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Hochverarbeitet = gesundheitsschädlich?

Hochverarbeitete Lebensmittel machen immer wieder Schlagzeilen: Ihr Verzehr ist in vielen Studien mit Risiken wie Bluthochdruck, Krebs oder erhöhter Sterblichkeit assoziiert. Doch was verbirgt sich hinter dieser Lebensmittelgruppe? Und wie sinnvoll ist die Klassifikation? Diesen Fragen ging Professor Dr. Martin Smollich, Apotheker und Ernährungsexperte, im Rahmen einer Pro- und Contra-Diskussionsrunde beim 131. DGIM-Kongress in Wiesbaden auf den Grund.
Juliane Brüggen
13.05.2025  13:00 Uhr

Die Hypothese, die im Raum steht: Bestimmte Lebensmittel sind – ungeachtet ihrer Nährwertrelation – schlecht für die Gesundheit, weil sie in hohem Grade verarbeitet sind. »Das ist ein neues Konzept«, sagte Smollich beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin – und nach seiner Ansicht nicht unbedingt ein plausibles. Ermittelt wird der Verarbeitungsgrad in der Regel mithilfe der NOVA-Klassifikation, die von unverarbeitet (NOVA 1) bis hochverarbeitet (NOVA 4) reicht. NOVA-4-Lebensmittel, auch UPF genannt (engl. für ultra-processed foods), entsprechen der Lebensmittelgruppe, die in vielen epidemiologischen Studien mit erhöhter Morbidität oder Mortalität assoziiert ist.

Smollich kritisierte, dass viele der angelegten Kriterien nicht spezifisch für hochverarbeitete Lebensmittel seien, etwa industrielle Herstellung, hohe Profitabilität oder »Convenience«. »Auch TK-Gemüse ist convenient«, so der Apotheker, der die Arbeitsgruppe Pharmakonutrition am ernährungsmedizinischen Institut des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) leitet.

Oft als UPF-typisch bezeichnete Eigenschaften wie hohe Energiedichte oder sogenannte »Hyperpalatability« treffen ihm zufolge auch auf bestimmte Lebensmittel der Klassen NOVA 1 bis 3 zu. »Hyperpalatability« bedeutet, dass ein Produkt als »hyperlecker« und quasi »süchtig machend« wahrgenommen wird. Der Effekt entsteht durch einen hohen Fett- und Natriumgehalt wie in Chips oder einen hohen Fett- und Zuckeranteil wie in Schokoaufstrich. Auch Nicht-UPF wie gesalzene Nüsse oder Käse erfüllten diese Kriterien. Smollich: »Gerade das hat nichts mit Verarbeitung zu tun, das sind Inhaltsstoffe, das sind Nährwertrelationen und das ist eben nicht Verarbeitung an sich.«

Ein Thema, das oft ins Felde geführt wird, sind die Zusatzstoffe, die in hochverarbeiteten Lebensmitteln enthalten sind. Dazu sagte Smollich: »Die pauschale Negativbewertung ist ohne Evidenz, wir haben in der EU über 320 zugelassene Zusatzstoffe. Diese müssen toxikologisch geprüft sein und sind in Verzehrmengen sicher.« Es fehle im NOVA-Konzept zudem eine Dosisabhängigkeit, die die enthaltene Menge an Zusatzstoffen berücksichtigt. Zusatzstoffe seien ohnehin eine heterogene Gruppe – auch natürlich vorkommende Stoffe wie Beeren-Anthocyane, Ascorbinsäure oder Chlorophyll gehören dazu.

Assoziation nur für Softdrinks und hochverarbeitete Fleischprodukte

Wichtig ist laut Smollich ein genauerer Blick auf die Studien, die UPF nach Lebensmittelgruppen differenzieren. Er nannte drei Studien: Die Dutch-Life-Lines-Kohorte (Osté et al. 2022), die UK-Biobank-Kohorte (Chang et al. 2023) und die EPIC-Kohorte (Cordova et al. 2023). Hier zeigte sich in Folgeanalysen, dass bestimmte Lebensmittel den Effekt auf das Gesundheitsrisiko dominierten: Dies waren in erster Linie Softdrinks und hochverarbeitete Fleischprodukte. Vollkorn-UPF und Cerealien verringerten das Risiko sogar (EPIC, Dutch Life Lines) – was einen wichtigen Aspekt herausstellt: Nicht jedes UPF hat eine schlechte Nährwertrelation, denn auch mit Jodsalz versetztes Vollkornbrot, angereicherte Pflanzendrinks, Tofu oder verzehrfertiges Sauerkraut können laut NOVA dazu zählen.

Eine Frage bleibt: Wie sollen Verbraucher nun mit UPF umgehen? Ein pauschaler Verzicht sei unangebracht, so Smollich. Das entspreche nicht den Empfehlungen der Fachgesellschaften wie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und gehe komplett an der Lebensrealität vorbei. »Wenn man sagt hochverarbeitet ist schlecht, suggeriert das, wenn es nicht hochverarbeitet ist, ist es per se gesund.« Das sei aber nicht der Fall. Er wies auch auf Zielkonflikte hin, etwa, wenn es um die Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitaminen und Mineralstoffen geht oder spezielle Gruppen wie gluten- und lactosefreie Lebensmittel und Säuglingsnahrung.

Smollichs Fazit: »Die gesundheitliche Bewertung von Lebensmitteln allein aufgrund des Verarbeitungsgrades sehe ich ohne Evidenz aus den Studien, die wir haben. Mein Punkt ist: Es ist wichtig zu differenzieren und sich anzugucken, welches Lebensmittel habe ich konkret vor mir.« Auf Nachfrage von PTA-Forum empfiehlt er, sich hinsichtlich der Ernährungsberatung weniger an der NOVA-Klassifikation, sondern eher an den Inhaltsstoffen zu orientieren. Das heißt: »HFSS-Lebensmittel reduzieren, und zwar unabhängig vom Verarbeitungsgrad.« HFSS steht für »high in saturated fat, salt and sugar«. Es gelte die Empfehlung, möglichst frische Lebensmittel zu bevorzugen. Bei der Beurteilung von verarbeiteten Lebensmitteln könne ergänzend der Nutriscore helfen. 

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