Halsschmerzmittel überzeugen nicht |
Für »Stiftung Warentest« sind Mund-Rachen-Therapeutika aus der Apotheke zur Behandlung von Halsschmerzen »ihr Geld nicht wert«. / © Getty Images/fizkes
Die Verbraucherschützer haben 24 häufig gekaufte Lutschpastillen, Halssprays oder -tabletten gegen Halsentzündungen genauer unter die Lupe genommen und ihre Ergebnisse in der »test«-Ausgabe 12/2024 veröffentlicht. Dazu haben sie Studien gesichtet, die Erkenntnisse über Wirkung, Nutzen und Risiken der Erkältungshelfer liefern. Das Fazit fällt ernüchternd aus: Nur 5 der 24 Produkte sind demnach geeignet, um Halsbeschwerden zu behandeln – und das auch nur mit Einschränkung. »Der große Rest ist sein Geld nicht wert«, schreiben die Warentester. Oft könnten auch wirkstofffreie Bonbons aus dem Supermarkt und andere Hausmittel helfen, und zwar günstiger und ohne Nebenwirkungen.
Grundsätzlich gilt: Haben Erkältungsviren die Schleimhäute befallen, gibt es kein Heilmittel, das die Entzündung verschwinden lassen könnte. Innerhalb von zwei bis sieben Tagen heilt die Infektion von selbst ab, die Schleimhaut regeneriert sich. In dieser Zeit lassen sich jedoch die lästigen Beschwerden wie Halskratzen und -schmerzen sowie Heiserkeit lindern. Das dürfe man auch von den getesteten Mitteln erwarten, schreibt Stiftung Warentest. Allein der Lutschvorgang rege den Speichelfluss an, was Mund und Rachen befeuchtet und der Schleimhaut guttut. Das stimmt so weit, meint PTA-Forum, reicht aber nicht, um manifeste Halsschmerzen im Rahmen eines Infekts zu therapieren.
Die Wirkstoffe hingegen könnten oft weniger ausrichten, als manch einer sich erhofft. Beim schmerzstillenden und entzündungshemmenden Benzydamin etwa stellt »test« fest: Es sei nicht belegt, dass der Wirkstoff bei Halsentzündungen mehr bewirkt als ein Placebo. Hinzu komme sein allergieauslösendes Potenzial. Und so lautet die Bewertung: »wenig geeignet«. Auch bei anderen Wirkstoffen kritisieren die Tester vor allem die potenziellen Nebenwirkungen. Beim Wirkstoff Flurbiprofen wird die Entstehung von Geschwüren in der Mundschleimhaut genannt. Eine Einordnung zur Relevanz erfolgt nicht (Hinweis von PTA-Forum: Diese treten mit einer Häufigkeit von 1 bis unter 10 Prozent auf). Weiter heißt es lapidar: Mit Präparaten, die mehrere Wirkstoffe kombinieren, erhöht sich auch das Risiko von Nebenwirkungen. Wirkungsvoller sind sie der Stiftung Warentest zufolge nicht. Und antiseptische Wirkstoffe töten laut »test« nicht nur unerwünschte, sondern auch nützliche Bakterien ab – diese Einschätzung ist pharmazeutisch nachvollziehbar.
Wie erfolgt die Therapie von Halsschmerzen leitliniengemäß und damit beratungsrelevant? Die aktuelle S3-Leitlinie zur Indikation Halsschmerzen/Pharyngitis zeigt eine klare Abkehr von der Antibiotika-Therapie. Sämtliche Rachentherapeutika – also Lutschtabletten, Gurgellösungen, Rachensprays – mit Lokalantiseptika und/oder Antibiotika werden darin nicht empfohlen. Abgesehen von der mangelnden Evidenz sei die Anwendung dieser Präparate bei einer mehrheitlich viral bedingten Infektion nicht nachvollziehbar und nicht sinnvoll. Als rationalen Ansatz zur Behandlung von akuten Halsschmerzen sehen die Leitlinienautoren vielmehr die symptomatische Therapie mit lokalanästhetischen und antientzündlichen Wirkstoffen. Das sind entweder Lutschtabletten mit Lokalanästhetika wie Benzocain oder Ambroxol sowie mit nicht steroidalen Antirheumatika wie Flurbiprofen oder bei starken Schmerzen orale NSAR wie Ibuprofen und Naproxen. Bei den Lokaltherapeutika ist jedoch laut Leitlinie nur ein moderater Effekt zu erwarten.
Immerhin fünf Produkte beurteilen die Warentester als »mit Einschränkung geeignet«. Sie linderten die Beschwerden zwar nicht besser als andere Mittel im Test, brächten aber keine gravierenden Nebenwirkungen mit sich. Dabei handelt es sich um die Gelorevoice® Halstabletten Kirsch-Menthol, die Ipalat® Hydro Med Lutschpastillen, die Isla® Junior Pastillen, Isla® med akut Zitrus-Honig Pastillen und Isla® Moos Pastillen. Die Warentester fordern einerseits eine noch »besser belegte therapeutische Wirksamkeit«. Andererseits weisen sie auf die Tatsache hin, dass es sich bei den genannten Präparaten um Medizinprodukte und nicht um Arzneimittel handelt.
Medizinprodukte vermitteln ihren Effekt rein physikalisch. Sie arbeiten nicht pharmakologisch und nutzen keine Arzneistoffe, die systemisch wirken. Das Wirkprinzip erklärt »test« am Beispiel der Schleimstoff-enthaltenden Flechte in Isländisch Moos. Die Polysaccharide und Schleimstoffen legen sich wie ein Film auf die degenerierten Schleimhäute und bieten somit einen Schutz vor weiteren Reizen. Was die Verbraucherschützer nicht erwähnen: Diese filmbildenden Lutschtherapeutika haben ein anderes Indikationsgebiet als etwa die nicht steroidalen Antirheumatika: Statt »Halsschmerzen/Pharyngitis« ist da nur von »Halskratzen, Hustenreiz und Heiserkeit« die Rede.
Die teuersten Produkte im Test kosten mehr als 15 Euro. Günstiger, aber ähnlich gut ließen sich den Testern zufolge Halsschmerzen mit Hausmitteln lindern, zum Beispiel mit sauren Bonbons. Je saurer sie seien, desto mehr Speichel würde sich bilden, was die Schleimhäute besser befeuchte. Wie bitte? Saure Bonbons bei Halsschmerzen sind wohl eher kontraproduktiv und reizen die Schleimhäute erst recht, meint PTA-Forum.
Nichts ist dagegen gegen den Tipp zu sagen, viel zu trinken, zum Beispiel Tee mit Salbei, Thymian und Lindenblüten. Empfehlenswerter ist es jedoch zu gurgeln mit Salzwasser oder Hyluronsäure-haltigen Lösungen Auch das bringt eine Art Schutzschild auf die Schleimhaut in Mund und Rachen.