In Corona-Zeiten auf die Psyche achten |
Damit nicht die Angst zum Problem wird, empfehlen Experten, sich bei seriösen Quellen zu informieren, mit dem Umfeld telefonisch oder per Internet in Kontakt zu bleiben und über Ängste zu sprechen. / Foto: Adobe Stock/Marina Andrejchenko
Die anhaltende Pandemie könne bei vielen Menschen Ängste und seelische Belastungen auslösen, die wiederum das Immunsystem schwächen und so auch zu körperlichen Symptomen führen. Die derzeit herrschenden Ausgangsbeschränkungen gingen zudem oft mit Gefühlen der Einsamkeit und Ausgrenzung sowie Depressionen einher, erklärt die DGPM.
Ob selbstständig oder angestellt: Auch die Schließung von Betrieben oder der Verlust von Arbeitsplätzen führe häufig nicht nur zu wirtschaftlicher, sondern auch zu großer seelischer Not. Mehr denn je gehe es darum, innere Balance zu wahren, da Körper und Seele nur gemeinsam stark sein können.
»Generell ist Angst ein nützlicher Begleiter, der uns Gefahren signalisiert und dafür sorgt, uns verantwortungsbewusst zu verhalten. Wenn wir jedoch Panik bekommen, kopflos werden, Regale leer kaufen, dann hilft uns die Angst nicht mehr«, sagt Professor Manfred Beutel, Experte für psychosomatische Medizin aus Mainz. Dann werde die Angst selbst zum Problem. Er rät daher: »Wir sollten die Angst an die Hand nehmen und besonnen reagieren.« Jetzt gelte es, adäquate Bewältigungsstrategien zu finden.
Wichtig für jeden sei in diesem Zusammenhang, sich bei seriösen Quellen zu informieren, wie sich das Infektions-, Erkrankungs- und Ansteckungsrisiko senken lässt. »Konzentrieren Sie sich bei der Informationsgewinnung auf vertrauenswürdige Institutionen wie zum Beispiel das Bundesgesundheitsministerium«, unterstreicht auch Professor Harald Gündel, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Ulm.
Er betont, dass den Massen-Medien jetzt eine besondere Verantwortung zukommt: »Bilder von leeren Regalen beziehungsweise dramatisierende Vergleiche oder das Verbreiten von Gerüchten tragen nicht zur gemeinsamen Sicherheit bei«, kritisiert Gündel, gleichermaßen Beisitzer im Vorstand der DGPM.
Gerade in Zeiten von Covid-19 ist es laut Gründel von besonderer Bedeutung, Ängste, Depressionen und inneren Druck zu reduzieren. Denn: Experimentelle Studien hätten gezeigt, dass Furcht und Panik die körpereigenen Abwehrkräfte schwächen. Dem Corona-Virus und auch anderen Erkrankungen werde somit quasi in die Hände gespielt.
Zur Aktivierung der Seelen- und somit Widerstandskraft in Zeiten von Quarantäne und Kontaktverboten sei es hilfreich, per Internet und Telefon einen »guten Draht nach außen« zu wahren. Bei Homeoffice könnten regelmäßige persönliche Kontakte zu den Kollegen über Handy oder Videokonferenzen dazu beitragen, die Arbeit zu erleichtern und sich gegenseitig zu motivieren.
»Strukturieren Sie Ihren Tag mit festen Arbeits-, Ruhe-, Bewegungs- und Schlafenszeiten. Pflegen Sie Rituale. Betätigen Sie sich kreativ oder versuchen Sie, lang aufgeschobene Tätigkeiten anzugehen«, lauten dazu weitere Empfehlungen der Fachgesellschaft.
Die DGPM warnt, dass häusliche Quarantäne in Familien oder Wohngemeinschaften zu völlig neuen Dynamiken und Gefühlen bei allen Beteiligten führen kann. Im schlimmsten Fall könne die Situation eskalieren.
Dann sei es sinnvoll, sich bewusst zurückzunehmen beziehungsweise mögliche Spannungen oder Probleme konzentriert und ruhig anzusprechen. Allerdings sei zu beachten, dass das Verschweigen und Überspielen negativer Emotionen auch toxisch nicht nur für das Gruppengefüge, sondern für das eigene körperliche Befinden sein kann. Hier gelte es genau abzuwägen.
Die Angst vor Corona könne sich zudem darin äußern, dass Krankheitssymptome empfunden werden, obwohl keine Infektion vorliegt. »Dann droht ein Teufelskreislauf«, so Gündel. Ein erster Schritt der Bewältigung sei es, seine Befürchtungen konkret zu benennen und sich mit anderen darüber auszutauschen.
Für die Gesundheit sei es darüber hinaus wichtig, sich nicht zu sehr in negative Gefühle hineinzusteigern. Im Gegenteil: Es dient der Seele und dem Körper, sich aktiv auf positive Gedanken, Erlebnisse, Aktivitäten und Erinnerungen zu konzentrieren, da dieses im menschlichen Organismus zur Freisetzung einer ganzen Kaskade gesundheitsfördernder Neurotransmitter führt. Die Resilienz wird gesteigert. Auch Phantasiereisen an Sehnsuchtsorte zum Beispiel der Kindheit sind hier effektiv.
»Sich selbst ein Freund sein und wohlwollend mit sich umgehen«: Das sei die Zauberformel, so Wissenschaftler, die das Zusammenspiel von Körper und Psyche erforschen und ebenfalls raten, gerade in Zeiten der Krise den Schutzschirm der Seele zu stärken. Nehmen Angstzustände überhand, könne professionelle ärztliche oder psychologische Hilfe unumgänglich werden.
Gerade für Menschen mit psychischen oder neurologischen (Vor)Erkrankungen könne es in der derzeitigen Situation schwer werden, ohne professionelle Begleitung zurechtzukommen. »Hier sind die behandelnden Haus- und Fachärzte sowie Klinikambulanzen und psychosoziale Beratungsstellen erste Anlaufstellen«, hebt auch die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) hervor.
Die 450 Ambulanzen in Deutschland mit im Durchschnitt rund 2,5 Millionen Patienten pro Jahr verzeichnen aktuell einen enormen Zuwachs an Patienten. Sie alle, so die DGPPN, bauen derzeit daher ihre Angebote auch an Telefon- und Video-Videosprechstunden sowie Online-Interventionen aus.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.