Herzinfarkt-Vorboten erkennen |
Ein typisches Herzinfarkt-Symptom ist ein starker Brustschmerz. Vor allem bei Frauen kommen oft noch weitere Anzeichen wie Atemnot oder Übelkeit hinzu. / Foto: Getty Images/Patrick Heagney
Für die meisten der jährlich 300.000 Betroffenen kommt der Herzinfarkt unerwartet. Gut ein Sechstel überlebt ihn nicht. Dabei sind die ersten Infarkt-Alarmzeichen oft gut zu erkennen: Starke Schmerzen, die länger als fünf Minuten andauern. Typischerweise kommen sie im Brustkorb (Angina pectoris), häufig hinter dem Brustbein vor. Zusätzlich können sie im Rücken (zwischen den Schulterblättern) oder im Oberbauch (Verwechslung mit Magenschmerzen möglich) auftreten. Die Schmerzen können in Arm, Hals oder Oberbauch ausstrahlen. Sie sind flächig und werden als brennend und drückend mit Engegefühl in der Brust beschrieben. Aufgepasst: Je älter die Person ist, desto weniger ausgeprägt kann der typische Brustschmerz sein.
Bei Frauen häufiger als bei Männern können – zusätzlich zu den genannten Schmerzen oder auch allein – weitere Symptome wie Atemnot, Übelkeit oder Erbrechen, Schwitzen, Benommenheit oder Schwindel sowie unerklärliche Müdigkeit Alarmzeichen sein. Da die Symptomatik bei Frauen nicht immer klar ist, werden ihre Beschwerden oftmals fehlgedeutet. Dies führt dazu, dass Frauen häufig deutlich später in die Klinik eingeliefert werden als Männer.
»Mit dem richtigen Wissen um die unmittelbaren Vorboten, aber auch um die langfristigen Risikofaktoren sowie durch schnelles Handeln im Akutfall lassen sich sowohl das Infarkt- als auch das Sterberisiko reduzieren«, erläutert Professor Dr. Thomas Voigtländer gegenüber PTA-Forum. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Herzstiftung, Kardiologe sowie ärztliche Direktor am Agaplesion Bethanien-Krankenhaus und Cardioangiologischen Centrum Bethanien in Frankfurt am Main weiß: »Ein Herzinfarkt geschieht nicht aus heiterem Himmel. Die Wahrscheinlichkeit steigt proportional mit der Anzahl der Risikofaktoren.« Hierzu zählen Bluthochdruck, Diabetes, Hypercholesterolämie, Rauchen und familiäre Prädisposition.
Die Ursachen für einen Herzinfarkt bestehen also meist über viele Jahre. Die Entwicklung ist ein schleichender Prozess, der in einen Herzinfarkt münden kann. Grundlage ist die koronare Herzkrankheit (KHK): Durch einen ungesunden Lebensstil gepaart mit den genannten Risikofaktoren bilden sich im Laufe der Zeit Ablagerungen (Plaques), die die Herzkranzgefäße verengen und die Durchblutung des Herzens behindern (Arteriosklerose).
Beschwerden wie Brustschmerzen und Atemnot treten meist erst auf, wenn ein Herzkranzgefäß zu zwei Dritteln verschlossen ist. Die Schmerzen entstehen typischerweise bei körperlicher Belastung (wie etwa Treppensteigen oder Getränkekisten tragen) oder bei seelischer Erregung. Endet die Belastung, verschwindet der Schmerz in wenigen Minuten wieder.
»Früher haben wir starr zwischen der stabilen Angina pectoris, also Brustschmerzen unter Belastung, und der instabilen Angina pectoris, Brustschmerzen bereits in Ruhe, unterschieden. Heute sprechen wir statt von einer stabilen Angina pectoris von einem chronischen Koronarsyndrom, aus dem sich immer auch eine instabile Angina pectoris entwickeln kann«, erläutert Voigtländer. Brustschmerzen und/oder Atemnot werden dann stärker und treten bereits bei leichter Anstrengung auf.
»Spürt der Betroffene Brustschmerz und/oder akute Atemnot schon bei kleinsten Belastungen oder gar in Ruhe, muss sofort der Rettungsdienst mit der 112 gerufen werden, weil sich jederzeit ein Herzinfarkt entwickeln kann. Der Übergang zwischen instabiler Angina pectoris und Herzinfarkt ist fließend«, warnt Voigtländer. Bei der instabilen Form verschließt ein Blutgerinnsel ein Herzkranzgefäß teilweise, beim Herzinfarkt vollständig.
Jederzeit kann der Infarkt in Herzrhythmusstörungen übergehen. Ein eventuelles Kammerflimmern, bei dem das Herz über 300 Mal pro Minute schlägt, führt innerhalb weniger Sekunden zum Herzstillstand. Meist ereignen sich Herzinfarkte zuhause. Daher kann nur ein über den Notruf 112 herbeigerufenes Rettungsteam mit einem Defibrillator das flimmernde Herz wieder in seinen normalen Rhythmus bringen. Der Patient wird anschließend sofort in die nächstgelegene Klinik zur Infarktversorgung gebracht.
»Je weniger Zeit zwischen Auftreten der ersten Symptome und dem Erreichen der Klinik mit dem Herzkatheterlabor verstreicht, wo das verstopfte Herzkranzgefäß vom Blutgerinnsel befreit wird, desto weniger Schaden erleidet der Herzmuskel«, erklärt Voigtländer. Herzmediziner sprechen von der »Golden Hour«, innerhalb der die Infarktversorgung eine Schädigung des Herzens abwenden kann.
Schon nach mehreren Stunden, die nach Auftreten der ersten Symptome verstreichen, steigt die Gefahr von Herzmuskelverlusten, also dem Absterben von Herzmuskelgewebe und der Bildung von Bindegewebe an seiner Stelle, das nicht zur Pumpleistung beitragen kann. Die Folge: Das Pumpvolumen nimmt ab und eine Herzschwäche entsteht.
Das Fatale: 30 Prozent der Patienten versterben am akuten Herzinfarkt, noch bevor sie die Klinik erreichen. Oft zögern Betroffene und Angehörige zu lange, bis sie den Notruf absetzen. Gründe dafür sieht Voigtländer in einer Fehldeutung der Symptome. Bei Frauen können es die beschriebenen zusätzlichen Oberbauchschmerzen sein. Bei manchen Betroffenen treten nur Rückenschmerzen auf. Einige möchten insbesondere abends oder am Wochenende den Rettungsdienst nicht in Anspruch nehmen und erst einmal abwarten. Auch aus Scham vor den Nachbarn wird der Rettungswagen oft nicht gerufen.
Mit diesem Wissen im Hinterkopf ist es hilfreich, das eigene Herzinfarktrisiko zu kennen. Einen ersten Anhaltspunkt bietet etwa der Herzinfarktrisikotest der Deutschen Herzstiftung. Eine ausführliche Untersuchung beim Arzt ersetzt er allerdings nicht. Der Arzt kann je nach Ergebnis der Untersuchung entscheiden, ob und wie der Patient medikamentös behandelt werden muss, ob er seine Lebensgewohnheiten umstellen und wie oft er sich beim Arzt zwecks Kontrolle vorstellen sollte.
»Durch eine adäquate Behandlung lassen sich im Schnitt acht bis neun Lebensjahre gewinnen«, ermutigt Voigtländer. So habe fast jeder zweite über 50-Jährige einen zu hohen Blutdruck. Der lasse sich medikamentös normalisieren, wie auch die LDL-Cholesterolwerte. Es gebe hier Kritik an der Verordnung von Statinen zur Vorbeugung von Herz-Kreislauferkrankungen bei eigentlich Gesunden mit erhöhtem Cholesterolspiegel, so Voigtländer. »Aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass diese Cholesterinsenker ein absolut positiver ›game changer‹ in der Prognose von Menschen mit koronarer Herzkrankheit sind«, so der Herzspezialist. Zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Patienten, also zur Sekundärprävention, sei ihr Einsatz ohnehin unumstritten.
Quelle: herzstiftung.de