Impf-Booster für alle? |
Nichtsdestotrotz wurde in der vergangenen Woche berichtet, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) darüber nachdenke, allen Bürgerinnen und Bürgern eine Auffrischungsimpfung anzubieten. Schon jetzt begännen die Länder Schritt für Schritt mit den Booster-Impfungen in den Pflegeeinrichtungen und für besonders gefährdete Menschen, so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Gerade für Ältere sowie für Menschen aus anderen Risikogruppen sei dies auch medizinisch sinnvoll, betont der Infektiologe Leif Erik Sander mit Verweis auf jüngst als Preprint veröffentlichte Zwischenergebnisse einer Studie seiner Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung an der Berliner Charité. Diese bestätigt, dass die Immunantwort von älteren Menschen auf die Impfung deutlich stärker nachlässt als bei jüngeren. Bei vier von zehn Menschen in einer Gruppe, deren Durchschnittsalter in der Studie bei 82 Jahren lag, seien nach einem halben Jahr keine neutralisierenden Antikörper mehr gegen die Delta-Variante feststellbar.
Im Vergleich dazu bestimmte die Forschungsgruppe auch den Antikörperspiegel bei Charité-Mitarbeitern, die im Durchschnitt 35 Jahre alt waren. Diese hatten immer noch zu über 97 Prozent neutralisierende Antikörper gegen die Delta-Variante - obwohl beide Studiengruppen zur gleichen Zeit mit dem gleichen Vakzin (Biontech) geimpft worden waren.
Ein signifikanter Unterschied zeigte sich auch in der T-Zell-Antwort. «Insgesamt deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass das etablierte Zwei-Dosen-Impfschema bei älteren Menschen im Vergleich zu jungen Erwachsenen weniger dauerhafte Immunreaktionen hervorruft», heißt es im Preprint. Entsprechend sei die Empfehlung, ältere Menschen noch einmal zu boostern, unbedingt nachvollziehbar, so Sander. Zumal deren Risiko, schwer zu erkranken, je nach Altersgruppe hundertfach erhöht sei.
Abgesehen von Risikogruppen und unter Umständen deren Umfeld brauche derzeit allerdings niemand, der erst vor kurzem geimpft worden sei, eine dritte Impfung, so Sander. Natürlich könnten Booster-Impfungen die Zahl der Durchbruchsinfektionen senken, wie eine Studie aus Israel erst kürzlich gezeigt habe. «Auf das Infektionsgeschehen hat aber die Impfung von bislang Ungeimpften einen viel stärkeren Einfluss als eine dritte Impfung für junge gesunde Menschen», unterstreicht der Infektiologe.
Zudem sei bei einer Auffrischung zu beachten, dass der Abstand zur zweiten Impfung mindestens ein halbes Jahr betragen sollte. «So lange sollte man warten, damit sich die Gedächtniszellen beruhigen», sagt Carsten Watzl und fährt fort: «Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass wir zu der Erkenntnis kommen, dass eine Corona-Schutzimpfung drei Injektionen braucht: Eine zweite sechs bis acht Wochen nach der ersten und eine dritte nach weiteren sechs bis acht Monaten.» Dieses Prinzip dreier Impfdosen sei auch von anderen Vakzinen bekannt, die etwa im Kindesalter verabreicht werden.
Für die dritte Dosis könnte indes eine geringere Dosis ausreichen, wie ein Team um den Epidemiologen Benjamin Cowling von der Universität Hongkong im Fachblatt «Nature Medicine» kürzlich anmerkte. Dieses «Fraktionierung» genannte Verfahren ist bereits von anderen Impfstoffen bekannt und könnte, so die Autoren der Studie, eine mögliche Lösung für den weltweiten Mangel an Impfstoffen sein, die bisher nicht ausreichend beachtet und berücksichtigt worden sei.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.