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Alopecia areata

Haarpracht auf Abwegen

Haarausfall gilt meist als typische Männerdomäne. Doch von der kreisrunden Form Alopecia areata sind häufig auch Frauen betroffen. PTA-Forum sprach mit dem Experten Professor Gerhard Lutz über die Ursachen und warum er für eine frühzeitige Behandlung plädiert.
Barbara Döring
06.04.2023  12:00 Uhr

Wenn sich ein Mann mit Glatze zeigt, erregt er damit kaum Aufmerksamkeit. Bei Frauen ist das immer noch anders. Als die Bachelorette Sharon Battiste sich ohne Haarpracht zeigte, trat sie damit zahlreiche Diskussionen in den Medien los. Dabei ist sie nicht die einzige Frau mit Alopecia areata, auch kreisrunder Haarausfall genannt. Er trifft nicht nur alle Geschlechter, sondern kann auch in jedem Alter auftreten. Nach der androgenetischen Alopezie ist Alopecia areata die zweithäufigste Form von Haarausfall. »Die Prävalenz liegt weltweit bei etwa zwei Prozent«, sagt Professor Dr. Gerhard Lutz, der zehn Jahre lang an der Hautklinik Bonn eine Sprechstunde für Areata areata aufbaute und leitete und sich seit Jahrzehnten intensiv mit dem Thema beschäftigt. In Deutschland sind mehr als 1,5 Millionen Menschen davon betroffen.

Alopecia areata tritt zunächst in 80 Prozent der Fälle am Kopf auf, manchmal sind aber auch andere Körperstellen initial betroffen. Häufig beginnt der Haarausfall mit einer kreisrunden Stelle, wobei mit der Zeit andere haarlose Stellen hinzukommen können, bis ganze Flächen unbehaart sind. Ist die gesamte Kopfbehaarung ausgefallen, spricht man von Alopecia areata totalis. Bei einem Verlust der gesamten Körperbehaarung liegt eine Alopecia areata universalis vor. Auch wenn prominente Beispiele wie die Bachelorette die Alopecia areata in die öffentliche Wahrnehmung rückte, ist sie kein neues Phänomen. »Die Alopecia areata ist keine Erkrankung der Neuzeit«, sagt Lutz. Schon 400 vor Christus hat Hippokrates den kreisrunden Haarausfall genau beschrieben. »Wahrscheinlich wurde sie aber bereits 1700 vor Christus in einem altägyptischen medizinischen Papyrus erwähnt«, wie Lutz bei seinen Recherchen herausfand. »Die alten Griechen verwendeten für diese Form des Haarausfalls das Wort Alopekia, abgeleitet vom Wort alōpex, was im griechischen Fuchs bedeutet. Weshalb man in diesen Fällen von einer Fuchskrankheit sprach, ist nicht klar. Vermutet wird, dass man die betroffenen Stellen mit den haarlosen Bereichen im Fell räudiger Füchse verglich«, so Lutz.

Angriff auf den Haarfollikel

Die Ursachen der Alopecia areata sind noch nicht abschließend geklärt. Die alten Griechen nahmen an, dass die Haare nicht richtig wachsen und die Haarwurzel gereizt werden müsse. »Dafür verwendeten sie Knoblauch, Senf und Zwiebeln als lokale Reiztherapie, die sich bis heute in der Volksmedizin mancher Länder gehalten hat«, berichtet Lutz. Sicher ist, dass T-Lymphozyten, eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen, im Sinne einer Autoaggression den Haarfollikel angreifen. Mit fortschreitender Entzündung kann dieser Prozess den Haarfollikel zerstören. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Haare nachwachsen, sinkt mit weiteren Schüben und zunehmender Ausprägung und geht irgendwann gegen Null, so die Erfahrung des Dermatologen. Ist nur eine kleine Stelle betroffen, ist die Chance, dass die Haare von alleine nachwachsen, deutlich höher, als wenn bereits mehrere kahle Areale bestehen. »Wehret den Anfängen« ist deshalb Lutz’ Devise. »Ich würde jeden Areata-Herd behandeln, selbst wenn er nur die Größe eines Centstücks hat«, sagt der Experte. Maximal drei Monate könne man abwarten, ob die Haare von selbst wieder wachsen. »Die Spontanheilung liegt erfahrungsgemäß jedoch unter 15 Prozent«, berichtet der Experte.

Hoch dosierte Corticoide

Solange die Haarwurzel nicht zerstört ist, kann das Haar nachwachsen, sagt Lutz. Allerdings ist der langfristige Erfolg schwer vorhersehbar und die Wirkung kann nur zeitlich begrenzt. Das erste Ziel der Therapie ist es, die Entzündung zu unterdrücken. Dabei ist laut Lutz ein stark wirksames Kortikosteroid, wie Clobetasol, die erste Wahl, das als Lösung und Creme über 12 bis 16 Wochen auf die Kopfhaut appliziert wird. Bei schweren Formen wird teilweise auch eine systemische Corticoid-Stoßtherapie versucht. »Setzt man diese systemische Therapie ab, ist das Risiko sehr hoch, dass die Haare wieder ausfallen«, sagt Lutz. Diesen Effekt hat er jedoch bei der lokalen Steroidtherapie nie beobachtet. Für ausgedehnte und schwere Formen ist für Erwachsene die topische Immuntherapie mit DCP (Diphenylcyclopropenon) eine Option. Durch die Applikation über mehrere Monate auf die Kopfhaut wird ein moderates Kontaktekzem provoziert, das die T-Lymphozyten von den Haarfollikeln in die Oberhaut ablenkt. Die Erfolgsraten der Therapien liegen zwischen 45 und 85 Prozent. Allerdings hat diese Substanz keine Zulassung als Medikament und besitzt gewisse Risiken.

Als unterstützende Maßnahmen kommt die mehrmonatige Supplementation von Zink in Betracht, das bei der Modulation der Immunantwort eine Rolle spielt. »Zink fördert allgemein das Haarwachstum, hat eine antientzündliche Wirkung und verändert die Zusammensetzung des T-Zell-Infiltrats«, sagt Lutz, der bei seinen Patienten Zink in Verbindung mit Aminosäuren einsetzt.

Neue Therapieansätze

Seit letztem Jahr steht mit dem Januskinase-Inhibitor Baricitinib (Olumiant®) eine neue Therapieoption für Erwachsene mit schwerer Alopecia areata zur Verfügung. Die Substanzklasse blockiert die fehlgeleitete Abwehrreaktion des Körpers und wird täglich als Tablette verabreicht. Bei der Anwendung sind Nutzen und Risiken gegeneinander abzuwägen. Trotz der EU-weiten Zulassung ist hierzulande die Kostenübernahme noch nicht geklärt, sodass die Krankenkassen die zum Teil erheblichen Kosten trotz oft erheblicher psychischer Belastung nicht automatisch übernehmen, da Haarwuchsmittel als Lifestyle-Arzneien eingestuft sind. Perücken gelten dagegen bei Alopecia areata als Hilfsmittel und werden in der Regel in der Standardausführung erstattet. Die Bachelorette fühlt sich auch ohne Haarersatz schön. Seit sie sich davon trennte, sei die für sie Krankheit beendet.

 

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