Hyaluronsäure hat Karriere gemacht |
Gut durchfeuchtet bis in die Tiefe: Das geht nur mit Hyaluronsäure geringer Kettenlänge. / Foto: Adobe Stock/ sutthichai
Schon seit geraumer Zeit gilt Hyaluronsäure als Feuchtigkeitsspeicher Nummer 1 in unserem Körper. Als hochmolekulare, viskose Substanz, bestehend aus Glucuronsäure und N-Acetylglucosamin, dient sie nicht nur als Grundsubstanz des Stütz- und Bindegewebes, sondern übernimmt eine tragende Rolle im Glaskörper des Auges, der Nabelschnur, des Knorpels und der Gelenkflüssigkeit. So besteht beispielsweise der Glaskörper des menschlichen Auges fast annähernd aus Wasser, das von nur 2 Prozent Hyaluronsäure gebunden wird.
Diese Wasserbindungsfähigkeit ist die Eigenschaft, die die Hyaluronsäure auszeichnet. Pro Gramm Eigengewicht kann sie ganze sechs Liter Feuchtigkeit aufnehmen. Mit zunehmendem Alter geht der natürliche Anteil von Hyaluronsäure im Körper zurück und Haut, Schleimhaut sowie Gelenkknorpel verlieren an Elastizität und Geschmeidigkeit.
Seit rund 50 Jahren verfolgen Ärzte nun die Idee, sich die hygroskopischen Eigenschaften dieses langkettigen, linearen Polysaccharids für die Arthrosetherapie zu Nutze zu machen. Dabei injizieren sie Natriumhyaluronat direkt in die betroffenen Gelenke, allen voran das Kniegelenk. Dort soll die Substanz – quasi wie ein Stoßdämpfer – das Defizit an Gelenkflüssigkeit ausgleichen, Lücken im Gelenkknorpel schließen und somit die Gelenkoberfläche glätten.
Ob diese Spritzentherapie ins Knie wirklich sinnvoll ist, bewerten nationale und internationale Leitlinien unterschiedlich. Die meisten sprechen sich jedoch gegen diese Maßnahme aus – zu Recht, wie eine aktuelle Übersichtsstudie mit annähernd 9000 Kniearthrose-Patienten zeigt. Die Hyaluronsäure-Injektionen führten zwar zu einer Verbesserung der Schmerzen im Vergleich zu Placebo, doch der Unterschied war gering und wurde als klinisch irrelevant eingestuft. Vielmehr ergab sich durch die Verum-Injektionen ein erhöhtes Risiko für schwere unerwünschte Wirkungen.
Mehr Erfolg verspricht die Hyaluronsäure-Anwendung bei Haut- und Schleimhautproblemen. Laut der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) gehört die Hyaluronsäure zu den effektivsten Wirkstoff(grupp)en, die die Dermokosmetik gegen Alterungsprozesse der Haut zu bieten hat. Die Experten sprechen ihr eine geprüfte Wirksamkeit in der Anti-Aging-Pflege zu. Und in der Tat kommt man heute kaum mehr an einem Hyaluronsäure-Präparat vorbei, wenn man pralle Haut voller Leucht- und Spannkraft haben möchte.
Führt man sie von außen zu, wirkt sie wie ein Feuchtigkeitsbooster, denn sie verbindet sich über Wasserstoffbrücken mit Molekülen auf und in der Haut. Das wirkt aufpolsternd und gleicht so Trockenheitsfältchen und Linien aus. Durch die Erhöhung des Feuchtigkeitsanteils wird die Faltentiefe verringert, die Haut bleibt geschmeidig. Die kosmetisch aufbereitete Substanz wird oft nur Hyaluron genannt.
Dabei haben Technologen die Hyaluronsäure in den vergangenen Jahren noch effektiver gemacht. Je nach Kettenlänge des Polysacharids werden verschiedene Varianten unterschieden:
Den besten Feuchtigkeitsboost für die Haut erzielen Präparate, die eine Mischung aller Hyaluronsäure-Arten enthalten. Die langkettigen Varianten bringen den Soforteffekt, die kurzkettigen Fragmente die Langzeitwirkung. Dafür stehen die unterschiedlichsten Formulierungen zur Verfügung, von Creme, Serum, Gel oder Augenpads. Die Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie weist darauf hin, dass Hyaluronsäure nicht zur Selbstinjektion geeignet ist. »Wir beobachten eine besorgniserregende Entwicklung, die sich in den sozialen Netzwerken abzeichnet: Es tauchen Videos auf, die zeigen, wie Patienten sich mit Spritzen oder Pens den Wirkstoff Hyaluron selbst in die Lippen und auch andere Stellen im Gesicht injizieren. Dabei riskieren sie nicht nur optisch ein entstellendes Ergebnis, sondern auch gesundheitliche Komplikationen.«
Nicht nur die Haut verliert mit dem Alter an Spannkraft. Die Schleimhäute der Augen, in Nase und Rachen stehen ihr in nichts nach. So mindert höher vernetzte Hyaluronsäure in Augentropfen zuverlässig die Symptome beim Sicca-Syndrom. Trocknen die Schleimhäute der Nase aus und sorgen Borken für ein unangenehmes Spannungsgefühl, bringen Hyaluronsäure-haltige Nasensprays nachhaltige Befeuchtung. Bei einem wunden Hals und Rachen legt sich das bildende Hydrogel wie ein schützender Film für eine gewisse Zeit über die angegriffenen Schleimhäute.