Impf-Booster für alle? |
In Pflegeeinrichtungen und für besonders gefährdete Menschen ist in Deutschland schon mit den Booster-Impfungen begonnen worden. / Foto: Adobe Stock/Yaroslav Astakhov
Die vierte Welle der Corona-Pandemie in Deutschland hat längst begonnen. Und nicht nur Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) denkt öffentlich darüber nach, allen Bürgerinnen und Bürgern eine Auffrischungsimpfung anzubieten. Experten betonen, dass eine solche Booster-Impfung zunächst älteren Menschen und anderen Risikogruppen ermöglicht werden sollte. Für das Infektionsgeschehen sei zudem wichtiger, jene jungen und gesunden Menschen zu impfen, die bislang noch gar kein Vakzin erhalten haben.
Laut Carsten Watzl, Immunologe am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der Technischen Universität Dortmund, fällt die Antwort auf die Frage des Sinns einer dritten Impfung mit Blick auf zu erwartende Infektionsgeschehen im Herbst und Winter differenziert aus: «Aus immunologischer Sicht ist das sehr sinnvoll: Das Immunsystem verbessert bei jedem Kontakt mit einem Erreger die Immunreaktion auf diesen deutlich.» Eine Auffrischungsimpfung würde zum einen wegen einer größeren Zahl an Gedächtniszellen eine langanhaltendere Immunisierung bedeuten. Zum anderen falle der Impfschutz auch stärker aus, weil deutlich mehr Antikörper vorhanden seien.
Sowohl ethisch als auch virologisch stellten Booster-Impfungen laut Watzl, der auch Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie ist, indes Probleme dar: «Weltweit herrscht immer noch Impfstoffmangel. Durch diesen sterben mehr Menschen als hierzulande durch eine dritte Impfung gerettet würden.» Zudem mutiere das Virus vor allem dort, wo es sich ungehindert ausbreiten könne. «Es gibt eine Korrelation zwischen der Anzahl der Virusmutanten und dem Impfstatus eines Landes: Gerade in Ländern, wo die Impfquote sehr niedrig ist, beobachten wir eine viel höhere Mutationsrate.»
Mit Blick auf die Diskussion um Booster-Impfungen appellierte die Weltgesundheitsorganisation WHO kürzlich, erst die vorhandenen Impfstoffe an gefährdete Menschen weltweit zu verteilen. «Wenn einem großen Teil der Bevölkerung Auffrischungsimpfungen angeboten werden, obwohl viele noch nicht einmal eine erste Dosis erhalten haben, wird der Grundsatz der nationalen und globalen Gerechtigkeit untergraben», heißt es in einer WHO-Stellungnahme. Die Priorisierung von Auffrischungsdosen gegenüber einer raschen und umfassenden Versorgung mit der ersten Dosis könne auch die Aussichten auf eine globale Eindämmung der Pandemie beeinträchtigen, was schwerwiegende Folgen für die Gesundheit sowie das soziale und wirtschaftliche Wohlergehen der Menschen weltweit hätte.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.