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Lungenentzündungen schränken die Atmung zum Teil deutlich ein. / Foto: Adobe Stock/bedya
Im Herbst und Winter ist wieder Erkältungszeit. Schlappheit, Fieber, Husten sind typische Symptome, die jeder kennt. Doch diese Beschwerden können auch Vorboten einer ernsthaften Erkrankung sein. Lungenentzündungen äußern sich auch in diesen Symptomen. In Deutschland erkranken zwischen 350.000 und 500.000 Menschen pro Jahr an einer ambulanten Pneumonie. Laut Helmholtz Zentrum München ist die Lungenentzündung in Westeuropa die häufigste Todesursache unter den Infektionskrankheiten. Weltweit sterben etwas drei bis vier Millionen Menschen daran. Besonders gefährdet sind Menschen mit chronischen Vorerkrankungen, geschwächtem Immunsystem, Senioren und Kleinkinder.
Laut Definition ist eine Lungenentzündung oder Pneumonie eine Entzündung des Lungengewebes, die durch eine bakterielle, virale oder mykotische Infektion hervorgerufen wird. Sehr häufige Erreger sind die Bakterien der Familie Streptococcus pneumoniae. Etwa ein bis zwei Drittel aller Pneumonien bei jüngeren Menschen werden durch Pneumokokken verursacht. Nur etwa 20 Prozent aller Erkrankungen entwickeln sich durch Infektionen mit Viren, Mykoplasmen, Chlamydien oder Legionellen.
Wenn auch eher selten, so kann sich eine Lungenentzündung auch durch den Einfluss von Chemikalien oder schädlichen Agenzien ausbilden. Menschen, die beruflich ständigen Kontakt mit inhalierbaren Schadstoffen haben, zum Beispiel Bäcker und Bergleute, oder die bei der Arbeit mit giftigen Dämpfen konfrontiert werden, tragen ein erhöhtes Risiko, eine akute oder chronische Pneumonie zu entwickeln. Werden ätzende Chemikalien eingeatmet, reagiert das Lungengewebe mit Reizungen oder Schädigungen, die direkte Entzündungsprozesse auslösen. Aber auch Erreger haben leichtes Spiel, wenn bereits eine Vorschädigung der Lunge besteht.
Auch Feinstaubpartikel aus der Luft – zum Beispiel in Regionen mit hoher Belastung – können sich in der Lunge ablagern und dort Entzündungsreize darstellen. Beschwerden mit starker Schleimbildung und Atemnot sind die Folge. Lungenentzündungen können immer wiederkehren und einen nachhaltigen Umbau des Lungengewebes einleiten.
Gasaustausch findet in den Millionen von Lungenbläschen (Alveolen) sowie in den sie umgebenden Kapillaren statt. Bei einer Pneumonie ist diese Funktion in vielen Fällen stark eingeschränkt. Betroffene bekommen zu wenig Sauerstoff. / Foto: Grafik: Stephan Spitzer
Eine bakteriell verursachte Lungenentzündung, zum Beispiel durch eine Pneumokokken-Infektion, beginnt oft in Form von erkältungsartigen Beschwerden oder entwickelt sich, wenn ein Bronchialinfekt verschleppt wird. Plötzlich auftretendes hohes Fieber, zunächst trockener Husten, später mit eitrigem Auswurf, Rasselgeräusche der Lunge und Sauerstoffmangel zeigen eine Lungenentzündung an. Wenn der Auswurf bräunlich gefärbt ist, weist das auf Blutbeimengungen hin. Dies tritt auf, wenn kleine Blutgefäße im Rachen durch das Husten in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Atembeschwerden resultieren aus einem gestörten Gasaustausch der Lunge. Das Ausmaß dieser Beeinträchtigung hängt auch davon ab, wie viele Lungenareale geschädigt sind. So kommen bei der lobulären Pneumonie viele kleinere Entzündungsherde in den Lungenläppchen vor, bei der lobären Pneumonie ist ein gesamter Lungenlappen betroffen.
Eine Pneumokokken-Pneumonie kann plötzlich zu sehr schweren Symptomen wie akuter Luftnot und Sauerstoffmangel führen. Um den Sauerstoffmangel auszugleichen, atmen die Betroffenen sehr rasch und flach. Bei einer atypischen Lungenentzündung bleibt der Husten trocken und die milderen Beschwerden dauern an. Kinder haben teilweise leichtere Beschwerdebilder ohne Fieber. Symptome, die nur bei Kindern auftreten, sind Bauch-, Kopf- und Gliederschmerzen. Typisch sind Appetitlosigkeit und eine hohe Herzfrequenz. Aufgrund der veränderten Symptomatik im Gegensatz zum Erwachsenen besteht die Gefahr, die Erkrankung zu übersehen. Bei Viren als Auslösern der Infektion, kann sich das Beschwerdebild ebenfalls unterscheiden. Fieber und Schüttelfrost treten als erstes auf, oftmals aber schleichend, der Husten folgt erst nach ein paar Tagen. Zur Unterscheidung von einer Erkältung ist der fehlende Schnupfen ein Kriterium, der bei einer Infektion mit Rhinoviren üblich ist.
Anhand einer Röntgenaufnahmen lässt sich eine Covid-19-Infektion gut diagnostizieren. / Foto: Shutterstock/create jobs 51
Zur Diagnose hört der Arzt die Lunge ab und macht ein Röntgenbild, anhand dessen er im Brustbereich Verschattungen erkennt, die durch die Entzündung entstehen. So erkennt er Veränderungen der Lunge oder eine Herzschwäche. Mithilfe eines Blutbildes lassen sich die erhöhten Entzündungsmarker, zum Beispiel die weißen Blutkörperchen, identifizieren. Um die Diagnose zu stellen, muss der Arzt stets andere Lungenerkrankungen ausschließen. Bei der Bronchitis sind zum Beispiel die Schleimhäute der Bronchien und die Luftröhre von der Entzündung betroffen, während sich die Pneumonie im Lungengewebe auf der Ebene der Lungenbläschen abspielt. Die Lungenentzündung wird zum überwiegenden Teil durch Bakterien hervorgerufen und deshalb mit Antibiotika behandelt. Die Erreger der akuten Bronchitis sind in der Regel Viren, hier helfen keine Antibiotika. Eine sorgfältige Diagnosestellung ist für die Therapieentscheidung sehr wichtig.
Es gibt verschiedene Arten, Pneumonien einzuteilen, zum einen in primäre und sekundäre Pneumonien. Während die primäre Form die Infektion der gesunden Lunge beschreibt, versteht sich die sekundäre als fortgeleitete Superinfektion aus den Bronchien. Eine andere Klassifikation leitet sich vom Ort der Ansteckung ab. So spricht man bei der ambulant erworbenen Pneumonie (AEP, engl: CAP community acquired pneumonia) von Lungenentzündungen, die außerhalb von Krankenhäusern erworben wurden. Demgegenüber erfolgte die Ansteckung bei der nosokomial erworbenen Pneumonie im Krankenhaus. Die typische Pneumonie hat den üblichen Symptomverlauf und wird unter anderem durch Pneumokokken und Staphylokokken ausgelöst, während die atypische Lungenentzündung mildere Verläufe zeigt und zum Beispiel durch Viren, Chlamydien oder Mykoplasmen hervorgerufen wird.
Bei einigen Patienten ist die Lunge bereits extrem entzündet, bevor die ersten Atemprobleme auftauchen. / Foto: Adobe Stock/Halfpoint
Während die bakteriell ausgelöste Lungenentzündung üblicherweise einen typischen Verlauf nimmt, beginnt die durch Coronavirus SARS-CoV-2 verursachte meist schleichend. Sie wird zu den atypischen Pneumonien gezählt. Bei einer Lungenentzündung im Rahmen einer Covid-19-Infektion sind nicht die Lungenbläschen betroffen, sondern die Entzündung entsteht im dazwischenliegenden Gewebe. Dies wird durch die Entzündung vermehrt durchblutet und bildet Flüssigkeitsansammlungen.
Typischerweise bleibt die Covid-19-Erkrankung wegen der oft milden Beschwerden in den ersten Tagen zunächst unbemerkt. So kann sich der Erreger im Lungengewebe ausbreiten. Die Schwellungen im Gewebe stören den Gasaustausch und schränken nach und nach die Lungenfunktion ein. Der Patient wird nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt, die Atmung ist stark beeinträchtigt. Bei schweren Verläufen berichten die Betroffenen über schwere Luftnot und Erstickungsgefühle. Dann ist eine intensivmedizinische Behandlung notwendig, eventuell auch eine Beatmung.
Weil es bisher kein Arzneimittel zur Heilung einer Infektion mit SARS-CoV-2 gibt, bleibt Medizinern nur die symptomatische Therapie. Mithilfe von antientzündlichen Arzneimitteln, zum Beispiel Dexamethason, aber auch mit Antibiotika gegen eine bakterielle Sekundärinfektion, sollen die Überlebenschancen verbessert werden. Auch eine Covid-19-Lungenentzündung kann in einer Sepsis münden – ein stets lebensbedrohliches Ereignis. Die Lungen der Covid-19-Patienten sind in typischer Weise verändert. Wissenschaftler gehen davon aus, dass ein beträchtlicher Teil der Genesenen länger oder nie wieder richtig gesund wird, weil die Schädigungen der Lunge so massiv ausfallen können. Keineswegs trifft dieses Schicksal »nur« alte oder vorerkrankte Menschen, sondern auch sehr viele, die im Leben vor der Infektion überdurchschnittlich fit waren und jung sind. Derzeit liegt der Altersdurchschnitt der Erkrankten bei 34 Jahren.
Das Ziel des Arztes liegt darin, die Erkrankung so früh wie möglich zu erkennen und mit der Therapie zu beginnen. Der Arzt sollte die Herkunft des Keims klären, bevor er die antibiotische Therapie festlegt. So liegen bei ambulant erworbenen Pneumonien normalerweise andere Erreger mit einem anderen Resistenzmuster vor als bei im Krankenhaus erworbenen. Bei ambulant erworbenen Pneumonien kommen je nach Schweregrad der Erkrankung Amoxicillin, Amoxicillin plus Clavulansäure oder ein Cephalosporin zum Einsatz. Amoxicillin ist das Mittel der Wahl.
Pneumonien, die durch Chlamydien, Mykoplasmen oder Legionellen hervorgerufen werden, reagieren gut auf Makrolide, zum Beispiel Clarithromycin, Roxithromycin oder Azithromycin. Die Antibiotikagabe dauert abhängig vom Verlauf etwa sieben Tage. Stellt sich nach zwei Wochen Antibiotikatherapie keine Besserung ein, sollte der Wirkstoff gewechselt werden. Zielgerichtet kann der Arzt vorgehen, wenn er das Keimspektrum bestimmt hat. Bei einer viral bedingten Infektion sind die Therapiemöglichkeiten stark eingeschränkt. Teilweise setzen Mediziner dennoch Antibiotika ein, um eine bakterielle Superinfektion zu vermeiden.
Die Corona-Pandemie führt die fehlenden medikamentösen Werkzeuge zur Heilung der durch Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelösten Pneumonien deutlich vor Augen. Generell liegt der Schwerpunkt bei viral bedingten Pneumonien auf der symptomatischen Therapie. Fieber und Kopf- und Gliederschmerzen werden mit NSAR behandelt. Der Husten kann mithilfe von Sekretolytika und Antitussiva gelindert werden. Die PTA kann außerdem Schonung, viel Trinken sowie eine gute Durchlüftung und Befeuchtung der Räume empfehlen. Im Normalfall sollte der Patient binnen zwei bis drei Wochen genesen.
Der unter der Corona-Pandemie etablierte Mund-Nasen-Schutz schützt den Träger und sein Gegenüber vor Ansteckung. Das vermehrte Händewaschen und die Niesetikette sind weitere effektive Schutzmaßnahmen, ebenso ein Mindestabstand von eineinhalb Metern und in Innenräumen gründliches (Dauer)-Lüften. Doch nicht nur das Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion wird durch diese Maßnahmen reduziert, auch die Übertragung von Bakterien und anderen Viren über Tröpfcheninfektion wird so verringert.
Abhängig vom Zustand des Patienten wägt der Arzt ab, ob eine stationäre Aufnahme nötig ist. Kriterien, die für eine Einweisung ins Krankenhaus sprechen, sind Sauerstoffpflicht, instabile Vorerkrankungen, Komplikationen im Krankheitsverlauf und soziale Faktoren, das heißt, wenn ein Patient zu Hause nicht versorgt werden kann. Problematisch wird die Auswahl des Antibiotikums, wenn resistente Erreger die Erkrankung verursachen. Besonders bei nosokomial erworbenen Pneumonien müssen Mediziner Reserveantibiotika sorgfältig auswählen, so zum Beispiel Ceftarolin und Ceftobirol, Cephalosporine der fünften Generation, die auch bei MRSA und Penicillin-resistenten Pneumokokken wirksam sind. Ein hohes Risiko für Komplikationen stellt die Verbreitung der Erreger über die Blutbahn in weitere Organe dar. So können die Erreger auch Hirnhäute oder das Herz befallen, und es droht eine Sepsis.
Viele Medikamente beeinflussen die Lunge bis hin zu schweren und irreversiblen Schädigungen. Im Internet unter www.pneumotox.com finden Interessierte umfassende Informationen über Arzneistoffe, die zu unerwünschten pneumologischen Wirkungen führen. Die Seite, von den französischen Toxikologen Philippe Camus von der Universität Dijon ins Leben gerufen, wird ständig aktualisiert. Derzeit umfasst sie etwa 1000 Medikamente und Stoffe, bei denen broncho-pulmonale Nebenwirkungen auftreten können.
Babys ab zwei Monaten sollten gegen Pneumokokken geimpft werden. / Foto: istockphoto.com/Dmitry Naumov
Risikopatienten empfiehlt das Robert Koch Institut eine Pneumokokken-Impfung. Zu der Zielgruppe gehören Babys ab zwei Monaten, ältere Menschen über 60 Jahren, Patienten mit chronischen Herz-, Kreislauf- und Lungenerkrankungen und geschwächtem Immunsystem. Bei zwei bis zehn Prozent der Erkrankten verläuft eine Infektion mit Pneumokokken tödlich, bei 15 Prozent bleiben Spätschäden. Gerade Säuglinge und Kleinkinder sind besonders gefährdet.
Drei Totimpfstoffe sind in Deutschland zurzeit zugelassen. Der Pneumokokken-Polysaccharid-Impfstoff enthält Antigene der 23 wichtigsten Pneumokokken-Typen und schützt gegen diese Serotypen, die für 80 bis 90 Prozent der schweren Pneumokokken-Erkrankungen verantwortlich sind. Bei Kindern unter zwei Jahren wirkt dieser nicht ausreichend gut. Deshalb werden für Säuglinge Konjugatimpfstoffe verwendet. Sie aktivieren das unreife Immunsystem besser und erzielen einen besseren Schutz. Einer der Impfstoffe enthält Antigene von 13, einer von zehn Pneumokokken-Serotypen. Für eine Grundimmunisierung werden Babys dreimal im Alter von zwei, vier und elf bis 14 Monaten geimpft. Die STIKO rät Hochrisikopatienten eine sequentielle Impfung, bestehend aus einer Impfung mit Konjugatimpfstoff PCV 13, gefolgt von einer Impfung mit dem Pneumokokken-Polysaccharid-Impfstoff sechs bis zwölf Monate später. Eine Wiederholungsimpfung nach sechs Jahren ist sinnvoll – allerdings dann ausschließlich mit dem Pneumokokken-Polysaccharid-Impfstoff.
Die Familie der Pneumokokken umfasst mehr als 90 Serotypen. Umgeben sind die Zellen von einer Kapsel aus Polysacchariden – langkettigen Zuckermolekülen. Die grampositiven Bakterien mit Kapsel unterscheiden sich untereinander in ihrer Virulenz und Pathogenität. So sind nach derzeitigem Wissensstand elf Serotypen für ein Viertel der schweren Pneumokokken-Erkrankungen beim Menschen verantwortlich. Die Ansteckung erfolgt über Schmier- und Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch. Die Bakterien besiedeln überwiegend die Nasenschleimhäute. Häufig bleibt eine Infektion symptomlos, insbesondere bei Kindern, die oftmals Träger und Überträger sind. Die Kinder wirken kerngesund, weil das Immunsystem die Erreger erfolgreich bekämpft. Tatsächlich lassen sich Pneumokokken in der Schleimhaut von 20 bis 40 Prozent aller gesunden Kinder nachweisen. In einigen Berufsgruppen, wie unter Mitarbeitern des Krankenhauspersonals liegt die Rate der gesunden Keimträger noch deutlich höher. Gefährlich wird es erst, wenn das Immunsystem noch nicht oder nicht mehr voll funktionsfähig ist.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.