In Schwangerschaft ausdrücklich empfohlen |
Brigitte M. Gensthaler |
21.04.2020 09:30 Uhr |
In der Schwangerschaft gilt es, so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig zu impfen Nötig ist nach einer neuen STIKO-Empfehlung die Impfung gegen Keuchhusten und Influenza. / Foto: Adobe Stock/Pixel-Shot
In der Schwangerschaft sollte »so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig« geimpft werden, betont der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) im Einklang mit dem Robert-Koch-Institut (RKI). Impfungen mit Totimpfstoffen, zum Beispiel gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis oder Hepatitis A und B, sind in dieser Zeit möglich. Allerdings sollten Frauen in den ersten 13 Wochen einer Schwangerschaft nur dann geimpft werden, wenn es dringend notwendig ist. Nicht weil dies ein besonders hohes Risiko bergen würde, sondern weil die in der Frühschwangerschaft häufigen spontanen Fehlgeburten fälschlicherweise mit der Impfung in Zusammenhang gebracht werden könnten. Dies bedeute für die Frau eine hohe seelische Belastung.
Die Frauenärzte betonen auch, dass aufschiebbare Impfungen in die Zeit des Wochenbetts verlegt werden sollten. Dabei stellt Stillen – außer bei der Gelbfieber-Impfung – keine Kontraindikation für irgendeine Impfung dar.
Zwei Impfungen werden aber ausdrücklich für Schwangere empfohlen. Dies ist die Influenza-Impfung und – ganz neu – die Pertussis-Impfung.
In vielen Ländern werden schwangere Frauen bereits gegen Keuchhusten geimpft, weil dadurch das Neugeborene in den ersten Lebenswochen von den mütterlichen Leihantikörpern profitiert. Seit Ende März empfiehlt auch die Ständige Impfkommission (STIKO) am RKI offiziell, dass sich schwangere Frauen gegen Pertussis impfen lassen sollen, um Neugeborene und junge Säuglinge vor Keuchhusten und dessen Komplikationen zu schützen.
Laut STIKO sollen die Frauen zu Beginn des dritten Trimenons mit einem Tdap-Kombinationsimpfstoff, der Tetanus- und Diphtherie-Toxoide sowie azelluläre Pertussis-Komponenten enthält, geimpft werden. Ist eine Frühgeburt wahrscheinlich, sollte die Maßnahme ins zweite Trimenon vorgezogen werden. Für den Schutz des Neugeborenen sei das Intervall zwischen Impfzeitpunkt und Geburt entscheidend, schreibt die STIKO. Denn der mütterliche Organismus muss genügend Zeit haben, hohe Antikörpertiter aufzubauen, die dann über die Plazenta auf das Ungeborene übertragen werden. Ohne diese Impfung hat das Neugeborene keinen Nestschutz!
PTA und Apotheker sollten der Frau erklären, dass die Pertussis-Vakzine nicht primär sie selbst, sondern das Kind schützen soll. Daher soll die Impfung unabhängig vom persönlichen Impfschutz der Frau erfolgen. Außerdem muss sie in jeder Schwangerschaft wiederholt werden. Laut Studienlage sei die Tdap-Impfung in der Schwangerschaft sicher, betonen die Experten.
Die Säuglinge selbst können vor dem Alter von sechs Wochen nicht geimpft werden. Laut STIKO-Impfkalender sollen sie ab zwei Monaten bis zum 14. Lebensmonat viermal gegen Pertussis geimpft werden (Grundimmunisierung). Um die ganz Kleinen zu schützen, wurde bislang nur die sogenannte Kokonstragie verfolgt: Frauen im gebärfähigen Alter, enge Kontaktpersonen zu Neugeborenen sowie Personal im Gesundheitsdienst oder in Gemeinschaftseinrichtungen sollen alle zehn Jahre geimpft werden, um quasi einen Schutzwall um das Neugeborene zu ziehen.
In Deutschland sind seit Mitte der 1990er-Jahre mehrere Impfstoffe mit azellulärer Pertussis-Komponente für Erwachsene zugelassen. Ganzkeim-Vakzinen werden seit dem Jahr 2000 nicht mehr verwendet. Für die Impfstoffe Covaxis® und Repevax® wurde kürzlich die Zulassung auf das zweite und dritte Trimenon erweitert; Boostrix® und Boostrix-Polio® dürfen im dritten Trimenon gespritzt werden. TdaP-Immun® ist nicht explizit für eine Anwendung in der Schwangerschaft zugelassen.
Da eine Influenza-Infektion bei Schwangeren schwer verlaufen kann, empfiehlt die STIKO seit 2010 die saisonale Influenza-Impfung allen Frauen, die im Winter schwanger sind. Außerdem sollen alle Kontaktpersonen von Neugeborenen geschützt sein.
»Die Influenza-Epidemie 2017/2018 mit besonders aggressiven Virustypen hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass wirklich jede Schwangere gegen Grippe geimpft wird«, betont Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte, in einer Pressemeldung. Eine schwere Erkrankung mit hohem Fieber gefährde nicht nur die Mutter selbst, sondern erhöhe das Risiko für eine Fehl- oder Frühgeburt. Zudem schützt die Impfung auch das Neugeborene vor einer Infektion, denn die mütterlichen Antikörper werden über die Plazenta übertragen und geben dem Säugling einen »Nestschutz« für einige Wochen.
Die STIKO empfiehlt die Impfung allen Schwangeren ab dem 2. Schwangerschaftsdrittel (ab der 13. Woche). Hat die Frau aufgrund einer Grunderkrankung, zum Beispiel von Herz, Lunge oder Diabetes, ein erhöhtes gesundheitliches Risiko, kann sie schon früher geimpft werden. Die Experten betonen auch hier, dass die Impfstoffe sowohl für die Schwangere als auch für das Ungeborene sicher sind.
In der Saison 2019/2020 können Schwangere mit den Vakzinen Flucelvax® Tetra, Influsplit® tetra und Influvac® tetra geimpft werden. Aber nur die Vakzine Vaxigrip® tetra ist explizit dafür zugelassen.
Der Frauenärzte-Verband weist noch darauf hin, dass eine Hepatitis-A-Impfung in der Schwangerschaft möglich ist, wenn ein besonderes Risiko besteht, zum Beispiel bei Reisen in Infektionsgebiete. Eine Hepatitis-B-Impfung sollte auch in der Schwangerschaft erfolgen, falls die Frau gegen diese Infektion noch nicht geschützt ist.
Mitunter fragen werdende Mütter nach einem Schutz vor der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Da der Impfstoff ein inaktiviertes FSME-Virus enthält, ist eine indizierte Impfung auch während der Schwangerschaft möglich, schreibt die STIKO. Dabei ist das individuelle Expositionsrisiko zu beachten, zum Beispiel bei Reisen oder häufigem Aufenthalt in freier Natur in einem Risikogebiet. Stillen ist keine Kontraindikation für eine FSME-Impfung der Mutter.
Lebendimpfstoffe, zum Beispiel gegen Masern, Mumps, Röteln (MMR) und Windpocken, sind in der Schwangerschaft grundsätzlich kontraindiziert. Nach einer solchen Impfung sollte die Frau für einen Monat nicht schwanger werden, rät das RKI. Eine versehentliche Lebendimpfung während oder kurz vor einer Schwangerschaft ist aber keine Indikation zum Abbruch, denn bei vielen hundert dokumentierten Impfungen habe man kein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen des Kindes festgestellt.
Eine Gelbfieber-Impfung ist nur vor Reisen in Risikogebiete erforderlich und schützt lebenslang. Eine Auffrischung ist nicht nötig. Wenn eine solche Reise unumgänglich ist, sollte die Impfung vor der Schwangerschaft erfolgen. Ungeimpfte Schwangere sollten Länder mit Gelbfieberrisiko meiden, empfehlen die Frauenärzte. Nur bei großer Infektionsgefahr sei eine Impfung zu erwägen, da eine Gelbfieber-Erkrankung das größere Übel wäre.