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Evidenzlage

Indikationen der ketogenen Diät kennen

Ketogene Diät oder ketogen essen: Der Trend, massiv auf Kohlenhydrate zu verzichten, hält an. Dabei ist es wichtig, diese Ernährungsform für gesunde Menschen sowie getrennt davon im Rahmen medizinischer Indikationen zu betrachten.
AutorKontaktIsabel Weinert
Datum 13.04.2023  12:00 Uhr

Wer sich für eine ketogene Ernährung außerhalb medizinischer Indikationen entscheidet, möchte in der Regel an Gewicht verlieren und an Fitness gewinnen. Die eine ketogene Diät gibt es allerdings nicht. Der Markt der Möglichkeiten scheint riesig. Von iso- zu hypokalorischen Varianten, über vegane und vegetarische Formen bis zu dem bevorzugten Konsum tierischer Produkte ist alles dabei. Das sagt Silke Restemeyer, Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) gegenüber PTA-Forum. Doch bei aller Vielfalt existiert eine Gemeinsamkeit: Wer sich ketogen ernähren will, darf maximal 50 g Kohlenhydrate am Tag essen. Soviel steckt etwa in vier dünnen Scheiben Weißbrot. Die DGE empfiehlt im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung, 50 Prozent der täglichen Energiezufuhr durch (komplexe) Kohlenhydrate zu decken. Bei der ketogenen Diät kommt der Monsterteil der Energiezufuhr aus Fett, bis zu 90 Prozent dürfen es sein, Eiweiß darf in moderaten Mengen genossen werden. 

Die ketogene Diät, konsequent durchgeführt, bewirkt im Körper eine Umstellung.  Er zieht Energie dann nicht mehr aus Glucose, sondern aus Ketonkörpern. Für den Organismus ist diese Möglichkeit lebenswichtig, denn Gehirnzellen, Nervenzellen und Erythrozyten können nur mit Glucose oder Ketonkörpern existieren. Die Umstellung Richtung Ketose funktioniert tatsächlich ausschließlich dann, wenn es gewaltig an Kohlenhydraten mangelt. Der Organismus leert dann zunächst die Glycogenspeicher in Leber und Muskulatur, bevor er sich des Nahrungsfettes und der körpereigenen Fettspeicher bedient. Dann beginnt das Körpergewicht tatsächlich rasch zu sinken. Wissenschaftler vermuten, dass das am erhöhten hepatischen Sauerstoffbedarf für Gluconeogenese und Triglycerid-Fettsäure-Recycling liegt. Menschen mit Ketosestoffwechsel nehmen also rasch ab und – das scheint tatsächlich ein weiterer Anfangsvorteil der ketogenen Diät zu sein – sie haben weniger Appetit. Dafür machen Wissenschaftler Beta-Hydroxybutyrat verantwortlich, erklärt Restemeyer. Die Anfangseuphorie wegen purzelnder Pfunde scheint jedoch dann gebremst, wenn der Körper die Stoffwechselumstellung vollbracht hat. Dann, darauf deuten Studien hin, sinkt der Ruheumsatz des Körpers wieder. Wie bei anderen Diäten pendelt sich der Organismus auf diese Weise auf ein neues Gleichgewicht zwischen Energiezufuhr und deren Verbrauch ein. Weiter abzunehmen, wird dann schwerer. Es genügen bei der ketogenen Diät bereits auch kleinste »Ernährungsausrutscher«, um die Ketose zu beenden. Nicht nur ein Mehr an Kohlenhydraten bewirkt das, sondern auch ein Zuviel an Protein.

Aufwand und Nebenwirkungen

Die DGE rät von einer ketogenen Diät für Laien ohne medizinische Notwendigkeit ab. Man müsse sich ausgiebig mit dieser Ernährungsform beschäftigen, um sie umsetzen zu können, weiß Restemeyer. Doch schwerer wiegt das Risiko, einen Nährstoffmangel zu entwickeln, fehlen doch bei der Variante mit sehr hohem Fettanteil wichtige Lebensmittelgruppen wie Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte und Getreide, also vor allem ballaststoffhaltige Nahrungsmittel, die auch reich an Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen sind. Grundsätzlich könne der Mangel an Ballaststoffen Darmbeschwerden wie Verstopfung mit sich bringen. In der Anfangsphase leiden Menschen oft unter Übelkeit und Hypoglykämie, die sich im weiteren Verlauf abschwächen. Möglich sind auch die vermehrte Entstehung von Nierensteinen, erhöhte Harnsäurewerte und in extremen Fällen eine gefährliche metabolische Acidose. Infolge des Verzehrs von reichlich tierischen Produkten kann sich der LDL-Spiegel erhöhen. Potenziell könnte das eine Gefahr für Herz und Kreislauf mit sich bringen. 

Unter den vielen verschiedenen Diäten schneidet die Keto-Diät im Hinblick auf ihre Alltagstauglichkeit eher nicht gut ab. Die Lebensmittelauswahl ist deutlich eingeschränkt, damit wird es auch schwer, wenn man mit anderen Menschen essen gehen möchte oder auf eine Gemeinschaftsverpflegung angewiesen ist.

Wirksam bei Epilepsie

Neben der Vermarktung der ketogenen Ernährung für die Allgemeinheit steht die ketogene Diät auch bereits lange Zeit im Fokus von Wissenschaftlern, um sie für medizinische Indikationen zu bewerten. Klar ist, dass eine strenge ketogene Diät Kindern und Jugendlichen mit Epilepsie helfen kann, deren Erkrankung nicht auf zwei oder mehr fachgerecht eingesetzte Antikonvulsiva angesprochen hat. Halten Eltern mit ihren Kindern diese Maßnahme zwei Jahre durch, so besteht die Chance, dass die Krampfanfälle auch bei anschließend normaler Ernährung auf einem geringeren Niveau bleiben als vor der Diät. Auch Erwachsene mit Epilepsie können profitieren. Zwar bleibt eine Heilung als Folge einer Keto-Diät aus, aber die Chance auf eine 50-prozentige Reduktion der Häufigkeit der Anfälle lag bis zu fünfmal höher als bei denjenigen Menschen mit Epilepsie, die diese Diät nicht durchführten.

Zudem gibt es seltene Stoffwechselerkrankungen, bei denen eine ketogene Ernährung die erste Therapieoption darstellt. Dazu gehören der Glucose-Transporter-Typ-1-Defekt und der Pyruvatdehydrogenasemangel. Hier sorgt die spezielle Ernährungsweise dafür, dass der enzymatische Effekt umgangen wird.

Ein Problem selbst dann, wenn es Menschen unter dieser Diät besser geht: Viele Betroffene halten diese Art von Ernährung nicht durch. Sie empfinden die stark beschränkte Auswahl an Lebensmitteln, die Nebenwirkungen der Diät und die Einschränkungen, am geselligen gesellschaftlichen Leben nicht wirklich teilnehmen zu können als derart massiv, dass ein Abbruch als die bessere Lösung erscheint.

Keine Evidenz bei Krebs

Nicht so klar wie bei der Epilepsie ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis einer ketogenen Diät im Rahmen von Krebserkrankungen. Die Idee, diese Ernährung bei Menschen mit Tumorerkrankungen einzusetzen, beruht auf dem Gedanken, den Tumor auszuhungern, indem man ihm Glucose entzieht. Bislang existiert jedoch keine Studie, die beweist, dass diese Form der Ernährung irgendeinen Einfluss auf Krebszellen hat. Nicht an Krebs erkrankte Menschen profitieren davon, auf Ein- und Zweifachzucker weitestgehend zu verzichten. Für sie steigen so die Chancen, nicht an Krebs zu erkranken. Eine ausgewogene Ernährung beugt am besten vor. Eine bereits vorhandene Tumorerkrankung dadurch ausmerzen zu wollen, weckt jedoch nur falsche Hoffnungen. Weder verlangsamt der Verzicht auf Zucker das Wachstum eines bereits vorhandenen Tumors noch gibt es Belege dafür, dass die Zuckerzufuhr das Wachstum beschleunigt.

So schrieben die Arbeitsgemeinschaft Prävention und Integrative Onkologie (PRiO) sowie die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) in 2017 gemeinsam: »Aufgrund der aktuellen Datenlage können kohlenhydratarme und ketogene Diäten als ergänzende Therapie und allgemein für Menschen mit Krebserkrankungen nicht empfohlen werden.«

Mögliche Schäden

Im Gegenteil können die Nebenwirkungen einer ketogenen Diät Menschen mit einer Krebserkrankung zusätzlich schaden. So ist etwa der Gewichtsverlust, den gesunde Menschen durch die ketogene Ernährung anstreben, für an Krebs Erkrankte eine der schlechtesten möglichen Wirkungen, verschlechtert sich dadurch nach heutigem Kenntnisstand eher die Prognose. Und auch Nährstoff- und Vitaminmängel, wie sie bei einer strikten ketogenen Diät auftreten können, können gerade Menschen mit Krebs noch mehr beeinträchtigen. Ärzte, die Krebspatienten betreuen, werden immer wieder darauf angesprochen, ob eine ketogene Ernährung helfen könnte. Es ist dann nicht leicht, die Hoffnung nehmen zu müssen. Eva Kerschbaum, Beratungsstelle für Ernährung am Tumorzentrum München, und Nicole Erickson, Koordinatorin Ernährungswissenschaft Onkologie und Gesundheitskompetenz, Krebszentrum CCC München, geben für die Beantwortung hoffnungsvoller Fragen von Betroffenen in einem Fachbeitrag Tipps, die auch für PTA hilfreich sein können. Denn auch in der Apotheke können Fragen nach einer solchen Ernährung im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung auftauchen. Patienten bringen danach häufig folgende Argumente ein: »Krebszellen sterben ohne Zuckerzufuhr schneller ab«; »Krebszellen wachsen schneller, wenn man Zucker isst«; »Die ketogene Ernährung wird schon lange angewendet«; »Es gibt wissenschaftliche Studien, die dafür sprechen«. Auf all diese Fragen von Patienten, sollte man zunächst positiv reagieren, so die Autorinnen, etwa mit den Worten »Sie sprechen ein wichtiges Thema an. Es ist gut, dass Sie darüber nachdenken, was neben den Medikamenten noch helfen könnte«. Im Anschluss informiert man sachlich zu den genannten Argumenten. So stellt es für Tumorzellen kein Problem dar, wenn sie nur noch wenig oder gar keine Glucose mehr bekommen, weil sie sich wie der restliche Organismus anpassen und von Fett und Eiweiß leben können. Dann sollte man den Patienten eine andere Alternative aufzeigen, indem man auf eine bedarfsgerechte Ernährung hinweist. Diese kann der Patient nach den Gesichtspunkten einer schonenden Zubereitung ohne Lebensmittel-Restriktionen und nach dem Prinzip der möglichst abwechslungsreichen Küche selbst beeinflussen. Und dieser Aspekt, selbst etwas tun zu können, ist von großer Bedeutung.

Im Bereich der Therapie von Krebserkrankungen steht derzeit auch das Fasten im Fokus. Es scheint zunächst aufgrund des Gewichtsverlustes ebenso unsinnig wie eine ketogene Diät. Allerdings soll der Verzicht auf Nahrung auch nicht das Tumorwachstum beeinflussen, sondern könnte um die Termine der Chemotherapie herum deren Verträglichkeit steigern. Resultate, die klare Empfehlungen mit sich bringen, sind noch abzuwarten.

Bei Lipödem manchmal nützlich

Ein mögliches Einsatzgebiet für die ketogene Ernährung sehen Wissenschaftler in der Behandlung des Lipödems, einer Fettverteilungsstörung besonders an den Beinen, die fast ausschließlich bei Frauen auftritt. Üblichen Maßnahmen zur Gewichtsabnahme trotzt das Lipödem. Auch eine ketogene Ernährung kann ein Lipödem nicht heilen, jedoch kann sie manchen Patientinnen helfen, die unangenehmen Symptome der Erkrankung zu lindern, schreibt das Lipödem Zentrum München. Die Experten betonen, dass eine ketogene Diät nicht pauschal allen Betroffenen hilft und die Ernährungsumstellung nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen darf.

Diese Vorgabe gilt bei den medizinischen Indikationen für eine ketogene Ernährung immer. Denn es ist für den Laien tatsächlich schwierig zu wissen, was wann in welchen Mengen auf den Tisch kommen darf und was nicht. Auch die Mediziner des Lipödem Zentrums weisen auf die Nebenwirkungen der ketogenen Ernährung hin.

Zu den absoluten Kontraindikationen für eine ketogene Diät zählen ein Typ-1-Diabetes – hier besteht die Gefahr einer potenziell tödlichen metabolischen Azidose – außerdem eine Leberinsuffizienz, weil eine gesunde Leber für die Produktion von Ketonkörpern notwendig ist. Weiterhin sprechen Nierenerkrankungen und Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse sowie eine Schwangerschaft und die Stillzeit klar gegen die ketogene Ernährungsweise.

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