In Corona-Zeiten (erst recht) nicht in der Nase bohren |
Kinder bohren in ihrer Entdeckungsphase gerne mal in der Nase. Der Inhalt ist auch gar nicht ungesund, der Vorgang des Popelns kann jedoch schädlich sein – erst recht in Zeiten einer Virus-Pandemie. / Foto: Getty Images/Denis Bezobrazov/EyeEm
Mehrere Forscherteams hatten Zellen aus Lunge, Nase, Auge, Darm, Herz, Niere und Leber untersucht, wie das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin heute berichtete. Sie wollten herausfinden, welche Zellen die beiden wichtigsten Eintrittsproteine ACE2 und TMPRSS2 enthalten, die das Virus für die Infektion nutzt.
»Wir haben dann gezeigt, dass von allen Zellen die schleimproduzierenden Becherzellen und Flimmerzellen in der Nase die höchsten Konzentrationen dieser beiden Proteine aufweisen«, erklärte Hauptautor Waradon Sungnak vom Wellcome Sanger Institute. »Das macht diese Zellen zum wahrscheinlichsten Erstinfektionsweg für das Virus.« Ihr Ergebnis haben die Forscherteams im Fachjournal «Nature Medicine» veröffentlicht.
Für Michael Deeg vom Deutschen Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte ist Nasebohren aber auch grundsätzlich ein »absolutes No-Go«. Wer zu oft und zu lange bohrt, verursache Verletzungen an den Schleimhäuten. Diese offenen Wunden schließen sich und es entstehen Krusten.
Dermatologin Utta Petzold spricht von einem Kreislauf, in dem sich Betroffene befinden. Mitunter sei dann das Verlangen stark, mit dem Finger in die Nase zu gehen und »die neu entstandenen Krusten auch wieder zu entfernen«.
Wer weiter bohrt, kann aus der Nase bluten. Denn die Gefäße im Organ verlaufen sehr nah an der Oberfläche. Zudem ist die Nasenscheidewand empfindlich. In ihr kann durch ausgiebiges Bohren gar ein Loch entstehen.
Neben den mechanischen Schäden können schmutzige Finger – nicht nur in Zeiten des Coronavirus – Keime oder Bakterien in die angeschlagene Schleimhaut transportieren. Die Nase entzündet sich.
Am liebsten bohren die Menschen übrigens in der Nase, wenn sie sich unbeobachtet glauben – etwa allein zu Hause. Eine Sonderstellung nimmt das eigene Auto ein. Der Klassiker: Nasebohren beim Warten an der roten Ampel. Dabei bewegt man sich auf der Straße im öffentlichen Raum. Im Auto fühlten wir uns indes »so geschützt wie in unseren eigenen vier Wänden und glaubten irrtümlicherweise, dass wir nicht gesehen werden«, erklärt Sören Al-Roubaie vom Berufsverband deutscher Psychologen.
Übrigens: Mehr Männer als Frauen popeln in der Nase. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest Autor Christoph Drösser, der für sein Buch »Wie wir Deutschen ticken« diverse Umfragen ausgewertet hat. Demnach bohren hierzulande 62 Prozent der Männer und 51 Prozent der Frauen heimlich in der Nase, wenn sie sich unbeobachtet fühlen.
Bei Kindern, die sich selbst entdecken, ist es ganz normal. Sie werden dann allerdings oft von ihren Eltern ermahnt. Dabei ist das Essen der eigenen Popel nicht per se ungesund. Grundsätzlich nehme der Mensch den ganzen Tag sein Nasensekret zu sich, weil Nase und Mund miteinander verbunden seien, erklärt Allgemeinmedizinerin Sabine Gehrke-Beck von der Berliner Charité
Einige Forscher haben sogar herausgefunden, dass Popel-Essen das Immunsystem stärken kann. Das Nasensekret enthalte Bakterien, die vor schädlichen Zahnerkrankungen wie Karies schützen und sich positiv auf den Magen- und Darmtrakt auswirken sollen. Die Ergebnisse veröffentlichten die Forscher der Harvard University und des Massachusetts Institute of Technology in der Fachzeitschrift »Applied and Environmental Microbiology«. Heute ist der »Internationale Tag des Nasenbohrens«.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.