Im Alter möglichst unabhängig bleiben |
Roboter als empathische Helfer im Leben alter Menschen? Auch, wenn mancher schon ein paar Gefühle gelernt hat, sind noch viele Fragen in Theorie und Praxis offen. / Foto: imago images/Norbert Millauer
Smart-Home-Systeme erleichtern den Alltag, indem sie wiederkehrende alltägliche Handlungen automatisieren. Was im jüngeren Alter vor allem Zeitersparnis und Arbeitserleichterung bedeutet, kann im hohen Alter ein entscheidender Faktor sein, um länger selbstständig in den eigenen vier Wänden leben zu können.
Unter dem Begriff Ambient Assisted Living (AAL) finden sich Systeme, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen im hohen Alter oder mit Beeinträchtigung zugeschnitten sind. Sie beginnen bei einfachen Handlungen wie der Regelung der Heizung, dem Öffnen und Schließen der Rollläden zu bestimmten Zeiten oder bei Sonneneinstrahlung, dem Vorlesen oder Erinnern an die Einnahme von Medikamenten und enden bei komplexen Tools, die neben dem Komfort auch die Sicherheit der Bewohner erhöhen sollen.
Ein erheblicher Stressfaktor für viele ältere Menschen ist die Eingangstür. Sie sorgen sich, die Tür nicht rechtzeitig zu erreichen, wenn es klingelt, oder möchten Fremden nicht öffnen müssen. Beides lässt sich umgehen, wenn die Türklingel mit einer Kamera ausgestattet und mit Tablet oder Smartphone verbunden wird. Besucher können am Bildschirm gesehen und die Tür per Fingertipp geöffnet werden. Erkrankungen oder körperliche Einschränkungen können das Öffnen und Verschließen der Tür per Schlüssel deutlich erschweren und eigenständige Ausflüge verhindern. Vereinfachen lässt sich das durch Türschlösser, die per Fingerabdruck oder App geöffnet werden. Sie lassen sich an den meisten Türen nachrüsten. Eingebunden in ein AAL-System besteht zudem die Möglichkeit, mehrere Benutzer zu erfassen und für diese Zutrittsberechtigungen sowie Zeitfenster für das Betreten der Wohnung festzulegen. Dadurch können auch Pflegekräfte oder Haushaltshilfen eigenständig in die Wohnung gelangen, aber nicht rund um die Uhr wie beim Schlüssel.
Ein nicht abgeschalteter Herd gilt als Hauptursache für Wohnungsbrände. Ein sogenannter Herdwächter sorgt dafür, dass dieser nach dem Kochen nicht eingeschaltet bleibt. Dafür registriert der Wächter Temperaturanstiege und Bewegungen am Herd. Nimmt er keine Bewegung wahr, wird ein Alarm ausgelöst und, sofern ihn niemand abstellt, die Stromzufuhr zum Herd unterbrochen.
Ebenfalls für Sicherheit sorgt die Möglichkeit, alle elektrischen Geräte über einen zentralen Schalter neben der Eingangstür beim Verlassen der Wohnung ausschalten zu können. Werden Demenzpatienten zu Hause betreut, können Sensoren an Fenstern und Türen registrieren, wenn diese geöffnet oder nach dem Öffnen nicht wieder geschlossen werden. Die Angehörigen können per App in das AAL-System eingebunden und über Abweichungen von Routinen informiert oder im Notfall benachrichtigt werden.
Speziell für das AAL wurde der SensFloor® entwickelt. Dabei werden Sensormatten unter dem Fußboden verlegt, die Bewegungen registrieren und analysieren. Sie erkennen Stürze oder das ziellose Herumirren demenzkranker Menschen und können Angehörige oder Pflegekräfte darüber informieren. Sie erkennen auch Abweichungen von typischen Bewegungsmustern, was dazu beitragen kann, Einbrüche zu bemerken.
Bei Verknüpfung mit einem Beleuchtungssystem können zudem Lichter eingeschaltet werden, in deren Richtung die Person sich bewegt. Das hilft, Stürzen aufgrund der Kombination aus schlechten Lichtverhältnissen und nachlassendem Sehvermögen vorzubeugen. Alternativ zur gesamten Fußbodenausstattung lassen sich Sensormatten auch punktuell verlegen, zum Beispiel vor dem Bett oder der Toilette.
Zurzeit finden sich voll ausgestattete AAL-Wohnungen vor allem im Rahmen von Projekten und damit noch vergleichsweise selten am Markt. Menschen, die ihre eigene Wohnung umrüsten möchten, sehen sich meist mit hohen Kosten konfrontiert. In vielen Fällen schrecken aber auch die potenziellen Anwender vor der neuen Technik zurück oder tun sich im Alltag schon mit der Anwendung einfacher Systeme schwer. Möglicherweise ändert sich dies mit künftigen Generationen, die den Umgang mit Smart-Home-Systemen bereits in jüngeren Jahren gewohnt sind. Studien zeigen, dass eine Technologie nur akzeptiert wird, wenn Anwender sie als nützlich und sinnvoll erachten. Das hängt auch davon ab, wie gut sie sie bedienen können.
Intensiv wird auch an der Entwicklung und Optimierung von Pflegerobotern gearbeitet. Sie sollen den Pflegenotstand abfedern, der sich aufgrund der alternden Gesellschaften in den meisten Ländern der Erde mit großer Wahrscheinlichkeit weiter verstärken wird, so die Theorie. In der Praxis hapert es derzeit vor allem an der technischen Umsetzung, aber auch an den sozialen Komponenten der Roboter. Viele Roboter sind mit Rollen ausgestattet und scheitern dadurch an Treppen oder können weder in einen Aufzug fahren noch beherrschen alle Modelle, die im Aufzug notwendigen Knöpfe zu drücken.
Bei einer lauten Umgebung filtern die Roboter Gespräche noch nicht ausreichend gut, und kleine Umgebungsveränderungen können sie nachhaltig verwirren. Damit Roboter bei Therapien oder im Alltag unterstützen können, müssen sie ihr Gegenüber ertasten und behutsam anfassen können. An der Umsetzung wird derzeit noch geforscht. So untersuchen zum Beispiel Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, welche Anforderungen Roboter erfüllen müssen, damit Menschen deren Berührungen als angenehm und hilfreich empfinden. Sie nutzen dafür eigens entwickelte Roboter, die auf Grundlage der Ergebnisse weiter optimiert werden und sich so möglicherweise irgendwann für die Praxis eignen.
In Projekten werden Roboter dennoch schon fleißig getestet und in vielen Pflegeheimen durften die Bewohner bereits »Pepper« kennenlernen. Der 1,20 m große Roboter ist mit Mikrofonen, 3-D-Kamera und Sensoren ausgestattet und auf Kommunikation, Unterhaltung und Information spezialisiert. Der Roboter kann gesprochene Worte, die Stimmlage und nonverbale Signale wie Haltung und Mimik analysieren. Er kann den emotionalen Kontext eines Gesprächs wie Freude, Ärger, Trauer und Überraschung wahrnehmen und seine Reaktion an die Stimmung anpassen.
»Pepper« kann auch für Unterhaltung sorgen. Er erzählt Witze, imitiert Tiere, liest Geschichten vor, stellt Denkaufgaben, macht Bewegungen vor und motiviert zum Mitturnen. In der Arbeit mit dementen Menschen hat sich der Roboter »Paro« bewährt, der einer Babysattelrobbe nachempfunden ist und auf Streicheln reagiert.
Tatkräftiger als Roboter für die tiergestützte Therapie sind die Serviceroboter »Justin« und »Edan«. Sie können Getränke oder Medikamente reichen, den Aufzugknopf drücken, in Notsituationen unterstützen oder um Hilfe rufen, wenn eine Person nicht mehr auf den Roboter reagiert. Nicht weiter entwickelt wurde hingegen der Roboter »Robear«. Seine Aufgabe war es, Patienten umzubetten und aufzurichten. Hier hat sich jedoch bereits beim Prototyp gezeigt, dass seine Größe und sein Gewicht zur Gefahr für die Patienten werden können.
Derzeit ist nicht klar, ob Roboter das Pflegesystem in naher Zukunft wirklich spürbar entlasten können oder eher eine unterhaltsame, technische »Spielerei« bleiben. Einig sind sich Experten jedoch, wenn es um die Aufgaben von Pflegerobotern geht. So ist ein Ersatz menschlicher Pflegekräfte zum heutigen Zeitpunkt ausdrücklich nicht gewünscht. Roboter sollen unterstützend arbeiten, Aufgaben übernehmen, die schambehaftet sind und damit sicherstellen, dass die Würde eines pflegebedürftigen Menschen besser gewahrt werden kann.
Dem menschlichen Personal soll durch die technischen Kollegen mehr Zeit für jeden einzelnen Pflegebedürftigen und für persönliche Zuwendung bleiben. Dennoch wird unter Experten auch schon darüber diskutiert, wie Zukunftsvisionen, in denen ärmere Menschen durch Roboter und zahlungskräftige Kunden durch Menschen gepflegt werden, verhindert werden könnten.
Darüber hinaus sind viele weitere ethische und rechtliche Fragen zum jetzigen Zeitpunkt noch ungeklärt: Wer haftet, wenn der Roboter einen Menschen verletzt oder falsch bedient wurde? Wem gehorcht der Roboter? Wie soll sich ein Roboter verhalten, wenn mehrere Menschen gleichzeitig versorgt werden müssen oder ein Mensch um Handlungen bittet, die seinen Tod herbeiführen würden. Wird er den pflegebedürftigen Menschen entmündigen oder haben die individuellen Vorstellungen der Menschen Vorrang?
Wichtig ist auch der Umgang mit den personenbezogenen Daten, die Roboter über die Gesundheit und Gewohnheiten eines pflegebedürftigen Menschen sammeln. Wie kann hier sichergestellt werden, dass ein Pflegeroboter nicht gehackt wird? Offen ist auch noch, welche Auswirkungen es auf die Pflegekräfte selbst hat, rund um die Uhr neben Robotern zu arbeiten. Bekannt ist, dass permanente Aufzeichnung durch die Systeme zu einem Gefühl des Überwachtwerdens führen kann. So wurden Pflegeroboter in Japan bereits in Schränke gesperrt oder durch das Pflegepersonal ausgeschaltet.