Identitätsprüfung in einfach |
Juliane Brüggen |
31.03.2023 08:00 Uhr |
Bei Drogen, pulverigen und halbfesten Rezepturkonzentraten sowie mikronisierten Arzneistoffen ist unter anderem die Mikroskopie eine apothekengerechte Prüfmethode. / Foto: Getty Images/sturti
Die Identitätsprüfung von Rezeptursubstanzen in der Apotheke soll sicherstellen, dass wirklich der Stoff im Gefäß ist, der auf dem Etikett steht. Das ist keinesfalls unwichtig, denn: »Für die Qualität haften Apotheken«, betonte Bauer. Falschabfüllungen kommen zwar selten vor, können aber lebensgefährlich enden – besonders, wenn es um oral oder parenteral applizierte Zubereitungen geht. Oftmals ähnelten sich die verwechselten Substanzen im Namen, erläuterte der PTA-Schulleiter, weniger in strukturellen Aspekten. So war etwa anstatt Tetracyclinhydrochlorid das Lokalanästhetikum Tetracainhydrochlorid enthalten, Kaliumacetat anstelle von Calciumacetat oder Lidocain anstelle von Indometacin. Die Verwechslungen aufzudecken, wäre oftmals ein Leichtes gewesen: Tetracyclin ist gelb, während Tetracain weiß ist. Lidocain hat einen Schmelzpunkt von 77 °C, Indometacin schmilzt bei 161 °C. Kalium und Calcium lassen sich mittels nasschemischem Ionen-Nachweis einfach unterscheiden.
Wo liegt also das Problem? Nicht förderlich ist laut Bauer, dass Apotheken bevorzugt nach Arzneibuch prüfen müssen. »Wir haben festgestellt, dass die Arzneibuchmethoden immer weniger geeignet sind. Es sind viele Methoden dazugekommen, die wir in der Apotheke nicht durchführen können.« Der Trend gehe in Richtung apparative Analytik wie IR-Spektroskopie. Es werde ein hoher Prüf- und Geräteaufwand vorausgesetzt – sodass öffentliche Apotheken sich teils nicht in der Lage sähen, die Prüfungen vollständig durchzuführen, und sich vollkommen auf das mitgelieferte Prüfzertifikat verließen. Außerdem komme es vor, dass Nachweise, die eine hohe Aussagekraft haben, durch unzureichende Prüfungen ersetzt würden. Als Beispiel nannte er die Aussage »weißes Pulver, Identität organoleptisch: o.k.« in einem Prüfprotokoll zu Triamcinolonacetonid, den unspezifischen Chloridnachweis bei Salzen oder die Schmelzpunktbestimmung bei Substanzen wie Prednisolon, die erst über 200 °C unter Zersetzung schmelzen. Hier erhalte man je nach Aufheizzeit unterschiedliche Ergebnisse.
Dabei gebe es verlässliche Alternativen, betonte Bauer. Sollten die im Arzneibuch angegebenen Prüfungen nicht apothekengerecht oder nicht mit üblicher Laborausstattung durchführbar sein, können Apotheken laut Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) auf alternative Prüfmethoden zurückgreifen. Gleiches gilt, wenn die Substanz nicht monographiert ist. Einzige Voraussetzung ist, dass die gleichen Ergebnisse erzielt werden wie mit Arzneibuchmethoden.
Dieses Kriterium erfüllen unter anderem die Prüfverfahren der Alternativen Identifizierung nach DAC/NRF, die Rücksicht auf den Zeitaufwand und die Gegebenheiten in der öffentlichen Apotheke nehmen. Sie können dann verwendet werden, wenn es sich um eine sekundäre Identifizierung handelt und ein valides Prüfzertifikat gemäß § 6 Abs. 3 ApBetrO die Qualität bescheinigt. »Wir sollten auch das Prüfzertifikat prüfen«, meinte der Apotheker. »Es muss bestimmte Vorgaben erfüllen.« Bei der Kontrolle helfen die »Tabellen für die Rezeptur« und die Leitlinie »Prüfung und Lagerung von Ausgangsstoffen« der Bundesapothekerkammer.
Bauer wies darauf hin, dass zur Identitätsprüfung zunächst die sensorische Prüfung (Aussehen, Geruch) gehört und bei DAC-Verfahren alle in der Vorschrift genannten Nachweise vollständig durchgeführt werden müssen, sofern nicht anders vermerkt. Alles, was die prüfende Person gemacht hat, ist im Prüfprotokoll zu dokumentieren. »Wenn etwas schiefläuft, haben wir nur das Protokoll, auf das wir uns berufen können«, mahnte der Apotheker. Da keine vorgeschriebene Geräteliste mehr existiere, konzentrierten sich auch die Amtsapotheker mehr auf die Prüfprotokolle. Bauer: »Schreiben Sie nichts ins Protokoll, was Sie nicht durchgeführt haben.« Sollten sich bei einer Prüfung nach alternativen Methoden Zweifel ergeben, empfahl er, die Prüfung mit Arzneibuchmethoden zu wiederholen.
Eine unkomplizierte und anerkannte alternative Prüfmethode ist die Nahinfrarot-Spektroskopie (NIRS), die laut Bauer für etwa 80 Prozent der apothekenüblichen Ausgangsstoffe in Frage kommt. Das verwendete Licht hat einen Wellenlängenbereich von circa 800 nm bis 2500 nm und versetzt die Moleküle bei der Absorption in charakteristische Schwingungen (»fingerprint«). Die Methode eignet sich neben der Identifizierung auch zur Quantifizierung. Im Gegensatz zur IR-Spektroskopie erfolgt die Auswertung nicht visuell, sondern chemometrisch und daher computergestützt.
Vorteilhaft ist, dass der Stoff intakt bleibt und kein Substanzverlust entsteht. Der zu prüfende Stoff wird lediglich in ein Probenglas gefüllt und muss nicht mit Kaliumbromid verrieben werden. Es können Pulver, halbfeste und feste Zubereitungen einschließlich Teedrogen mit Inhaltsstoffen untersucht werden. Die Methode funktioniere gut bei chemisch definierten organischen Arznei- und Hilfsstoffen, ihren Salzen und Solvaten sowie bei vielen Drogen und Lösungsmitteln, berichtete der Apotheker – eingeschränkt auch bei halbfertigen Salbengrundlagen oder Rezepturkonzentraten und weniger definierten organischen Hilfsstoffen wie Cellulosederivaten, Fetten oder Wachsen. Anorganische Salze eignen sich hingegen nicht für die Methode, da sie im NIR-Bereich nicht zu Schwingungen angeregt werden.
Bauer veranschaulichte das Prinzip anhand des NIR-Geräts Apo-ident®, das zunächst anhand eines Ampelschemas anzeigt, ob die eingestellte Substanz eindeutig prüfbar ist (grün), zusätzliche Prüfungen erforderlich sind (gelb) oder die Prüfung nicht durchführbar ist (rot). Nach der Messung wird das Spektrum automatisch mit einer hinterlegten Referenzdatenbank verglichen. Es erscheint das Ergebnis »identisch« oder »nicht identisch«. Der hohe Aufwand für Hersteller, die Spektrensammlung bis auf Chargenebene aktuell zu halten, erkläre den Nachteil der Methode: Den hohen Anschaffungspreis.
Abschließend ermutigte Bauer die teilnehmenden PTA, auf die validierten, alternativen Prüfungsmethoden zurückzugreifen, bevor Prüfungen ganz weggelassen oder ungeeignete Prüfungen durchgeführt würden. Schon Albert Schweitzer habe erkannt: »Es ist besser, hohe Grundsätze zu haben, die man befolgt, als noch höhere, die man außer Acht lässt.«