunft. / Foto: Adobe Stock/Monkey Business
Die heutige Therapie von klimakterischen Beschwerden ist nicht mehr mit der von vor 20 Jahren vergleichbar. Dabei hat sich nicht nur der Einsatz von Hormonen komplett gewandelt, sondern auch Alternativmethoden wie die Phytotherapie haben an Bedeutung gewonnen. Klimakterische Beschwerden lassen sich oft auch ohne Hormongaben lindern. Bei der Ausgestaltung der Therapie hat frau heute ein größeres Mitspracherecht. Darauf weist die S3-Leitlinie »Peri- und Postmenopause« der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe ausdrücklich hin. Der Beginn und die Art der Therapie richten sich »wenn man so möchte, im Wesentlichen nach den Wünschen der Patientin. Der einzige Grund, dieses der Patientin nicht selbst zu überlassen, wären ausgeprägte Blutungsstörungen«, erklärt Leitlinienautorin Professorin Dr. Petra Stute im Gespräch mit PTA-Forum.
Heute setzt man Hormone wesentlich differenzierter ein. Das betrifft zum einen den gewählten Arzneistoff (Stichpunkt »bioidentische« Hormone) und zum anderen seine Dosis, seine Darreichungsform als auch die Zeitspanne, in der substituiert wird. »Von Hormonen im Gießkannenprinzip oder als allgemeine Gesundheitsprävention bei postmenopausalen Frauen ist man lange weg. Heute beginnt man bei Patientinnen bereits im perimenopausalen Alter und führt die Hormonersatztherapie so lange fort wie möglich. Auch bezüglich der Dosis arbeitet man gezielter und macht es abhängig von der Phase, in der die Frau ist. Zudem wird überprüft, ob der Bedarf über die Zeit gegeben ist. Es gibt keine zeitliche Grenze, wann die Hormongabe enden sollte. »Weil das Brustkrebsrisiko unter einer kombinierten Estrogen-Gestagen-Therapie anfängt, nach 5,5 Jahren signifikant zu steigen, ist diese Zeitangabe für ein Ende vermutlich noch in den Köpfen«, meint die Expertin von der Universitätsfrauenklinik in Bern.
Grundsätzlich ist die Übergangsphase von einer gut funktionierenden Ovarialfunktion in der Reproduktionsphase bis hin zur Einstellung der Estrogenproduktion in der Postmenopause ein normaler physiologischer Prozess. Was passiert? Ab dem 40. Lebensjahr geht der Follikelvorrat in den Eierstöcken zur Neige. Dieser ist bei der Geburt fix angelegt, es können keine weiteren Follikel mehr nachwachsen. Weil die Follikel für die Estrogenbildung verantwortlich sind, sinkt allmählich der Estrogenspiegel. Das beantwortet die Hypophyse mit einer vermehrten Ausschüttung des Follikel stimulierenden Hormons (FSH), um die Follikelreifung und Hormonbildung weiterhin zu stimulieren. Im Blut sind während der Wechseljahre stark schwankende und später auch deutlich erhöhte FSH-Spiegel festzustellen. Dennoch lässt die Arbeit der Eierstöcke irgendwann nach, und das gestörte Heranreifen der Follikel bewirkt einen relativen Estrogenmangel. Der Eisprung bleibt immer häufiger aus, sodass auch der Gelbkörper immer weniger gebildet wird und die Progesteronspiegel sinken.
Die Wechseljahre dauern vier bis acht Jahre, wobei die Menopause, also der Zeitpunkt der letzten Blutung, meist um das 51. Lebensjahr herum liegt. Zu Beginn bewirken die schwankenden Hormonspiegel wechselnde Zykluslängen. Häufig kommt es jedoch zu verkürzten Zyklen unter 25 Tagen und verstärkten Periodenblutungen – ein Zeichen für die Prämenopause. Größere Abstände im Zyklus mit Lücken von mindestens zwei Monaten sind ein Zeichen für die späte Übergangsphase Richtung Menopause (Perimenopause, siehe Grafik). Die größer werdenden Abstände der Regelblutungen sind der fehlenden Gelbkörperproduktion und dem daraus resultierenden relativen Estrogenüberhang im Verhältnis zu Progesteron geschuldet. Wenn die Menstruation an zwölf aufeinanderfolgenden Monaten ausgeblieben ist, gilt die Menopause als gesichert.
Sie beginnen meist schleichend, dennoch können sie schon zu Beginn ganz schön ärgern. Bislang wurde die erste Phase der Wechseljahre, die Prämenopause, kaum thematisiert. Und in der Perimenopause gilt es, geeignete therapeutische Weichen für die Zeit nach der hormonellen Talfahrt zu stellen. / Foto: PZ
Die ersten Veränderungen bemerken Frauen bereits zehn Jahre zuvor; und spätestens in der Perimenopause, wenn bereits ein Hormonmangel vorliegt, stellen sich die typischen Beschwerden ein. Die Ausprägung der Symptome und der subjektive Leidensdruck sind jedoch individuell sehr unterschiedlich. Etwa ein Drittel der Frauen leidet sehr unter den Beschwerden. Stute: »Jede Frau hat ihr individuelles Beschwerdeprofil. Erschreckend ist, dass 28 Prozent der Frauen laut Untersuchungen keine Behandlung erhalten.«
Als wichtigste Begleiterscheinungen rund um die letzte Blutung nannte die Gynäkologin Hitzewallungen und Schweißausbrüche – also jene vasomotorischen Symptome, die als Wirksamkeitskriterien in Zulassungsstudien untersucht worden sind. Daneben sind es aber auch Schlafstörungen, urogenitale Beschwerden wie Scheidentrockenheit, Inkontinenz und häufige Harnwegsinfekte, zentralnervöse Symptome wie Stimmungsschwankungen und Weinerlichkeit, Kopfschmerzen und Gedächtnisstörungen, sexuelle Funktionsstörungen, Beeinträchtigung des Knochen- und Gelenkapparates, ein erhöhtes Risiko für Herzgefäßerkrankungen sowie Haut- und Haarveränderungen, die die Jahre des hormonellen Umbruchs prägen.
Viele Frauen stehen einer Therapie mit Hormonen nach wie vor skeptisch gegenüber und wünschen sich eher »etwas Sanfteres«. Da ist es gut, dass die aktuelle Leitlinie im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin bestimmten Alternativmethoden eine Chance gibt. Stute formulierte es so: »Es muss dahingehend beraten werden, dass es neben der Hormonsubstitution auch Alternativmethoden wie die Gabe verschiedener Pflanzenextrakte, eine kognitive Verhaltenstherapie oder Akupunktur gibt.« Parallel sollte beides nicht angeboten werden, sondern als Alternative. Allerdings sei klar zu vermitteln, dass der größte gesundheitliche Nutzen bei der Behandlung klimakterischer Beschwerden von der Hormonersatztherapie ausgeht.
Nach den Ausführungen Stutes könne die Wahl jederzeit revidiert werden und auch im Hinblick auf sich entwickelnde Erkrankungen in dieser Lebensphase sei immer wieder zu überprüfen, ob frau die Therapie überhaupt noch braucht. »Man kann beispielsweise mit Phytopharmaka wie Cimicifuga oder Rhabarber beginnen und nach mehreren Monaten auf Hormone umsteigen, wenn keine Effekte erzielt wurden. Es kann aber auch sein, dass Pflanzenextrakte gerade zu Anfang der Wechseljahre die Symptome sehr gut kupieren. Da die Frau aber hormonell weiter altert und die Symptome dadurch stärker werden, kann die Pflanzentherapie irgendwann nicht mehr ausreichen.«
Bei pflanzlichen Präparaten rät die Expertin auf jeden Fall, geprüfte Extrakte zu verwenden, die als Arzneimittel zugelassen sind. Zu den bei dieser Indikation am besten untersuchten gehören Extrakte aus dem Wurzelstock der Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa). Mehrere randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudien mit unterschiedlichen Spezialextrakten belegen eine signifikante Reduktion vasomotorischer Beschwerden über mindestens zwölf Wochen sowie eine gute Verträglichkeit über mindestens ein Jahr. Das Hauptsymptom Hitzewallungen ging bei bis zu 80 Prozent der Frauen zurück. Well-established-use-Extrakte enthalten etwa Klimadynon®, Remifemin®, Femikliman® uno oder Kofemin® Klimakterium. Stehen depressive Verstimmungen im Vordergrund, ist eine Kombination mit dem Trockenextrakt aus Johanniskraut eine Option. Die Wirksamkeit von Remifemin® plus gilt als gut belegt.
Welche Inhaltsstoffe der Traubensilberkerze für die Wirkung verantwortlich sind und wie diese molekular vermittelt wird, ist nicht geklärt. Widerlegt ist die frühere Annahme, dass enthaltene Isoflavone über eine Bindung an Estrogenrezeptoren wirken. Cimicifuga-Wurzelstock enthält keine Isoflavone. Cimicifuga-Extrakte sind deshalb nicht als Phytoestrogene oder Phyto-SERMs, also pflanzliche selektive Estrogenrezeptor-Modulatoren, zu bezeichnen.
Zu den klassischen Phytoestrogenen wird dagegen der Rhapontikrhabarber gezählt. Dass der Spezialextrakt ERr371 (femi-loges®) Wechseljahresbeschwerden signifikant stärker linderte als Placebo und dabei gut verträglich war, zeigt eine multizentrische, randomisierte, placebokontrollierte Studie über 12 Wochen. Dabei präsentierte es sich in der Linderung von Hitzewallungen als ebenso effektiv wie eine niedrigdosierte Hormonersatztherapie.
Eine leidige Nebenerscheinung der Wechseljahre ist für viele Frauen eine schleichende Gewichtszunahme. Das kann Stute bestätigen: »Im Schnitt nehmen Frauen zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr zehn Kilogramm zu.« Viele Frauen seien diesbezüglich einigermaßen verzweifelt, an ihrer Ernährung und dem Bewegungspensum hätten sie nichts geändert, berichtete die Gynäkologin von ihrer Sprechstunde.
Die Erklärung: Zum einen sinkt mit dem Alter der Grundumsatz – und zwar in nicht unerheblichem Maße – und zum anderen schwindet durch die nachlassende Hormonproduktion die Muskelmasse. Die Muskeln des Oberkörpers bauen deutlich stärker ab als die des Unterkörpers. Die Crux: Die Muskelfasern werden mehr und mehr durch Fett und Bindegewebe ersetzt. »Die Skelettmuskulatur verbraucht aber mehr Energie als das genügsame Fettgewebe. Die Muskulatur verbrennt dreimal so viel wie das Fettgewebe. Wenn die Muskelmasse aufgrund des Alters und der Wechseljahre abnimmt, verliert man seinen Brennofen«, erklärte Stute. Hier hilft neben einer bewussten, eventuell kalorienreduzierten Ernährung nur eines: gezieltes Krafttraining mit Gewichten oder Bändern, um die Muskelmasse zu erhalten. Dazu stärkt Ausdauersport Herz und Kreislauf.
Die Hauptinhaltsstoffe des Spezialextrakts sind Rhaponticin und Desoxyrhaponticin, die zu den Stilbenen gehören. Diese sekundären Pflanzenstoffe sind im chemischen Sinne keine Estrogene, sondern weisen lediglich eine strukturelle Ähnlichkeit mit diesen auf, wodurch eine Bindung an die Estrogenrezeptoren möglich ist. Dadurch können sie ebenfalls estrogene Funktionen induzieren. In-vitro-Bindungsstudien haben gezeigt, dass der Extrakt selektiv den proliferationshemmenden Estrogenrezeptor-β (ER-β) aktiviert, während ER-α unbeeinflusst blieb. Letzterer vermittelt überwiegend zelldifferenzierende und wachstumsstimulierende Effekte.
Isoflavone aus Soja oder Rotklee sind lediglich als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich und unterliegen damit dem Lebensmittelrecht. Entsprechend uneins ist die Studienlage, auch bezüglich möglicher Risiken wie das für Brustkrebs. Hinweis: Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind oder waren, sollen leitliniengemäß keine Phytoestrogene, also Isoflavone, Genistein, Rheum rhaponticum oder Rotklee, zur Behandlung vasomotorischer Symptome erhalten. Zudem zu berücksichtigen: Die biologische Wirkung von isolierten, hochdosierten oder angereicherten Isoflavonen ist nicht unmittelbar mit der biologischen Wirkung von Isoflavonen aus komplexen Lebensmitteln, wie sie in Asien verzehrt werden, zu vergleichen.
Isoflavone kommen in verschiedenen Pflanzen wie Soja, diversen Kleearten, Hopfen oder Leinsamen vor. Sojabohnen enthalten beispielsweise zwölf verschiedene Isoflavone, wobei Genistein und Daidzein die wesentlichsten darstellen. Genistein scheint das wirkstärkste Isoflavon zu sein, gemessen an der relativen Bindungsaffinität zum ERβ. DieLeitlinie »Peri- und Postmenopause« hält einen »Nutzen für möglich«. Danach scheint unter den Phytoestrogenen Genistein in einer Dosierung von 30 bis 60 mg/Tag die zuverlässigste Wirkung zu haben, genauso wie Leinsamenextrakt mit mindestens 100 mg/Tag oder Equol mit 10 mg/Tag. Ein Nutzen der Zubereitungen ist vor allem in der Reduktion von Hitzewallungen zu sehen. Nächtliche Schweißausbrüche scheinen allerdings nicht reduziert zu werden.
Welche Grundprinzipien der Hormonersatztherapie gibt es? »Leitliniengemäß soll Frauen mit vasomotorischen Beschwerden ein Hormonersatz angeboten werden, nachdem sie über die kurz- (bis zu fünf Jahren) und langfristigen Nutzen und Risiken informiert wurden. Für Frauen mit Estrogenrezeptor-positivem Mammakarzinom oder anderen hormonabhängigen Tumoren ist eine Hormonersatztherapie nicht indiziert. Für Frauen mit intakter Gebärmutter kommt eine Estrogen-Gestagen-Therapie mit adäquatem Gestagenanteil, für hysterektomierte Frauen – also Frauen, die keinen Uterus mehr haben – eine Estrogen-Monotherapie in Betracht. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI), Clonidin und Gabapentin sollen dagegen nicht routinemäßig als Mittel der ersten Wahl gegen Schweißausbrüche und Hitzewallungen angeboten werden«, informierte die Frauenärztin. Während der Therapie können Dosisanpassungen notwendig sein, die dem Verlauf der verschiedenen Phasen der Peri- und Postmenopause geschuldet und »kein Zeichen von Abhängigkeit« seien.
Was die Frequenz, die Dosis und die Darreichungsform betrifft, arbeitet Stute nach folgendem Kochrezept, wie sie es selbst nannte: »Die Therapiegestaltung richtet sich nach der Klimakteriumsphase, in der sich die Frau befindet. Deshalb wird die Frau in der Perimenopause weniger Estrogen brauchen, weil die Eierstöcke noch mitarbeiten. Je seltener die Periode, desto weniger tun sie das jedoch. Nach der Menopause arbeiten sie nicht mehr mit. So lässt sich grob abschätzen, welche Dosis an Estrogen man wählt, wie viele Hübe eines Estrogengels man beispielsweise also nimmt.« In der Phase bis zur Menopause würden sich deshalb Gynäkologen meist für eine sequenzielle Therapie entscheiden, bei der jeden Tag Estrogen und nur in der zweiten Zyklushälfte das Gelbkörperhormon verabreicht wird. Nach der Menopause therapiere man meist kontinuierlich kombiniert weiter, indem jeden Tag Estrogene und Gestagen zugeführt werden, so Stute.
Was die Darreichungsform angeht, ist der transdermale Weg in Form von Pflaster, Gel oder Spray die Therapie der ersten Wahl. Sie hat die gleiche Wirksamkeit wie die orale Therapie – etwa auch bezüglich der Osteoporoseprophylaxe – und sollte leitliniengemäß primär immer angeboten werden. Vor allem das Thromboembolie- und Schlaganfallrisiko werden auf diese Weise gesenkt. »Ein Hinderungsgrund für die transdermale Therapie wäre, dass diese von der Durchführbarkeit für die Patientin nicht tolerabel ist. Manche Patientinnen reagieren etwa mit Hautreizungen auf das Pflaster oder empfinden die Gelanwendungen als umständlich. Dann ist eine orale Therapie angezeigt, wenn es das kardiovaskuläre Risikoprofil zulässt.«
Therapieregime | Arzneiform | Wirkstoffe und Produktbeispiele |
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Estrogene transdermal | Gel | 17β-Estradiol: Gynokadin® Gel, Estreva® Gel |
TTS (einmal pro Woche) | 17β-Estradiol: Estramon®, Fem7®, Estradiol TTS | |
Spray | 17β-Estradiol: Lenzetto® Spray | |
Estrogene lokal | Vaginalcreme |
Estriol: Oekolp®-Creme, Ovestin®-Creme Estriol Wolff®, Oestro-Gynaedron® Vaginalcreme, Estradiol: Linoladiol® N |
Ovula und Vaginalzäpfchen | Estriol: Oekolp® Ovula, Ovestin® | |
Vaginalring | Estradiol: Estring® | |
Estrogene oral | Tabletten, Dragees |
Estradiol: Estrifam®, Gynokadin® Estriol: Estriol 2 mg fem, Ovestin®, Oekolp® |
Gestagene oral | Weichkapseln | Progesteron: Utrogest®, Progestan®, Famenita® |
Tabletten | Progesteron-Derivate: Chlormadinon 2 mg, Duphaston® | |
Zyklische und kontinuierliche Kombinationspräparate (Estrogen und Gestagen) | Dragees, Filmtabletten | Femoston® 1/10 mg, Cyclo Progynova® 2 mg/0,15 mg, Lafamme®, Angeliq® |
TTS | Fem7 Conti® |
Stehen vaginale Symptome wie Scheidentrockenheit im Vordergrund, empfiehlt Stute eine vaginale Therapie »so lange wie erforderlich. Denn im Gegensatz zu vasomotorischen Beschwerden verbessern sich urogenitale Beschwerden durch eine systemische Therapie nicht unbedingt und bleiben auch nach der Postmenopause bestehen«. Hierfür kommen Befeuchtungs- und Gleitmittel allein (wie Vagisan® Feuchtcreme/Cremolum mit Milchsäure, Kadefungin® Befeuchtungsgel mit Hyaluronsäure, Remifemin® Feuchtcreme mit Hamamelis, Multi-Gyn® LiquiGel) oder in Kombination mit einer vaginalen Estrogentherapie infrage. Gemäß der Leitlinie kann die Therapie so lange wie erforderlich angeboten werden, also auch dann, »wenn die übrige HRT bereits abgesetzt wurde«.
Was die Therapiedauer betrifft, verdeutlichte die Gynäkologin das Ausloten von Chancen und Risiken – auch wenn das Krebsrisiko durch eine Hormongabe heute sehr differenziert bewertet wird. Das altersbedingt leicht erhöhte Basisrisiko für Brustkrebs steige durch eine mehr als fünfjährige Kombinationstherapie, bei alleiniger Estrogengabe erfolgt die Risikosteigerung erst nach etwa sieben Jahren. Eine alleinige Estrogen-Behandlung ohne Gestagenschutz erhöhe allerdings das Risiko für ein Endometriumkarzinom, weshalb eine mindestens 10-, besser 14-tägige Begleit-Gestagenanwendung pro Behandlungsmonat Pflicht sei. Das Demenzrisiko sei lediglich bei einem Beginn der Hormonsubstitution ab dem 65. Lebensjahr erhöht. In der Kombinationstherapie habe sich natürliches Progesteron als »brustfreundlicher« erwiesen als synthetische Gestagene. Bezüglich des Risikos für kardiovaskuläre Erkrankungen stehe mikronisiertes Progesteron als »neutral« da. Dieses empfiehlt Stute auch, wenn Schlafstörungen zu den belastenden Symptomen gehören.
Am Beispiel des mikronisierten Progesterons machte Stute die Vorteile sogenannter bioidentischer Hormone deutlich. Dabei macht man sich den Verstoffwechslungsweg der physiologisch vorkommenden Substanz zu Nutze. »Oral aufgenommenes Progesteron wird sowohl vom Darmmikrobiom als auch von Enzymen in der Darmwand und in der Leber zu Allopregnanolon verstoffwechselt. Dieser Metabolit bindet im Gehirn an GABA-Rezeptoren, was den müdemachenden Effekt auslöst. Dieser Metabolisierungsweg macht klar, warum mikronisiertes Progesteron so beliebt bei Schlafstörungen in den Wechseljahren ist«, so Stute. »Mit synthetischen Gelbkörperhormonen ist dieser Effekt nicht zu erzielen, weil sie nicht zu Allopregnanolon metabolisiert werden. Die schlaffördernde Wirkung funktioniert auch nicht über den vaginalen Applikationsweg, weil das vaginale Mikrobiom anders verstoffwechselt als das intestinale.«
Die Hormonersatztherapie läuft heute überwiegend mit bioidentischen Vertretern ab, also mit Hormonen, die im Vergleich zu ihrer physiologischen Vorkommensweise chemisch-synthetisch nicht abgewandelt wurden. Stute erzählte, dass die letzten kombinierten, equinen Präparate, die aus dem Harn trächtiger Stuten gewonnen wurden und eine Mischung aus Estron- und anderen Estrogensulfaten enthielten, längst vom Markt verschwunden sind. Was die Gelbkörperhormone betrifft, bediene man hauptsächlich mit mikronisiertem Progesteron den Bedarf. Dennoch gebe es einige wenige Indikationen, für die synthetische Gestagene zu bevorzugen sind – »etwa bei den Antiandrogenen für Haut und Haare und bei Blutungsstörungen, da die künstlichen Gestagene potenter an der Gebärmutterschleimhaut wirken«.
»Würde man die Hormongabe nach fünfeinhalb Jahren beenden, ginge auch der Benefit hinsichtlich der Knochengesundheit oder kardiovaskulärer Erkrankungen verloren. Diese Erkrankungsrisiken würden lediglich 5 Jahre nach hinten verschoben. Das Ende der Hormongabe ist deshalb im Einzelfall genau zu überlegen, um den Benefit mitzunehmen«, gibt Stute zu bedenken. Die S3-Leitlinie gibt diesbezüglich keine klare Regel vor.
Die Gynäkologin bevorzugt das langsame Ausschleichen: »Setzt man abrupt ab, liegt die Wahrscheinlichkeit für wiedereinsetzende Beschwerden bei 50:50. Schleicht man dagegen langsam aus, merkt man zumindest, auf welche Dosis man wieder zurückkommen muss, um die Symptome im Griff zu haben. Beim abrupten Absetzen müsste man immer wieder mit der Ausgangsdosis starten.« So manche Frau entscheide sich laut der Gynäkologin erst in einem Alter um 65 Jahren für ein Ende der Hormontherapie. »Die meisten verlegen das auf die Zeit, wenn die Rente näher rückt. Da besteht nicht mehr so viel Druck des frühen Aufstehens und des Berufsstress und frau kann sich besser auf ihren Körper konzentrieren und schauen, was passiert, wenn man die Dosis runterfährt.«