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Sicherheit von Impfungen 

HPV-Impfung: Fake News mit Folgen

Ist ein Gerücht erst einmal in der Welt, ist es schwer, die Faktenlage wieder geradezurücken. Das zeigen die Beispiele Masernimpfung und Autismus sowie angebliche Impfschäden durch die HPV-Impfung. Dass eine unsachliche Berichterstattung über Impfungen die Bevölkerung verunsichern kann und als Folge gar die Impfrate sinkt, darauf macht jetzt das Paul-Ehrlich-Institut aufmerksam.
Elke Wolf
16.07.2019  18:00 Uhr

Dass die Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) zuverlässig vor HPV-assoziierten Erkrankungen wie Zervixkarzinom oder Genitalwarzen schützt, ist medizinischer Fakt, und zwar nicht nur bei geimpften, sondern auch bei nicht geimpften Frauen und Männern. Das stellt nun eine aktuelle im Fachjournal »Lancet« publizierte Metaanalyse unter Beweis (siehe Kasten).

Nichtsdestotrotz waren in den vergangenen Monaten impfkritische Beiträge hinsichtlich der HPV-Impfung in deutschen Medien zu lesen und zu sehen. Das für Impfstoffe zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) spielt konkret auf den Beitrag »Werden Risiken systematisch verschwiegen?« des Magazins »Report Mainz« des öffentlich rechtlichen Fernsehens im Dezember an. Um die Situation zu versachlichen und den Kenntnisstand auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, hat das PEI die Evidenz zu den Kritikpunkten an der HPV-Impfung zusammengestellt und im Bulletin zur Arzneimittelsicherheit veröffentlicht.

Worum geht es eigentlich? Konkret geht es um zwei seltene unerwünschte Nebenwirkungen, das Complex Regional Pain Syndrome (CRPS) und das posturale Tachykardiesyndrom (POTS). Diese sind vor sechs Jahren in zeitlichem Zusammenhang mit der HPV-Impfung aufgetreten, allerdings nur in Japan und Dänemark.

Die Folge: In beiden Ländern sind die Impfraten erheblich zurückgegangen, obwohl in umfangreichen Studien seither das positive Sicherheitsprofil der HPV-Vakzine bestätigt wurde. Bei CRPS handelt es sich um ein posttraumatisches Schmerzsyndrom einer Extremität, bei dem die Schmerzen nicht wie erwartet abklingen. Ein POTS ist gekennzeichnet durch eine ausgeprägte orthostatische Tachykardie von ≥ 30 Schlägen / min Anstieg oder durch eine maximale Herzfrequenz von > 120 Schlägen / min innerhalb von zehn Minuten ohne bedeutsame Hypotension.

Das PEI berichtet, dass das Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) der EMA und das Global Advisory Committee for Vaccine Safety der Weltgesundheitsorganisation WHO zwischen 2015 und 2017 einem möglichen Zusammenhang zwischen der Impfung und den unerwünschten Wirkungen nachgegangen sind. Dabei ergab sich kein Hinweis darauf, dass sich die Inzidenzraten beider Syndrome bei geimpften jungen Frauen von den erwarteten Raten in dieser Altersgruppe unterscheiden. Pro Jahr entwickeln je etwa 150 von einer Million Mädchen und jungen Frauen ein CRPS oder ein POTS. Die Raten bei geimpften und ungeimpften 10- bis 19-Jährigen unterschieden sich nach der Analyse nicht, betont das PEI.

Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch eine finnische Kohortenstudie mit insgesamt 240.605 11- bis 15-Jährigen zum CRPS, ebenso eine Analyse von Daten des US-Vaccine Adverse Event Reporting Systems (VAERS) zum tetravalenten HPV-Impfstoff. Forscher hatten dabei 19.760 Meldungen zu möglichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen aus den Jahren 2009 bis 2015 bei etwa 60 Millionen Impfdosen ausgewertet. Auch die VAERS-Daten zur Sicherheit des bivalenten HPV-Impfstoffs in den Jahren 2009 bis 2017 zeigten keine Auffälligkeiten.

Chance vertan

»Die inadäquate Berichterstattung über Impfungen kann zur Verunsicherung der Bevölkerung führen und die Impfrate negativ beeinflussen«, heißt es im PEI-Bericht. »Unsachliche Kritik, die zu einem Vertrauensverlust und Rückgang der Impfrate führt, kann schwere gesundheitliche Konsequenzen haben, nämlich im Fall von HPV ein höheres Risiko für Zervixkarzinom.« Insofern tragen Fake News nicht unerheblich dazu bei, dass Chancen in der Gesundheitsvorsorge vertan werden, fassen die Impfexperten aus Langen zusammen.

So ist in Dänemark die HPV-Impfrate von 90 Prozent (Jahrgänge 1998 bis 2000) auf 54 Prozent (Jahrgang 2003) im Jahr 2014 abgesackt. Der starke Rückgang folgte der negativen Berichterstattung in den Medien in Dänemark ab 2013, nachdem vermehrt die unerwünschten CRPS- und POTS-Ereignisse in zeitlichem Zusammenhang mit einer HPV-Impfungen an die dänische Behörde gemeldet worden waren, berichtet das PEI. Inzwischen steigt die Impfrate wieder an.

In Japan wurde die Impfempfehlung aufgrund der gesteigerten Medienaufmerksamkeit und Berichterstattung über vermeintliche Impfschäden 2013 ausgesetzt, obwohl der Impfstoff weiterhin zugelassen war. Im Zuge dessen gingen die Impfraten von 70 bis 80 Prozent auf 0,6 bis 3,9 Prozent in manchen Regionen zurück. Und das, obwohl zeitgleich eine Studie veröffentlicht wurde, die die Wirksamkeit der Impfung für japanische Probandinnen belegte, merkt des PEI an. Die in Japan durchgeführte Kohortenstudie mit 22.743 Studienteilnehmerinnen im Alter von 20 bis 29 Jahren ermittelte für geimpfte Frauen ein um 69 Prozent geringeres Risiko für eine Vorstufe des Zervixkarzinoms als für nicht geimpfte Frauen.

Präventives Potenzial

Auch in Deutschland werde das präventive Potenzial der Impfung bei Weitem nicht ausgeschöpft, merkt das PEI an. Im Jahr 2014 erkrankten 4509 Frauen neu an einem Zervixkarzinom, 1500 starben an Gebärmutterhalskrebs, und etwa 50.000 Frauen müssen sich pro Jahr einem operativen Eingriff, einer sogenannten Konisation zur Therapie einer HPV-bedingten Krebsvorstufe, unterziehen.

Obwohl die HPV-Impfung die Krankheitslast von HPV-assoziierten Tumoren bei gleichzeitig positivem Sicherheitsprofil nachweislich zu senken vermag, sind die Impfraten hierzulande erschreckend niedrig, führt das PEI aus. So waren nach einer STIKO-Analyse für den Zeitraum von 2014 bis 2017 lediglich 31,4 Prozent der 16-jährigen Mädchen vollständig geimpft. Somit werde das Gesundheitspotenzial dieser Impfung nicht genutzt und »auch die für eine Herdenprotektion erforderliche HPV-Impfrate von 80 Prozent wird bei Weitem nicht erreicht«, bedauern die Impfexperten.

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