Heilpflanze des Jahres 2024 |
Holunderbeeren strotzen regelrecht vor gesunden Inhaltsstoffen – sollten jedoch nicht roh verzehrt werden. / Foto: Getty Images/2ndLookGraphics
»Mit der Auszeichnung des Schwarzen Holunders rückt ein Gewächs in den Mittelpunkt, das schon in vorchristlicher Zeit hoch geschätzt war«, heißt es in einer Mitteilung von NHV Theophrastus. Der gemeinnützige Verein macht es sich zur Aufgabe, das Wissen um altbekannte Heilpflanzen zu erhalten und weiterzugeben.
»Viele Menschen nutzen Holunderbeersaft oder auch den Blütentee bei Erkältungskrankheiten«, sagt der Heilpraktiker und Jury-Vorsitzende Konrad Jungnickel. »Aber dass Holunder auch bei anderen Leiden helfen kann, weiß kaum noch einer.« So könne Holunder auch bei Hautunreinheiten, Rheuma oder bei Obstipation zum Einsatz kommen. Inhaltsstoffe wie Flavonoide und ätherische Öle, ein hoher Vitamin-C-Gehalt der Früchte sowie Gerb- und Mineralstoffe seien die Ursache dieses breiten Anwendungsgebiets.
Sambucus nigra gehört der Familie der Adoxaceae, also der Moschuskrautgewächse, an. Als Arzneidroge werden dessen Blüten (Sambuci flos) und Früchte (Sambuci fructus) verwendet. Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hat für die Anwendung von Sambuci flos zur frühsymptomatischen Behandlung gewöhnlicher Erkältungen den Status »traditional-use« vergeben. Das heißt, dass die Droge oder Zubereitung länger als 30 Jahre und davon mindestens 15 Jahre in der EU verwendet wird und die Wirksamkeit plausibel ist.
Von den weltweit etwa zwanzig Holunderarten sind in Deutschland nur der Zwergholunder (Sambucus ebulus), der Rote (Sambucus racemosa) und der Schwarze Holunder (Sambucus nigra) heimisch. Ist allgemein von »Hollunder« die Rede, ist gewöhnlich letzterer gemeint – vielleicht weil er so allgegenwärtig scheint. Holunder ist sehr anspruchslos, sodass er mit seinen flachen Wurzeln oftmals in Siedlungsnähe und auf unwirtlichem Untergrund als Erstling zu finden ist. Auch an Feldrändern, in Hecken und sonnendurchfluteten Waldstücken heimisch, erreicht das schnellwachsende Gehölz eine Höhe von bis zu zehn Metern. Es kann vorkommen, dass ein Holunder bis zu einhundert Jahre alt wird und dann eher einem Baum gleicht.
Nach dem phänologischen Kalender zeigt die Blüte des Schwarzen Holunders den Frühsommer an. Dann leuchten die handtellergroße flache Scheindolden aus unzähligen, winzigen, cremeweißen Blüten mit auffälligen gelben Staubbeuteln weithin sichtbar und verströmen einen sehr süßen Duft. Der unverwechselbare Geruch kann in Sirup oder Gelee konserviert werden und das alkoholische Modegetränk »Hugo«, für das Holunderblütensirup verwendet wird, erfreut sich anhaltender Beliebtheit.
Im Spätsommer hängen die Dolden, schwer von vielen kleinen, schwarzglänzenden Früchten, nach unten. Diese gehören zu den Steinfrüchten, werden aber gemeinhin als Beeren bezeichnet und sind bei Menschen und Tier beliebt. Wer direkt roh vom Strauch naschen möchte, sollte sich vorsichtig an sein individuelles Maß Verträglichkeit herantasten, da sich andernfalls Übelkeit, Erbrechen und Durchfall einstellen können. Unbedenklich sind die Beeren sobald sie zu Saft oder Marmelade über etwa eine halbe Stunde gekocht wurden.
Ganz nebenbei unterstützt der Genießer mit der »Heilpflanze des Jahres 2024« sein Wohlergehen. »Ein kostenloses Superfoot, das mit kleinem Aufwand vor der eigenen Tür beschafft werden kann« heißt es aus der Jury, welche für den gemeinnützigen Verein NHV Theophrastus seit 2003 einen Jahressieger der Heilpflanzen kürt. Dass Bahndämme oder Ränder befahrener Straßen und konventionell bewirtschafteter Äcker keine geeigneten Sammelstellen seien, wird ausdrücklich noch hinzugefügt.
Ob selbst geerntet oder als Saft gekauft – Holunderbeeren strotzen regelrecht vor gesunden Inhaltsstoffen. Dazu gehören zahlreiche Vitamine und Mineralstoffe wie Magnesium, Kalium, Phosphor und Eisen in Abhängigkeit vom Standort der Pflanze. Flavonoid- und Anthocyanglykoside, Aminosäuren, Phenolsäuren, Triterpene, Schleim- und Gerbstoffe sind ebenfalls darin eingeschlossen. Dieses vielgestaltige Zusammenspiel sekundärer Pflanzenstoffe ist die Ursache der antiviralen, antioxidativen und immunstärkenden Eigenschaften des Holunders. Wer also beginnend mit der Erntezeit regelmäßig den Saft oder eine Suppe aus den Früchten zu sich nimmt, stärkt seine körpereigene Abwehr vorbeugend und kommt entspannter durch Herbst und Winter. Holunderbeeren haben außerdem eine leicht abführende und schmerzlindernde Wirkung.
Als traditionelles Heilmittel werden die Blüten des Schwarzen Holunders von der Europäischen Arzneimittelagentur anerkannt. Eingesetzt werden sie vor allem als schweißtreibendes Mittel am Beginn von Erkältungskrankheiten. Sie haben ebenfalls einen sekretolytischen Effekt, welcher dafür sorgt, dass die Atemwege gut befeuchtet und der Sekretauswurf verbessert wird. Festsitzender Schleim bei Bronchitis oder Nebenhöhlenentzündungen wird gelockert. Des Weiteren sind Holunderblüten fiebersenkend und harnsteigernd. Hauptsächlich verantwortlich für diese Einsatzmöglichkeiten sind die in ihnen enthaltenen Flavonoide, namentlich Rutin. Wie in den Früchten, finden sich auch in den Blüten Gerb- und Schleimstoffe, Triterpene und organische Säuren. Trotz des auffälligen Duftes sind nur geringe Mengen ätherischer Öle inbegriffen.
Ziemlich in Vergessenheit geraten ist das Wissen um die Nutzung von Blättern, Rinde und Wurzeln. »Wir nutzen heute im Endeffekt die Teile des Holunders, in denen die Wirkstoffe geringer konzentriert vorliegen.« meint Konrad Jungnickel, Heilpraktiker mit Lehrauftrag an der Dresdner Heilpraktikerschule. Auslöser sei die Verunsicherung hinsichtlich einiger Substanzen wie dem Sambunigrin. »Selbstverständlich kann eine unsachgemäße Zubereitung oder falsche Dosierung den Heilungsprozess beeinträchtigen. Aber deshalb gleich ganz auf die Arznei zu verzichten, halte ich für übertrieben.« Wie bei den Früchten komme es auch bei Anwendung der Blätter und Rinde darauf an, sie ausreichend lange zu erhitzen, um das Glykosid zu zersetzen und unschädlich zu machen.
Hauptanwendungsgebiete neben Erkältungs- und Infektionskrankheiten sind für den Holunder somit Verstopfung und Hautunreinheiten, Kopfschmerzen, Neuralgien, Harnwegs- und Nierenleiden. Bei Gicht und Rheuma gebrauchte ihn der bekannte Reformator der Medizin Theophrastus Bombast von Hohenheim.