Hautpflege für Krebspatienten |
Sich trotz Tumorerkrankung in der Haut wohlzufühlen, ist ein wichtiges Ziel der Hautpflege. / Foto: Adobe Stock/YURI ARCURS PRODUCTIONS
Dass eine Strahlentherapie der Haut zusetzt, liegt auf der Hand. Doch auch systemische Varianten wie die klassische Chemo- oder orale Tumortherapie bedeuten Stress für die Haut. Da sich nicht nur Krebszellen rasch teilen, sondern auch solche der Haut, Schleimhaut und der Anhangsgebilde wie Haare und Nägel, reagieren sie auf eine onkologische Behandlung besonders empfindlich. Und so sind entzündete, juckende Haut(partien), teils mit Bläschen oder Pusteln, Haarausfall sowie brüchige Nägel unter einer Krebstherapie keine Seltenheit.
Die Hautveränderungen können bereits in der ersten Behandlungswoche auftreten, so etwa unter der gezielten Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren oder EGFR-Inhibitoren wie Cetuximab, Afatinib, Erlotinib oder Geftinib. Vor allem auf Letztere reagieren die Betroffenen mit einem akneartigen Ausschlag im Gesicht und dem oberen Brust- und Rückenbereich. Die Papeln und Pusteln verkrusten mit der Zeit, zurück bleibt eine trockene, dünne und sehr lichtempfindliche Haut.
Ein Hand-Fuß-Syndrom, bei dem die Extremitäten schmerzen, anschwellen und rissig werden, ist eine typische Nebenwirkung bestimmter Zytostatika wie 5-Fluorouracil (5-FU), Capecitabin, Docetaxel oder Doxorubicin. Aber auch bei zielgerichtet wirkenden Kinasehemmern wie Sorafenib, Sunitinib oder Axitinib können Hand und Fuß reagieren. Die bekannteste dermatologische Nebenwirkung ist freilich die Radiodermatitis, die etwa drei bis vier Wochen nach Beginn einer Strahlentherapie auftritt. Sie ereilt mindestens Dreiviertel aller Brustkrebs- oder Rektumkarzinompatienten.
In jedem Fall sind dermatologische Nebenwirkungen weit mehr als Befindlichkeitsstörungen. Nicht selten machen sie – zumindest vorübergehend – eine Dosisreduktion, eine Verlängerung der Behandlungsintervalle oder sogar einen Therapieabbruch erforderlich. Dies gilt es zu verhindern.
Eine spezielle und regelmäßige Hautpflege könne nachweislich das Ausmaß der Hautprobleme mindern oder sogar deren Auftreten verhindern, informiert der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums auf seiner Website. Dabei gilt es, bereits vor dem ersten Behandlungstag mit einer adäquaten Basispflege zu beginnen, nicht erst, wenn Hautirritationen bereits da sind.
Inwiefern die Haut insbesondere auf die energiereiche Strahlung reagiert, lässt sich im Einzelfall nicht vorhersagen. Zu individuell unterschiedlich wird die Radiotherapie eingesetzt. Das Ausmaß der Hautbeeinträchtigungen ist abhängig von der Gesamtstrahlendosis, von der Fokussierung der Strahlenquelle und den Zeitabständen der Einzeldosen und – nicht zuletzt – vom Ausgangszustand der Haut der Betroffenen.
Die rechtzeitige Basispflege stabilisiert die Hautbarriere. Dazu muss sie sowohl rückfettende als auch hydratisierende Inhaltsstoffe enthalten. Geeignete Wirkstoffe nennt etwa die 2020 erschienene S3-Leitlinie zur supportiven Therapie bei onkologischen PatientInnen, die praktische Tipps zur Prophylaxe und Therapie der Strahlendermatitis gibt, oder das aktuelle Positionspapier zur Xerosis cutis (trockene Haut).
Grundsätzlich sind rückfeuchtende Inhaltsstoffe wie Urea oder Glycerin das A und O. Um physiologische Barrierelipide zuzuführen, sollten in der Formulierung zusätzlich Ceramide, Sterole, Squalene, Sheabutter oder Nachtkerzensamenöle enthalten sein. Hautberuhigende oder juckreizstillende Inhaltsstoffe wie Niacinamid und Dexpanthenol können bei bereits bestehender Dermatitis angewandt werden. Beispiele sind etwa Linola® Radioderm von Dr. Wolff, Dermasence® BarrioPro und Adtop plus oder Lipikar® Syndet AP+ oder Lipikar® Baume AP+M von La Roche-Posay.
Die beste Evidenz bei trockener Haut hat Harnstoff. Seine Wirksamkeit lässt sich in Kombination mit anderen natürlichen Feuchthaltefaktoren und Ceramiden, dem Zellkitt, noch steigern. Grundsätzlich gilt: Mit je weniger Inhaltsstoffen eine Pflege auskommt, desto besser. Zubereitungen mit Alkohol (trocknet zusätzlich aus), Duft- und anderen potenziell allergisierenden Stoffen (gerade bei solchen mit pflanzlichen Inhaltsstoffen) sind zu meiden.
Wie effektiv die prophylaktische Stärkung der Hautbarriere ist, belegt eine aktuelle Analyse von sechs randomisierten Studien mit insgesamt 788 Brustkrebspatientinnen. Dabei war der prophylaktische Einsatz von Folienverbänden mit einer signifikanten Abnahme der Häufigkeit von Radiodermatitis assoziiert.
Die Funktion des Folienverbands liegt darin, eine atmungsaktive Schutzschicht über der irritierten Haut zu bilden. Diese soll verhindern, dass die Haut weiter durch mechanische Einflüsse wie Reibung oder in den Hautfalten eingeschlossenen Schweiß beschädigt wird. Darüber hinaus soll der Heilungsprozess beschleunigt werden. Eine weitere wichtige Komponente ist die Einschränkung des Wasserverlusts der Haut, welcher ebenfalls Auswirkungen auf den Schweregrad der Radiodermatitis hat. Der Folienverband kann hierfür über mehrere Wochen auf der Haut verbleiben, ohne dabei beim Entfernen selbst Hautirritationen zu verursachen.
Welche Hautpflege für den jeweiligen Patienten infrage kommt, muss der Betroffene austesten. Die Vorliebe für ein Präparat kann sich auch im Laufe der Therapie ändern. Nimmt zum Beispiel im Laufe einer Strahlentherapie der transepidermale Wasserverlust zu und die Sebumsekretion ab, wird vermutlich eine höher konzentrierte Zubereitung an Lipiden und Feuchthaltefaktoren als angenehmer empfunden.
Die Hautpflege sollte mit dem Radiologen abgesprochen werden. Wichtig: Das regelmäßige Fetten und Feuchten der Haut sollte zwischen den Bestrahlungssitzungen laufend erfolgen. Direkt vor den Sitzungen sollte das Bestrahlungsareal dagegen nicht eingecremt werden.
Reinigung und Pflege der Haut müssen unter der Maßgabe erfolgen, die Hautmarkierungen, die der Radioonkologe für die gezielte Ausrichtung der Strahlung anbringt, nicht von der Haut abzuwischen. Vor einiger Zeit noch wurde Patienten oft geraten, die betroffene Körperregion nicht zu waschen. Eine solche Empfehlung gibt es heute nicht mehr. Am besten duscht man kurz mit lauwarmem Wasser, allenfalls milde Waschsyndets sind erlaubt. Beim Abtrocknen heißt es: abtupfen statt trocken rubbeln. Danach die Haut sofort eincremen.
Ansonsten gilt es, viel frische Luft an die Haut zu lassen und sie vor direkter Sonneneinstrahlung zu schützen. Lockere, gut sitzende und nicht scheuernde Kleidung sowie kein Schmuck auf dem bestrahlten Hautareal schützen die Haut vor mechanischer Reizung. Für Frauen mit einem Mammakarzinom kann das für einige Wochen auch Verzicht auf einen BH bedeuten.
Reagiert die Haut trotz optimaler Pflege irritiert, muss alles dafür getan werden, der Entzündung Einhalt zu gebieten. Es besteht zum Beispiel die Möglichkeit, mit kühlenden Umschlägen die Haut zu beruhigen oder mit hoch dosierten Corticoid-haltigen Topika zwischen den Therapiesitzungen gegen die Entzündung vorzugehen, um sie für die nächste Einheit vorzubereiten. Die Gefahr atrophierter Haut ist bei einer kurzzeitigen lokalen Corticoid-Therapie nicht gegeben.