Heiße Tage, schwere Beine |
Caroline Wendt |
24.06.2025 08:00 Uhr |
Nach einem langen Arbeitstag die Beine hochlegen: Das ist nicht nur entspannend, es fördert auch den venösen Rückfluss. / © Getty Images/ Fiordaliso
Die Venen sollen das Blut zurück zum Herzen führen. Keine ganz einfache Aufgabe, ist doch der Druck, mit dem das Blut mittels Herzschlag durch die Arterien gepumpt wird, im venösen System deutlich schwächer. Zudem müssen die Venen diese Arbeit gegen die Schwerkraft ausführen. Und doch gelingt es bei gesunden Menschen. Ein wichtiger Mechanismus ist dabei die sogenannte Muskelpumpe: Durch die Kontraktion der (Bein-)Muskeln wird von außen Druck auf die Venenwände ausgeübt. Dieser Druck schiebt das Blut in den Venen voran Richtung Herz. Die sichelförmigen Venenklappen verhindern, dass das Blut in den Beinen versackt: Sie öffnen sich, wenn Blut von unten Richtung Herz gepresst wird und verschließen sich, sobald es zurückzufließen droht.
Bei Patienten mit einer chronischen venösen Insuffizienz (CVI) sind die Venenwände geschwächt und die Venenklappen schließen nicht richtig. Dadurch kommt es zum Rückfluss von Blut, insbesondere in den Beinvenen. Dieser Rückfluss wiederum führt zu einem erhöhten venösen Druck, vor allem im Stehen oder Sitzen. Das schwächt die Venenwände und verstärkt die Klappeninsuffizienz noch weiter– ein Teufelskreis.
Ursächlich sind eine erblich bedingte Bindegewebsschwäche, hormonelle Veränderungen wie eine Schwangerschaft oder ein fortgeschrittenes Lebensalter. Übergewicht, eine überwiegend stehende oder sitzende Tätigkeit und mangelnde Bewegung können das Fortschreiten der Krankheit zusätzlich begünstigen. Frauen haben etwas häufiger Probleme mit ihren Venen. So ist in Deutschland etwa jede fünfte Frau, jedoch nur jeder sechste Mann von einer CVI betroffen.
Erste Anzeichen für eine Venenschwäche sind schwere oder müde Beine sowie Spannungsgefühle. Typisch ist außerdem, dass sich die Beschwerden bei längerem Stehen oder Sitzen verstärken und durch Bewegung oder das Hochlegen der Beine nachlassen. Zudem können sich – vor allem an den Knöcheln – Ödeme bilden, die sich gegen Abend verstärken. Grund dafür ist, dass durch den erhöhten Druck Flüssigkeit aus den Venen in das umliegende Gewebe gedrückt wird. Eine Entzündung der Gefäßwände macht diese zusätzlich durchlässiger. Optisch lassen sich zunächst kleine Besenreiser erkennen – bläuliche oder violette, netzartig verzweigte Venen in der oberen Hautschicht. Sind die Venen dauerhaft erweitert, spricht man von Krampfadern (Varizen). Diese sind oft deutlich sicht- und tastbar.
Im weiteren Verlauf einer chronischen Venenstauung kann sich die Haut durch Eisenpigment, das in die Haut gelangt, bräunlich verfärben. Fühlen sich die Beine warm an, jucken und sind gerötet, kann das ein Hinweis auf eine Entzündung der oberflächlichen Venen (Thrombophlebitis) sein. In weiter fortgeschrittenem Stadium kann sich die Haut verhärten, sie schimmert dann oft glänzend. Im schlimmsten Fall droht ein offenes Bein (Ulcus cruris venosum) – also ein schlecht heilendes Geschwür am Unterschenkel oder im Knöchelbereich.
Steigt in den Sommermonaten die Temperatur, können sich auch die Beschwerden einer CVI verstärken. Bei Wärme erweitert der Körper die Blutgefäße und die Gefäßwände der Venen erschlaffen zusätzlich. Zudem begünstigt die Hitze den Austritt von Flüssigkeit aus den Gefäßen in das Gewebe und fördert so die Bildung von Ödemen. Hinzu kommt, dass sich viele Menschen bei Hitze weniger bewegen, was die Aktivität der Muskelpumpe verringert. Und sie trinken oft auch zu wenig. Ein Flüssigkeitsmangel kann dazu führen, dass das dickflüssigere Blut schlechter fließt.
Gemäß der S2k-Leitlinie »Diagnostik und Therapie der Varikose« von 2019 sind invasive Verfahren, Kompressionstherapie und medikamentöse Therapie keine konkurrierenden Methoden, sondern sich ergänzende Optionen. Die Leitlinie, die unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie in Zusammenarbeit mit anderen Fachgesellschaften erschienen ist, erläutert, dass die konservativen Therapieformen – Kompressionstherapie, Physiotherapie und medikamentöse Behandlung – in jeder Phase der Erkrankung zum Einsatz kommen können. Keine davon kann Varizen jedoch beseitigen oder ihnen vorbeugen; lediglich die Symptome und das Fortschreiten der Krankheit können vermindert werden. Je früher und konsequenter eine Therapie begonnen wird, desto besser lässt sich der Verlauf einer Venenschwäche beeinflussen.
Medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS) üben von außen Druck auf die Venen aus, verbessern so die Hämodynamik und schwemmen Ödeme aus. Die Ventilfunktion der Venenklappen kann so zum Teil wiederhergestellt werden. Der Druck, den die Strümpfe ausüben, ist dabei in der Knöchelregion am höchsten (100 Prozent) und nimmt über die Wade (70 Prozent) bis zum Oberschenkel hin (45 Prozent) ab.
Die Leitlinie empfiehlt, dass alle Patienten mit venösen Beschwerden eine Kompressionstherapie erhalten sollten. Darüber hinaus sollten PTA und Apotheker bei der Beratung an eine geeignete Hautpflege (zum Beispiel Callusan Cremeschäume, Hautpflegeprodukte von Medi) denken, da die Haut unter den enganliegenden Strümpfen leicht austrocknen kann. Um das Anziehen zu erleichtern, können Anziehhilfen wie Gleitsocken oder Gummihandschuhe empfohlen werden. Das Ausmessen der Beine sollte möglichst morgens im ödemfreien Zustand erfolgen. Je nach Bedarf können MKS nach Maß oder in vordefinierter Seriengröße von einem Arzt verordnet werden. Die gesetzlichen Krankenversicherungen erstatten in der Regel zwei Paar Kompressionsstrümpfe pro Jahr.
Während durch den Kompressionsdruck der venöse Rückfluss von außen unterstützt wird, wirken pflanzliche Venenmittel an den Gefäßwänden der Venen und vermindern deren Permeabilität. Werden beide Therapieformen gemeinsam angewandt, scheinen sich die Effekte synergistisch zu verstärken.
Eine evidenzbasierte Wirksamkeit zeigen Präparate mit standardisiertem Rotem Weinlaub (zum Beispiel in Antistax®), Rosskastanienextrakt (zum Beispiel in Venostasin®) sowie Oxerutin (zum Beispiel in Venoruton® Intens). Sie konnten in kontrollierten Studien zeigen, dass sich Ödeme zurückbilden und subjektive Beschwerden wie Schmerzen, Schwere- und Spannungsgefühle unter der Behandlung zurückgehen. Die Inhaltsstoffe wirken entzündungshemmend und normalisieren die Permeabilität der Gefäße. Eine signifikante Reduktion der Ödeme konnten alle drei belegen, Roter Weinlaubextrakt und Oxerutin verbessern darüber hinaus nachweislich signifikant entsprechende Symptome.
Worauf PTA und Apotheker in der Beratung unbedingt hinweisen sollten: Um ihre Wirkung zu entfalten, müssen alle Präparate kontinuierlich über einen Zeitraum von zwei bis vier Wochen eingenommen werden. Sollten die Patienten darüber hinaus jedoch weiterhin Beschwerden haben, ist ein Arztbesuch anzuraten. Topisch anzuwendende Arzneiformen wie Gele oder Cremes haben hingegen keinen nachgewiesenen Effekt. Sie werden jedoch von vielen Patienten als lindernd und kühlend empfunden.
Da die Lymphkollektoren – also die Teile des Lymphsystems, welche die Lymphe von kleineren Lymphgefäßen sammeln und an größere Lymphstämme weiterleiten – häufig in der Nähe von Stammvenen liegen, kann laut Leitlinie auch eine manuelle Lymphdrainage in Betracht gezogen werden, wenn andere Therapieformen nicht oder nur unzureichend helfen. Durch die venöse Insuffizienz besteht häufig auch eine lymphatische Insuffizienz.