Impfstofftypen im Überblick |
Herkömmliche Impfstoffe haben, ausgelöst durch die Corona-Pandemie, Verstärkung bekommen. Neue Prinzipien schaffen neue Möglichkeiten. / Foto: Adobe Stock/Zerbor
Mit den Kuhpocken fing es an: Ende des 18. Jahrhunderts erkannte der englische Arzt Edward Jenner, dass eine Ansteckung gegen die echten Pocken immun machen konnte. Diese Entdeckung gilt als der Startschuss der aktiven Immunisierung. Bei einer Impfung lernt der Körper Antigene des Erregers kennen, um geeignete Immunreaktionen dagegen zu entwickeln. Er stellt Antikörper-produzierende B-Zellen her und aktiviert T-Zellen. Lange standen für die aktive Immunisierung nur drei Methoden zur Verfügung. Es konnten lebende, abgeschwächte Keime oder abgetötete Erreger oder nur Bruchstücke oder Teile von ihnen verabreicht werden. Seit der Coronapandemie haben sich zwei neue Impfstofftypen etabliert: Die Vektorimpfstoffe und die Nukleinsäure-Impfstoffe.
Um die traditionellen Impfstoffe herzustellen, braucht es Erregermaterial, also große Mengen an Bakterien oder Viruskopien. Bakterien können in Zellkulturen gezüchtet werden. Ein Großteil der Viren, etwa für den Influenza-Impfstoff, wird hingegen im Hühnerei erzeugt. Die Technologie reicht zurück bis ins Jahr 1931. Damals erkannte der Pathologe Ernest W. Goodpasture von der Vanderbilt University in Nashville, dass sich Viren in bebrüteten Hühnereiern kultivieren lassen. Das Ei als Brutstätte für Viren erwies sich bald als ideales Hilfsmittel, um die für Impfstoffe benötigten Viren in großen Mengen herzustellen. Der Prozess ist allerdings zeitaufwendig und verbraucht eine immense Menge an Eiern. Allein für die Grippeimpfstoffe werden jährlich weltweit um die 500 Millionen Eier benötigt. An die embryonierten Hühnereier werden hohe Qualitätsanforderungen gestellt. So müssen sie zum Beispiel aus infektiologisch kontrollierten Hühnerbeständen stammen und vollständig intakt, absolut sauber und keimfrei sein.
Im Zusammenhang mit den Influenzaimpfstoffen kam die Frage auf, welchen Einfluss eine mögliche Ei-Adaption auf die Wirksamkeit der Impfstoffe im Menschen hat. Um in Zellen wachsen zu können, binden Viren an Rezeptoren, die sich bei Säugetierzellen und Vogelzellen unterscheiden. Ein menschliches Influenzavirus muss sich daher anpassen, um in Vogelzellen wachsen zu können. Dabei könnte sich die Antigenität des charakteristischen Oberflächenproteins Hämagglutinin der Grippeviren leicht verändern. Möglicherweise stellt der Körper nach einer Impfung mit diesen Vakzinen Antikörper her, die weniger wirksam gegen die zirkulierenden Grippeviren sind.
Ein Teil der Impfstoffe gegen Viren wird bereits auf Zellkulturen zum Beispiel aus Hühnerfibroblasten hergestellt. Produktionsanlagen im industriellen Maßstab und die verglichen mit der Anzucht in Hühnereiern kürzeren Herstellungszeiten machen es möglich, schneller auf einen gesteigerten Bedarf zu reagieren. Laboranten beimpfen die Zellen mit Viren, die dann in Bioreaktoren unter genau kontrollierten, konstanten Bedingungen kultiviert werden. Die in die Zellen übertragenen Viren programmieren diese so um, dass sie Virenbestandteile produzieren, die zu kompletten Viren zusammengefügt werden können. Die fertigen Viren werden »geerntet« und gereinigt.
Bei Totimpfstoffen werden die gewonnenen und gereinigten Viren auf chemische oder physikalische Weise inaktiviert, sodass sie sich nicht mehr vermehren können. Inaktivierte Pathogene werden entweder direkt zu Ganzpartikelimpfstoffen verarbeitet oder es werden nur Teile davon verwendet. Sie sind in der Regel nebenwirkungsarm und können auch Menschen mit geschwächtem Immunsystem verabreicht werden. Da inaktivierte Krankheitserreger keine Zellen mehr infizieren können, stimulieren sie hauptsächlich eine antikörpervermittelte Reaktion. Diese kann schwächer und weniger langanhaltend ausfallen. Adjuvantien und Auffrischungsdosen verbessern die Impfwirkung. Beispiele für inaktivierte Impfstoffe sind die Vakzine gegen Polio, Hepatitis A und FSME.
Um hingegen Lebendimpfstoffe herzustellen, werden Keime vermehrt, die durch Mutationen so verändert sind, dass sie nicht mehr krankmachen können. Die Herausforderung besteht darin, einen geeigneten Stamm oder Klon von Viren zu finden, der stabil ist und nicht wieder zu einem virulenten Stamm zurückmutiert. Lebendimpfstoffe sind vernehmungsfähig und lösen anders als Totimpfstoffe auch eine zelluläre Immunantwort aus, die die Aktivierung von zytotoxischen T-Zellen einbezieht. Eine Auffrischungsimpfung ist nicht immer erforderlich. Bis auf einige Ausnahmen dürfen sie allerdings nicht an Immunschwache verabreicht werden, da die Betroffenen durch die Impfung erkranken könnten. Auch Schwangere können mit einigen Lebendimpfstoffen nicht geimpft werden. Für die Apotheke ist wichtig, dass die Impfstoffe eine konsequente Kühllagerung benötigen. Beispiele für abgeschwächte Impfstoffe sind die Vakzine gegen Masern-Mumps-Röteln (MMR), Windpocken, Gürtelrose, Gelbfieber, Rotavirus oder der nasale Lebendimpfstoff gegen Grippe (LAIV, live attenuated influenza vaccine).
Einige Impfstoffe können zusammen verabreicht werden. In Kombinationsimpfstoffen sind gleich verschiedene Antigene fix kombiniert, die sich nicht gegenseitig beeinflussen. Beispiele sind der MMR-Impfstoff (Masern/Mumps/Röteln wie Priorix oder M-M-RVAXPRO) oder der Kombinationsimpfstoff gegen Diphtherie und Tetanus (wie Td-IMMUN). Sie helfen, die Anzahl der Impftermine zu reduzieren. Grundsätzlich gilt bei Lebendimpfstoffen, dass diese simultan verabreicht werden können. Danach ist allerdings bis zur nächsten Impfung ein Mindestabstand von vier Wochen nicht zu unterschreiten. Totimpfstoffe erfordern auch zu Lebendimpfstoffen keine Mindestabstände. Wer die empfohlenen Impfabstände unterschreitet, beeinträchtigt möglicherweise die Wirksamkeit. Bei einer Überschreitung baut sich der Immunschutz langsamer auf. Welche Impfabstände bei den einzelnen Vakzinen zu beachten sind, kann den Fachinformationen entnommen werden.
Zu den inaktivierten Impfstoffen gehören neben den Ganzpartikelimpfstoffen auch solche, die nur noch die Teile des Keims enthalten, an denen das Immunsystem den Erreger erkennen kann. Um beispielsweise aus den hergestellten Viruskopien Spaltimpfstoffe herzustellen, wird die Erregeroberfläche mit Chemikalien fragmentiert. Beispiele für Spaltimpfstoffe sind verschiedene Influenzaimpfstoffe. Sie lösen allerdings wie andere Totimpfstoffe meist in erster Linie nur eine antikörpervermittelte, also humorale Immunantwort aus.
Nur noch aus gereinigten Antigenen bestehen die Subunit-Impfstoffe (Untereinheitenimpfstoffe). Bei rekombinanten Subunit-Impfstoffen werden die Antigene gentechnisch in Hefen oder anderen Zellen hergestellt. Subunit-Impfstoffe stimulieren das Immunsystem sehr gezielt und sind gut verträglich. Beispiele sind die Impfstoffe gegen Hepatitis B, das Humane Papillomvirus (HPV) und viele Grippevakzine. Zu den Subunit-Impfstoffen zählen auch die konjugierten Impfstoffe. Hier sind Polysaccharid-Antigene an Proteine als Träger gebunden. Als Konjugat-Impfstoff steht beispielsweise ein Meningokokken-Impfstoff zur Verfügung.
Eine weitere Untergruppe der Totimpfstoffe sind die Toxoidimpfstoffe. Sie sind eine besondere Art von Vakzine gegen bakterielle Infektionen. Beispiele sind die Impfstoffe gegen Diphtherie und Tetanus. Für die Herstellung werden zunächst die Toxoid-erzeugenden Bakterien vermehrt. Sie produzieren Exotoxine und geben diese ins Nährmedium ab. Die Toxine werden gesammelt und durch spezielle Verfahren »entgiftet«, wobei allerdings die antigenen Strukturen erhalten bleiben müssen.
Bei besonders mutationsfreudigen Erregern können Impfstoffe rasch an Wirksamkeit einbüßen. Im Pandemiefall ist es außerdem erforderlich, in kürzester Zeit so viele Impfstoffdosen wie möglich zur Verfügung zu stellen. Klassische Impfverfahren und die Herstellung im Hühnerei stoßen hier an ihre Grenzen. Wissenschaftler setzen daher auf neue Verfahren, deren Entwicklung in der Coronapandemie enorm an Fahrt aufgenommen hat. So sind auch die beiden bekanntesten Corona-Vakzintypen keine traditionellen Lebend- oder Totimpfstoffe, sondern neuartige Vektor- beziehungsweise mRNA-Impfstoffe. Die Coronavakzine Vaxzevria von AstraZeneca ist ein Vektorimpfstoff, ebenso gibt es zugelassene Vektorimpfstoffe gegen Ebola. Hier wird ein für den Menschen ungefährliches Trägervirus genutzt, das allein die Aufgabe hat, die genetische Information für das Impfantigen in die Zelle zu transportieren. Die Zellen erhalten somit einen Bauplan, um die Impfantigene selbst herzustellen. Als Antigene werden Oberflächenproteine des Erregers herausgesucht, von denen man sich die beste Immunisierungswirkung erhofft. Bei Covid-19-Vakzinen war zum Beispiel das virale Spike-Protein von besonderem Interesse. Sobald die Antigene hergestellt sind, erkennt der Körper sie als fremd und bildet eine Immunantwort dagegen aus.
Dafür produziert er Killer-T-Zellen, die infizierte Zellen suchen und zerstören, sowie antikörperproduzierende B-Zellen und Helfer-T-Zellen. Ein häufig benutzter Vektor ist das Adenovirus (Ad). Der Herstellungsprozess der viralen Vektoren ist umständlich und nicht so leicht skalierbar. Die einzelnen Bestandteile des Vektorimpfstoffe müssen zudem in einem komplexen, kontaminationsanfälligen Prozess zusammengebaut werden.
Ein Kritikpunkt an Vektorimpfstoffen ist, dass eine Immunantwort gegen den Virusvektor die Wirksamkeit der Impfung reduzieren könnte. Bei einer »Anti-Vektor-Immunität« baut das Immunsystem womöglich den viralen Vektor ab, bevor die Vakzine ihre Wirkung entfalten kann. Eine Lösung könnte sein, für Gaben von mehr als einer Dosis unterschiedliche virale Vektoren zu verwenden.
Einige Probleme der Vektorimpfstoffe können die Nukleinsäure-Impfstoffe lösen. Zu dieser Familie, auch als genbasierte Impfstoffe bezeichnet, gehören DNA-Impfstoffe, aber auch die mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 von BioNTech/Pfizer und Moderna. Bei diesem Impfverfahren wird wie bei den Vektorimpfstoffen genetisches Material – entweder RNA oder DNA – in den Körper eingebracht. Das in den Körper eingebrachte Stück Erbinformation verschwindet durch natürliche Abbauprozesse der Zellen wieder, die Immunantwort persistiert jedoch.
Um Nukleinsäure-Impfstoffe herzustellen, muss das Genom eines Pathogens bekannt sein. Im nächsten Schritt wählen Wissenschaftler bestimmte Proteine aus, gegen die die Immunantwort aufgebaut werden soll, und stellen die entsprechende kodierende DNA synthetisch her. Bei DNA-Impfstoffen wird die kodierende DNA mithilfe spezieller Enzyme in ein Bakterienplasmid inseriert. Bakterienplasmide bieten sich an, da sie unabhängig von der chromosomalen Haupt-DNA repliziert werden und somit Gene zwischen Zellen austauschen können. Um Kopien dieses Plasmids zu erhalten, werden diese mit sich schnell teilenden Bakterien zusammengebracht. Danach werden die Plasmide isoliert und gereinigt. Eine Herausforderung besteht allerdings darin, dass die in den Muskel injizierten Plasmide auch ins Zytoplasma aufgenommen werden. Ein Beispiel für einen DNA-basierten Impfstoff ist ZyCoV-D, ein Covid-Impfstoff aus Indien. Der Plasmid-DNA-Impfstoff ist der weltweit erste für den Menschen zugelassene DNA-Impfstoff und der erste Impfstoff gegen SARS-CoV-2 mit intrakutanem nadelfreiem Injektionssystem.
Ein Ansatz der Krebstherapie besteht darin, das Immunsystem in die Lage zu versetzen, den Tumor als fremd zu erkennen und zu bekämpfen. Dabei könnte eine therapeutische Impfung helfen. Der Körper bekommt mRNA geimpft, die als Bauplan für ein Protein fungiert, das für den Tumor spezifisch ist. Um die entsprechende mRNA zur Verfügung zu stellen, müssen Wissenschaftler zunächst das Erbgut der Tumorzellen analysieren und Merkmale finden, die für die entarteten Zellen spezifisch sind. Am Ende steht ein personalisierter Impfstoff, der das Immunsystem des Patienten befähigt, gegen die Krebszellen vorzugehen. Die Forschung steht erst am Anfang. Es sind große klinische Studien erforderlich, um unter anderem herauszufinden, für welche Patienten die Impfung geeignet ist.
RNA-Impfstoffe können noch einfacher im Labor ohne Bakterien hergestellt werden. Sie bestehen aus Einzelstrang messenger Ribonukleinsäure (mRNA). Damit die mRNA im Körper leichter ins Zytosol der Zellen aufgenommen werden kann, wird sie in Liposomen oder Lipid-Nanopartikeln (LNP) verpackt oder an Trägermoleküle gebunden.
Die Vakzine sind leicht an Mutationen anpassbar und können unproblematisch hergestellt werden. Das ermöglicht es, schnell auf neue oder veränderte Krankheitserreger zu reagieren. Des Weiteren gelten mRNA-Impfstoffe als sehr sicher. Für ihre Herstellung sind keine toxischen Chemikalien oder Zellkulturen erforderlich. Eine Verunreinigung mit infektiösen Viren ist unwahrscheinlich. Die häufige Sorge, dass mRNA in die körpereigene DNA integriert werden könnte, ist unbegründet. Zum einen gerät die mRNA gar nicht in die Nähe der DNA. Zudem müsste die einzelsträngige RNA erst in doppelsträngige DNA umgeschrieben werden. Das dafür benötigte Enzym, die Reverse Transkriptase, besitzt der Mensch nicht. Anders sieht es jedoch bei DNA-Impfstoffen aus. Sie könnten theoretisch in das Genom der Empfängerzelle integriert werden und eine Mutation auslösen.
Spätestens seit Etablierung der neuen Impfstofftypen spielt die Gentechnik in der modernen Impfstoffentwicklung und -herstellung eine nicht mehr wegzudenkende Rolle. Sie ermöglicht es auch, Antigene von Erregern zu produzieren, die sich wie Papillomviren in Zellkulturen kaum vermehren lassen. Wissenschaftler können dank der Gentechnik auch Proteine herstellen, die es in der Natur gar nicht gibt und die aus Teilen von natürlichen Proteinen bestehen. Die entstandenen Fusionsproteine rufen im besten Fall eine stärkere Immunantwort hervor als die natürlichen Proteine. In Entwicklung befinden sich auch neue Adjuvantien, die Impfwirkungen verstärken sollen. Als Wirkverstärker sorgen sie dafür, dass das Immunsystem die geimpften Antigene als ausreichend gefährlich einstuft, um darauf zu reagieren. Man erhofft sich, dass sich mit verbesserten Adjuvantien die Dauer des Impfschutzes verlängern lässt und auch immunschwache Menschen einen ausreichenden Schutz aufbauen können.
Stufe | Was passiert? |
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Grundlagenforschung | Wahl des Antigens, Entwicklung eines Impfstoffprototyps |
Vorklinische Entwicklung | Entwicklung der Impfstoffrezeptur, Zellkulturen, Tierversuche |
Phase I | Studien mit weniger als 10-30 Personen: Prüfung der Verträglichkeit |
Phase II | Studien mit 50-500 Personen: Prüfung der Immunantwort, Dosisoptimierung, z.T. Prüfung der Schutzwirkung |
Phase III | Studien mit mehr als 1000 Personen mit hohem Erkrankungsrisiko: Prüfung der Schutzwirkung |
Zulassungsverfahren |
Einreichen der Zulassungsunterlagen Behördliche Prüfung und Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses Ggf. Genehmigung des Antrags |
Anwendung | Einsatz der Impfung nach Zulassung, Überwachung durch Behörden und Hersteller, ggf. STIKO-Empfehlung, behördliche Freigabe jeder Charge |
Forschende Pharmaunternehmen und Institutionen benutzen alle bekannten Verfahren, um neue Impfstoffe auch gegen Krankheiten zu entwickeln, gegen die bislang keine Impfung verfügbar ist. Gegen welche Krankheiten aktuell Vakzine in Entwicklung oder bereits in der klinischen Prüfung sind, zeigt der WHO Vaccine Pipeline Tracker.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.