Helme retten Leben |
Prinzipiell sollten alle Radfahrer einen Helm tragen. Bei Kindern ist der Schutz jedoch besonders wichtig, da die Folgen eines Schädelhirntraumas bei ihnen gravierender als bei Erwachsenen sein können. / © Getty Images/VioletaStoimenova
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ereigneten sich im Jahr 2023 deutschlandweit insgesamt 94.561 Fahrradunfälle, 444 davon endeten tödlich. Die tatsächliche Zahl an Fahrradunfällen dürfte Experten zufolge noch weit darüber liegen. Sie schätzen, dass zwei von drei Fahrradunfällen ohne Beteiligung weiterer Verkehrsteilnehmer passieren und deshalb gar nicht polizeilich erfasst werden. Weniger gefährlich sind Alleinunfälle deshalb aber grundsätzlich nicht. Sie können insbesondere bei Radfahrern, die durch Rennräder oder E-Bikes hohe Geschwindigkeiten erreichen, sowie bei Mountainbikern, die im unwegsamen Gelände verunfallen, ebenso lebensbedrohende Verletzungen nach sich ziehen wie der Zusammenstoß mit einem Auto, Lkw oder Bus.
Ob ein Fahrradunfall glimpflich ausgeht oder mit schweren bis tödlichen Verletzungen endet, hängt im Wesentlichen von der Art des Unfalls, der Geschwindigkeit und dem Tragen eines Helmes ab. Gerade Letzterer kann im Ernstfall zum Lebensretter werden. Denn: Die häufigste Verletzungsform bei lebensgefährlich verletzten Radfahrern sind Kopfverletzungen, wie eine Erhebung aus dem Trauma-Register der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) aus den Jahren 2010 bis 2019 zeigen konnte. Knapp 65 Prozent der Betroffenen wiesen schwere Kopfverletzungen wie Schädelbrüche, Hirnblutungen, Quetschungen und Schwellungen des Gehirns auf. Brustraumverletzungen liegen als zweite Hauptverletzungsgruppe mit 40 Prozent deutlich dahinter.
Studien zufolge kann das Risiko für tödliche Kopfverletzungen durch das Tragen eines Helmes um 60 bis 70 Prozent reduziert werden. Diese Schutzwirkung kommt im Wesentlichen dadurch zustande, dass der Helm verhindert, dass die Energie des Aufpralls auf eine kleine Stelle des Kopfes einwirkt. Er verteilt die Energie auf eine größere Fläche, sodass sich der einwirkende Druck reduziert. Auch schwere Kopfverletzungen lassen sich durch dieses Prinzip oft abmildern, ein kompletter und absoluter Schutz ist jedoch nicht möglich. Leichte Kopfverletzungen wie Schürf- und Platzwunden sowie Verletzungen von Halswirbelsäule und Gesicht können auch mit Helm auftreten.
Ob ein Helm getragen wird, liegt in Deutschland derzeit in der Eigenverantwortung eines jeden Radfahrers. Eine gesetzliche Helmpflicht besteht nicht, auch nicht für E-Bikes mit hybridem Antrieb, die beim Treten unterstützen und sich beim Erreichen von 25 km/h automatisch abschalten (sogenannte Pedelecs). Klar abgegrenzt von dieser Regelung werden Elektrofahrräder, die mit einer elektrischen Tretunterstützung bis 45 km/h ausgestattet sind, sowie E-Bikes, die allein durch den Motor und ohne Tretunterstützung Geschwindigkeiten von 25 km/h beziehungsweise 45 km/h erreichen können. Sie alle gelten verkehrsrechtlich als Kraftfahrzeuge und dürfen nur mit entsprechendem Helm gefahren werden. Das Nutzen von Radwegen ist teilweise erlaubt.
Verkehrsverbände wie der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) oder der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) sowie medizinische Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und die DGU empfehlen grundsätzlich allen Radfahrern – egal auf welchem Rad und unabhängig vom Alter – ausdrücklich das Tragen eines Helmes. Sie weisen aber auch auf zwei besondere Risikogruppen hin: Kinder fallen bei Fahrradunfällen zwar meist aus niedriger Höhe und bei niedriger Geschwindigkeit, aber ihr Gehirn reagiert auf die Energie, die bei Stürzen einwirkt, empfindlicher. Die Folgen eines Schädelhirntraumas sind bei ihnen deshalb schwerwiegender als bei Erwachsenen und das Tragen eines Helmes ist besonders wichtig. Die DGOU weist zudem darauf hin, dass die Folgen einer Kopfverletzung nicht immer unmittelbar nach dem Unfall abzusehen sind. Nach aktueller Studienlage könne ein leichtes Schädelhirntrauma im Kindesalter zu Entwicklungsverzögerungen und im Erwachsenenalter zu langfristigen kognitiven Leistungsminderungen führen.
Zur zweiten Risikogruppe gehören ältere Menschen. Sie haben aufgrund nachlassender Fähigkeiten in puncto Balance, Koordination und Reaktionsfähigkeit ein grundsätzlich höheres Risiko für Fahrradunfälle. Zudem steigt das Risiko, bei einem Sturz schwere oder tödliche Verletzungen zu erleiden, mit dem Alter an. Auch die Einnahme von Medikamenten kann ein Risikofaktor sein, der mit zunehmendem Alter häufiger auftritt. So weist die DGOU darauf hin, dass ein und derselbe Sturz bei einem jungen Menschen möglicherweise nur eine leichte Gehirnerschütterung nach sich zieht, bei einem älteren Radfahrer aber zu einer schweren Hirnblutung führen kann, wenn er blutverdünnende Medikamente einnimmt.
Trotz der wissenschaftlich erwiesenen Schutzwirkung von Fahrradhelme gibt es in Deutschland keine gesetzliche Helmpflicht für Fahrradfahrer. Unter Experten wird das kontrovers diskutiert. Eines der Hauptargumente gegen die Pflicht lautet: Der potenzielle Nutzen durch das verpflichtende Tragen eines Fahrradhelmes muss überwiegen. Der Umstand, dass ein Fahrradhelm Verletzungen zwar abmildert, aber nicht in jedem Fall vollständig verhindern kann, steht dem entgegen. In Australien konnte zudem beobachtet werden, dass nach der Einführung einer Helmpflicht die Zahl der Radfahrer deutlich zurück ging und das individuelle Unfallrisiko stieg. Ein Szenario, das von Experten mit Hinblick auf den Fitnessaspekt des Radfahrens verhindert werden soll. Experten verweisen deshalb häufig auf Länder, in denen viele Radfahrer unterwegs sind. Dazu zählen zum Beispiel die Niederlande oder Dänemark. Augenmerk wird hier nicht auf eine gesetzliche Helmpflicht, sondern auf sichere Radwege, Aufklärung und Förderung der Eigenverantwortung gelegt.
Grundsätzlich lässt sich aber beobachten, dass die Bereitschaft steigt, einen Fahrradhelm aufzusetzen. Nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST) lag die Helmtragequote im Jahr 2015 bei Erwachsenen verschiedener Altersgruppen bei maximal 20 Prozent. Die letzte Erhebung aus dem Jahr 2022 zeigt eine Steigerung auf rund 40 Prozent. Deutliche Unterschiede zeigen sich bei der Art des Fahrrads. So lag die Helmtragequote bei Pedelec-Fahrern im Jahr 2022 bei rund 60 Prozent, bei konventionellen Radfahrern hingegen bei 34 Prozent. Spitzenreiter unter den Helmträgern sind seit vielen Jahren die Kinder. Von den 6- bis 10-Jährigen trugen bereits 2015 rund 76 Prozent einen Fahrradhelm. Im Jahr 2022 waren es 81 Prozent.