Guter Ausgang bei bösen Wunden |
Isabel Weinert |
15.04.2024 11:45 Uhr |
Möglichst nicht barfuß laufen sollten Menschen, die aufgrund einer Grunderkrankung ein erhöhtes Risiko für eine chronische Wunde haben. / Foto: Adobe Stock/Goffkein
Wunden werden als chronisch bezeichnet, wenn sie über einen Zeitraum von acht Wochen nicht abheilen. Neue Wunden gelten dann als chronisch, wenn Betroffene bereits einmal eine schwer heilende Wunde hatten.
Chronische Wunden entstehen, wenn Menschen bereits an einer systemischen Erkrankung oder an mehreren davon leiden. Das bekannteste Beispiel ist Diabetes Mellitus, und zwar sowohl Typ-2- als auch Typ-1-Diabetes. Es kann jedoch auch eine periphere arterielle Verschlusskrankheit vorliegen, beziehungsweise eine chronisch venöse Insuffizienz (CVI). Immunologische Erkrankungen wie eine Vaskulitis oder Infektionen sind weitere Ursachen. Raucher sind zudem gefährdeter als Nichtraucher, alte Menschen mehr als junge.
Obwohl verschiedene Therapien zur Behandlung einer chronischen Wunde existieren, ist deren Ausheilung keine Selbstverständlichkeit. Die Gründe liegen schon im Anfang, im Gang zum Arzt. Nicht alle Ärzte erkennen die Gefahr für eine chronische Wunde und nicht immer werden Patienten einer adäquaten Therapie zugeführt. Es kann sinnvoll sein, Patienten zu raten, eine Fußambulanz aufzusuchen. Hier kümmern sich ausgewiesene Spezialisten, das steigert die Chancen auf Heilung.
Unbedingt muss die grundlegende Erkrankung ebenfalls behandelt werden – zum Beispiel bei Diabetes also die Blutzuckereinstellung. Allerdings kommen auch dann herkömmliche Methoden der Wundbehandlung oft an ihre Grenzen – so scheitern antibiotische Therapien häufig an multiresistenten Keimen und der Einsatz von Silber wird in Europa wegen zellschädigender Wirkungen immer mehr zurückgefahren.
Mitunter verhalten sich zusätzlich auch die Patienten falsch. So kümmern sie sich nicht nach ärztlicher Anweisung um die Behandlung ihrer Grunderkrankung oder sie rauchen weiter oder wissen einfache Verhaltensregeln nicht. Zu letzteren gehört zum Beispiel, die Füße nach dem Duschen immer mit klarem Wasser abzubrausen und nicht direkt aus der „Duschsuppe“ im Duschbecken herauszusteigen. Wessen Füße zu schweren Wunden neigen, der sollte auch möglichst nicht barfuß laufen und nicht selbst Pediküre betreiben. Hier muss eine Podologin ans Werk. Die Kosten für diese Fußpflege übernimmt in speziellen Fällen die Krankenkasse.
Häufige Wundkeime sind Escherichia coli, Pseudomonas aeruginosa und Staphylococcus aureus.
Es existiert bereits seit 2022 eine Leitlinie »Rationaler Einsatz von kaltem physikalischem Plasma«. Das neue Verfahren trägt den Namen »Plasmaaktivierte Hydrogel-Therapie« (PAHT). Hier wirkt sogenanntes Plasma in einem zuvor auf die chronische Wunde aufgetragenen Hydrogel. In diesem Kontext hat jüngst ein internationales Forschungsteam aus Australien, Japan, Großbritannien und den USA einen »bedeutenden Durchbruch« gemeldet: Mit Plasma aktivierte Wundheilgele töten auf natürliche Weise die infektiösen Keime in diabetischen Fußulzera ab und steigern körpereigene Abwehrmechanismen.
Es handelt sich um eine elektrochemische Methode, mit deren Hilfe die antimikrobielle Wirkung von Hydrogelen verstärkt wird. Zu diesem Zweck wird das Hydrogel mit Plasma aktiviert. Als Plasma bezeichnet man in der Physik ein Gas, dessen Atome durch Energiezufuhr von außen zum Teil ionisiert und leitfähig werden. Bei der PAHT wie auch bei dem in der Leitlinie genannten Plasma handelt es sich um sogenanntes Kaltplasma, das eine Maximaltemperatur von 40 Grad Celsius aufweist. Bei der PAHT werden Polyvinylalkohol-(PVA)-Hydrogelfilme mit einem Helium-Plasmastrahl behandelt.
Dies steigert elektrochemisch die Produktion von Wasserstoffperoxid (H2O2), einem wichtigen antibakteriellen Wirkstoff, der im PVA-Hydrogel produziert wird. Dieser elektrochemische Prozess erzeugt 3,4 mM H2O2 im PVA-Hydrogel. Mit der gleichen Methode wird auch die Produktion anderer Moleküle wie reaktiver Stickstoffspezies (RNS) gesteigert.
Das elektrochemisch verstärkte Hydrogel wirkt stark gegen die häufigen Wundpathogene Escherichia coli und Pseudomonas aeruginosa und stellt eine Alternative zu herkömmlichen Maßnahmen der Wundheilung chronischer Wunden dar. Außerdem regt die Methode die körpereigene Wundheilung an der betroffenen Stelle an.
Die Plasmatherapie zeigt höchstens geringe Nebenwirkungen und ist zudem ökologisch wertvoll, weil sie sich aus natürlich in Luft und Wasser vorkommenden Substanzen generiert und nur ungiftige und biologisch abbaubare Rückstände hinterlässt.
»Gegenwärtig werden für medizinische Anwendungen vor allem zwei Plasmaeffekte genutzt, zum einen die effektive Inaktivierung von Mikroorgansimen, die auch multiresistente Krankheitserreger einschließt, und zum anderen die Stimulation der Zellproliferation und Mikrozirkulation, aus der die Regeneration zerstörter Gewebeverbände resultiert«, schreiben es die Autoren der Leitlinie. Dementsprechend würden kalte Atmosphärendruckplasmen bisher vor allem erfolgreich in der Therapie schlecht heilender und chronischer Wunden, zur Behandlung erregerbedingter Hauterkrankungen sowie zur Behandlung mikrobiell infizierter Haut‐, Schleimhaut‐, Wund‐ und Tumoroberflächen eingesetzt. Eine weitere Eigenschaft kalter Atmosphärendruckplasmen sei es, Krebszellen abzutöten. Dieses Potential wird derzeit intensiv international erforscht. Es existiert hierzu jedoch noch kein kurativer Ansatz.