Haferwurzel – das vergessenes Gemüse |
Die Haferwurzel ist in Gemüsegärten selten anzutreffen. Dabei ist ihr Anbau nicht kompliziert, und das frostharte Gemüse kann den gesamten Winter über geerntet werden. / Foto: Okapia/Nigel Cattlin
Die Haferwurzel kommt zunächst etwas eigentümlich daher, denn sie trägt einen langen »Bart« in Form kleiner Wurzeln. Die 15 bis 30 cm lange Pfahlwurzel ist neben der Bezeichnung Lauchblättriger Bocksbart und Habermark auch unter Haferwurz oder Weißwurzel bekannt. Da das Wintergemüse bei der Zubereitung ein dezentes Austernaroma entwickelt, wird sie im Englischen auch als Gemüseauster (englisch: oyster plant) bezeichnet. Übrigens: Die Haferwurzel hat nichts mit dem Getreide Hafer zu tun.
Die Gemüsepflanze aus der Familie der Korbblütlergewächse ist eine uralte Wildpflanze aus dem Mittelmeerraum, die schon in der Antike erwähnt wurde. Über die Römer gelangte das süßlich-nussig schmeckende Gartengemüse weiter Richtung Mitteleuropa zu den Germanen. Im 16. und 17. Jahrhundert etablierte sich die Haferwurzel (Tragopogon porrifolius) zu einem beliebten nahrhaften und wohlschmeckenden Wintergemüse. Die Wurzel wurde geröstet und gemahlen sogar als Kaffeeersatz verwendet. Sie galt als Stärkungsmittel für »Schwindsüchtige und Ausgezehrte«. Auch ein alemannisches Sprichwort besagt: »Habermark macht'd Bube stark.« Ab dem 18. Jahrhundert vertrieb dann die Schwarzwurzel ihre Verwandte aus den Gärten.
Die Haferwurzel wächst gut auf schweren Böden, wie man sie hierzulande häufig findet. Ein Nachteil ist allerdings: Sie muss mit der Hand geerntet werden. Maschinen würden die Barthaare abreißen und die Wurzel würde milchig ausbluten. Diese Umstände verhindern einen Anbau im großen Stil. Aus diesem Grund findet man die Haferwurzel fast nur in Läden von Bio-Bauernhöfen oder solchen, die von diesen Höfen beliefert werden, mit etwas Glück auch auf dem Wochenmarkt oder online über einen Gemüse-Bestellservice. Im freien Handel entdeckt man Haferwurzeln eher selten. Sie sind auch zunehmend wieder in privaten Gärten zu entdecken, denn der eigene Anbau gelingt sehr gut. Wer Haferwurzel selbst anbaut, der kann sich im Frühjahr zudem an den hübsch violetten und essbaren Blüten erfreuen und beispielsweise einen Salat optisch und gesundheitlich aufpeppen. Auch die neuen Triebe können verzehrt werden.
Wer hin und wieder zu frischer Schwarzwurzel greift, der kennt das Phänomen: Auch beim Schälen der gelblich-weißen Rinde und Schneiden der Haferwurzel tritt Milchsaft aus, der an der Luft oxidiert. Dadurch läuft die Wurzel braun an. Um das zu verhindern, sollte die Wurzel unter fließendem Wasser geschält werden (zum Beispiel mit einem Spar- oder Spargelschäler). Im Kochwasser hilft ein Schuss Zitronensaft (oder Essig) als Antioxidans, die schöne, helle Farbe der Wurzel zu erhalten. Das Tragen einer Schürze und Gummihandschuhe helfen, Kleidung und Hände vor dem klebrigen Milchsaft zu schützen.
Haferwurzeln sind kalorienarm und proteinreich, sie liefern unter anderem Calcium, Magnesium, Kalium, Vitamine, vor allem aus der B-Gruppe, sowie Carotinoide und weitere Pflanzenstoffe. Davon profitieren Knochen, Zähne, Nerven, Blutdruck gleichermaßen und insgesamt die Abwehrkräfte. Viele Menschen sind jetzt in der kalten Jahreszeit von Infekten gezeichnet, sodass der Bedarf nach natürlichen Stärkungsmitteln wie die Haferwurzel besonders hoch ist.
Das besondere Extra: Die Haferwurzel enthält Inulin. Der Ballaststoff bewirkt, dass Kohlenhydrate aus der Nahrung nicht zu schnell ins Blut aufgenommen werden. So werden Blutzuckerspitzen verhindert. Durch eine präbiotische Wirkung fördert die Wurzel zudem eine gesunde Mikroflora im Darm. Damit ist sie nicht nur für Diabetiker ein tolles Wintergemüse. In der Naturheilkunde wird die Haferwurzel ebenfalls aufgrund ihrer harntreibenden, blutreinigenden und krampflösenden Wirkung empfohlen. Auch Leber und Galle sollen durch den Verzehr gestärkt werden.
Die Haferwurzel schmeckt milder und aromatischer als die kräftigere Schwarzwurzel. Sie wird jedoch ähnlich zubereitet wie ihre verwandte Wurzel, kann aber durchaus auch einmal »mit Haut und Haaren« verzehrt werden. Dafür die Wurzel nur vorsichtig unter fließendem Wasser mit einer Wurzelbürste reinigen.
Die nussig-süßen Wurzeln sind vielseitig in der Küche einsetzbar: ob als Auflauf, in einer Quiche, Tarte, als pürierte Suppe, Püree, Gemüsebeilage zu Fleisch oder Fisch, in Scheiben geschnitten in der Pfanne gebraten, in Pasta-Gerichten, als marinierte Vorspeise oder Salat. Zum Beispiel Möhren, Pastinaken, Feldsalat, Nüsse und Kerne, Äpfel, Zitrusfrüchte, Petersilie und viele weitere Lebensmittel harmonieren perfekt mit dem Wurzelgemüse.
Die Haferwurzel eignet sich perfekt für cremige Suppen. / Foto: Adobe Stock/Magdalena Bujak
Zubereitung (für 4 Personen): 400 g Haferwurzel – wie beschrieben – schälen, klein schneiden und zügig in Zitronenwasser (2 EL Zitronensaft) legen. 2 Schalotten und 4 Kartoffeln schälen. Die Schalotten werden gewürfelt, die Kartoffeln geviertelt. Nun die Schalotten in 2 Teelöffel Pflanzenöl anbraten. Die Haferwurzeln und Kartoffeln dazugeben und circa 5 Minuten dünsten. Das Ganze mit Salz, Pfeffer und Muskat würzen. Mit 800 ml Gemüsebrühe angießen und circa 20 Minuten garen. Jetzt die Suppe pürieren und 3 bis 4 Esslöffel saure Sahne hinzugeben. Serviert wird die Suppe mit ein paar angerösteten Kürbiskernen und ein paar Tropfen Kürbiskernöl. Alternativ passen auch selbst gemachte Sellerie- oder Topinambur-Chips, ein paar Chili-Fäden oder etwas Petersilie gut als Topping. Guten Appetit!