Hilfe bei Trigeminusneuralgie |
Isabel Weinert |
10.12.2024 08:00 Uhr |
Attacken bei Trigeminusneuralgie beeinträchtigen die Lebensqualität der davon Betroffenen massiv. / © Adobe Stock/olly
Das zumeist chronische Leiden trifft deutlich mehr Frauen als Männer, bevorzugt jenseits des 50. Lebensjahres, und nur sehr selten Kinder. Meistens zeigen sich die Schmerzattacken in einer Gesichtshälfte. Sie kommen aus dem Nichts, fühlen sich stromschlagartig oder stechend an, die Muskulatur kann sich verkrampfen. In der Zeit zwischen den Attacken müssen Menschen mit Trigeminusneuralgie mit brennenden, pochenden, dumpfen Schmerzen rechnen und auch mit einem Taubheitsgefühl. Es genügen kleinste Reize wie Rasieren, Zähneputzen, Sprechen oder Kauen, damit eine dieser extremen Schmerzattacken durch eine Gesichtshälfte jagt. Aber auch ohne Anlass schlagen sie zu. Sehr selten sind beide Seiten des Gesichts betroffen, wenn, dann allerdings nie gleichzeitig.
Die Attacken dauern einige Sekunden bis zwei Minuten lang an und können in Salven bis zu 100-Mal täglich auftreten. Das Geschehen wiederholt sich bei den meisten Patienten über Wochen und Monate, darauf folgen häufig auch schmerzfreie Phasen. Mitunter ist eine Schmerzattacke auch ein einmaliges Ereignis.
Der Trigeminusnerv (Drillingsnerv) ist der größte von zwölf Hirnnerven. Er innerviert maßgeblich das Gesicht und besteht dafür aus drei Ästen, die für verschiedene Gesichtsbereiche zuständig sind. Sie übermitteln alle Reize, die die Gesichtshaut erfährt, von Berührungsreizen aller Art bis zu Schmerzreizen, an das Gehirn. Dabei »kümmert« sich der erste Ast vor allem um Stirn, Auge und Stirnhöhle, der zweite ist zuständig für Wange, Oberkiefer und die dort befindlichen Zähne und der dritte für den Unterkiefer und die darin verankerten Zähne. Bei einer Trigeminusneuralgie sind in der Regel der zweite und der dritte Ast des Trigeminusnervs betroffen. Was sie in 80 Prozent der Fälle irritiert, ist ein Blutgefäß, das ganz dicht an der Hirnaustrittsstelle des Trigeminus auf diesen drückt. Mediziner finden diesen Hauptbefund in einer Magnetresonanztomografie (MRT), die in jedem Fall zur Diagnostik eines derartigen Gesichtsschmerzes gehört. Es handelt sich dann um eine klassische Trigeminusneuralgie.
Nur in wenigen Fällen stoßen Ärzte bei der Begutachtung eines MRT auf einen anderen Auslöser der Schmerzattacken, etwa auf Multiple Sklerose, einen Tumor, ein Aneurysma oder auf eine Fehlbildung zwischen Arterien und Venen. In diesen Fällen spricht man von einer symptomatischen Trigeminusneuralgie.
Es gibt verschiedene Gründe dafür, dass ein Blutgefäß irgendwann Druck auf den Trigeminusnerv ausübt. Es kann sich im Laufe der Zeit arteriosklerotisch bedingt verändern oder infolge einer Entzündung ungewöhnlich nahe am Nerv verlaufen und deshalb Druck ausüben. Gleich um welche Ursache es sich handelt – der Druck auf den Nerv reizt dessen Umhüllung, die Myelinscheide, der Nerv wird dadurch verstärkt erregbar und meldet dem Gehirn fälschlicherweise die Information von Schmerz.
Bei einem Blutgefäß als Ursache sprechen Mediziner von einem neurovaskulären Konflikt, der auch »Janetta-Mechnismus« heißt. Nicht immer lässt sich dieses Geschehen im MRT abbilden und umgekehrt erscheint es mitunter als Zufallsbefund ohne dass die davon Betroffenen an einer Trigeminusneuralgie leiden.
Menschen, die einmal eine Trigeminusattacke erlebt haben, wollen nur eines: solch einen Schmerz nie wieder erleben. Der Gedanke, der da am nächsten liegt, ist der Einsatz von Analgetika. Doch sie helfen in diesem Fall nicht. Denn bis sie im Akutfall wirken, ist der Anfall vorbei. Die »Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft« schreibt deshalb, es komme bei der medikamentösen Therapie darauf an, die Schmerzattacken gar nicht erst entstehen zu lassen. Das gelingt in vielen Fällen durch den Einsatz von Antiepileptika. Sie blockieren die Weiterleitung der Schmerzimpulse. Auf das Mittel der ersten Wahl, Carbamazepin, sprechen denn auch 90 Prozent der Betroffenen zu Beginn der Therapie an. Eine nebenwirkungsärmere Alternative ist Oxcarbazepin.
Ärzte geben zunächst eine geringe Dosierung, die bis zur Anfallsfreiheit gesteigert wird – sofern das möglich ist, ohne gravierendere Nebenwirkungen in Kauf nehmen zu müssen. Sechs Wochen nach Erreichen der wirksamen Dosis schraubt man diese zurück bis zu der Menge, bei der der Effekt eben noch erzielt wird. Allerdings wirken die genannten Medikamente bei mindestens einem Drittel der Patienten nicht auf Dauer. Ärzte stehen dann mit Gabapentin und Baclofen weitere Medikamente zur Verfügung.
Scheitern medikamentöse Ansätze, können Chirurgen helfen. Sie beseitigen mikrochirurgisch den Druck auf den Trigeminusnerv. Menschen, die nicht operiert werden können, profitieren womöglich von einer sogenannten Ballonkompression, bei der ein Ballonkatheter durch die Wange bis hin zu dem Nervenknoten (Ganglion) des Trigeminusnervs geschoben und dort aufgeblasen wird. Der dadurch entstehende Druck zerstört diejenigen Nervenstrukturen, die Schmerzinformationen weiterleiten. Die sensiblen Fähigkeiten des Nervs bleiben dabei erhalten. Bestrahlung im Rahmen der sogenannten stereotaktischen Radiochirurgie stellt eine weitere Option dar, die Attacken auszuschalten. Der Nerv wird an der Stelle bestrahlt, an der er beinahe schon ins Gehirn eintritt. Das Verfahren leitet Umbauprozesse des Nervs ein, die bestenfalls den Schmerz lindern und die sensiblen Eigenschaften erhalten.
Im Gegensatz zur Trigeminusneuralgie findet man bei der Recherche vergleichsweise wenig zur Trigeminusneuropathie. Sie entsteht, wenn der Nerv durch ein Trauma oder eine Erkrankung geschädigt ist und zeigt sich nicht in Schmerzattacken, sondern in neuropathischen Missempfindungen im Bereich der Schädigung. Schwerwiegende Ursachen müssen auch hier stets ausgeschlossen werden.