Hautkrebsrisiko unter HCT-Einnahme leicht erhöht |
Konsequent umgesetzte Sonnenschutzmaßnahmen beugen der Entstehung von Hautkrebs vor. / Foto: Getty Images/Tom Merton
Hydrochlorothiazid kann zur Erstlinientherapie bei hohem Blutdruck verordnet werden. Auch bei Herzinsuffizienz kommt es oft zum Einsatz. Als Erklärung für die photosensibilisierende Wirkung von HCT wird postuliert, dass es aufgrund seiner Sulfonamid-Struktur Photonen in der Haut absorbiert, was zu direkten oder indirekten DNA-Schäden durch die Bildung von freien Radikalen, Entzündungen und Schäden des umliegenden Gewebes führen kann. Das könnte die Entstehung von Krebs begünstigen.
Pharmakoepidemiologische Studien aus Dänemark brachten die langfristige Anwendung von HCT mit einem erhöhten Risiko für Hautkrebs (Plattenepithel-Karzinome und Basalzell-Karzinome, aber keine Melanome) in Zusammenhang. Dies führte 2018 zu einem Rote-Hand-Brief in Deutschland. Demnach sollen seitdem Patienten unter HCT-Therapie auf ein erhöhtes Hautkrebsrisiko und die damit verbundenen Schutzmaßnahmen hingewiesen werden, also konsequenten Sonnenschutz und regelmäßige Hautkrebs-Vorsorgeuntersuchungen. Bei Patienten mit Basaliom oder Spinaliom in der Vorgeschichte soll der Einsatz von HCT sorgfältig abgewogen werden.
Nach wie vor gehört HCT zu den am häufigsten verordneten Arzneistoffen, in der Regel in Kombination mit anderen Wirkstoffen. Trotzdem wird geschätzt, dass bei etwa 840.000 Patienten allein in Deutschland eine HCT- oder andere Thiazid-haltige Therapie als Reaktion auf die Warnung beendet wurde. Unklar ist, ob dies zu einer schlechteren Blutdruckeinstellung oder einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz geführt hat, schreibt ein deutsches Forschungsteam in einem aktuellen Paper im »Journal of Hypertension«. Als mögliche Alternative gilt Chlortalidon, wobei für dieses Diuretikum noch keine Daten zum Hautkrebsrisiko vorliegen.
Die Forschenden unter Leitung von Dr. Felix Götzinger vom Universitätsklinikum des Saarlands werteten nun die Daten von knapp 200.000 Versicherten der AOK Plus aus. 76.855 Personen nahmen HCT ein, die Vergleichsgruppe ohne HCT umfasste 122.583 Versicherte unter Therapie mit einem anderen Diuretikum. In die endgültige Analyse flossen die gematchten Daten von jeweils 61.277 Versicherten ein, die fast alle hohen Bluthochdruck hatten. Der Altersdurchschnitt lag bei 73 Jahren.
Insgesamt trat Krebs aller Arten in der HCT-Gruppe sogar etwas seltener auf als in der Vergleichsgruppe. Die Inzidenzrate pro 100 Patientenjahre lag bei 0,84. Das Risiko für Hautkrebs dagegen war unter HCT leicht erhöht (Inzidenzrate: 1,14). Damit sind laut Berechnung der Studienautoren aber nur 0,05 zusätzliche Hautkrebsdiagnosen pro 100 Patientenjahre verbunden.
Da die allgemeine Evidenz zur HCT-induzierten Karzinogenese widersprüchlich sei und hauptsächlich auf Beobachtungen beruhe, seien weitere randomisierte kontrollierte Studien erforderlich, um die Beziehung zwischen HCT und Krebsentstehung zu untersuchen, schreibt das Autorenteam und rät: »Diuretika als Eckpfeiler der Behandlung kardiovaskulärer Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck und Herzinsuffizienz, die beide schädliche Folgen haben können, sollten nicht abgesetzt werden, bevor solide Beweise für Schäden und therapeutische Alternativen vorgelegt werden.«
Da jedoch einige Ungewissheiten bestehen, sollten Patienten mit erhöhtem Hautkrebsrisiko identifiziert und geschützt werden. Die photosensibilisierende Wirkung von HCT, anderen Thiaziden und Thiazid-ähnlichen Diuretika steht außer Frage. Daher sollte man Patienten unter Therapie mit entsprechenden Wirkstoffen generell zu sorgfältigem Sonnenschutz raten.